: Lawrow: Gefahr für dritten Weltkrieg "real"

25.04.2022 | 23:26 Uhr
Lawrow sieht realistische Gefahr für dritten Weltkieg, Uno-Generalsekretär reist optimistisch nach Moskau, Russland weist 40 deutsche Diplomaten aus. Kriegstag 61 im Überblick.
Russlands Außenminister Sergej LawrowQuelle: dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor einem Treffen morgen mit Wladimir Putin ist Uno-Generalsekretär Guterres von Kiew aufgefordert worden, sich um eine Evakuierung Mariupols zu bemühen
  • Moskau weist 40 deutsche Diplomaten aus - Außenministerin Baerbock verurteilt den Schritt
  • Das UNHCR verzeichnet seit Beginn des russischen Angriffs mehr als 5,2 Millionen ukrainische Kriegs-Flüchtlinge
  • Nach dem Besuch der US-Minister Blinken und Austin in Kiew sagen die USA der Ukraine weitere Hilfen zu
  • Im Westen und Zentrum der Ukraine sind Eisenbahnstationen unter Beschuss, auch im Osten soll es neue russische Angriffe geben

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Die Entwicklungen von Tag 61 im Ukraine-Krieg

  • Russlands Außenminister Sergej Lawrow zufolge besteht aktuell eine reale Gefahr eines dritten Weltkriegs. "Die Gefahr ist ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden", sagte Lawrow in einem Interview im russischen Fernsehen, das das Außenministerium am Montagabend in seinem Telegram-Kanal teilte. Russland werde aber die Verhandlungen mit der ukrainischen Delegation fortsetzen, sagte Lawrow. Er betonte zugleich: "Der gute Wille hat seine Grenzen." Wenn er nicht auf "Gegenseitigkeit" beruhe, "hilft dies dem Verhandlungsprozess nicht".
  • Vor dem Treffen morgen von UN-Generalsekretär António Guterres mit Russlands Präsident Wladimir Putin sehen die Vereinten Nationen eine Chance auf Vermittlung im Ukraine-Krieg. "Wir haben das Gefühl, dass es einen Moment der Gelegenheit gibt, und dies ist die Zeit, sie zu nutzen", sagte Sprecher Farhan Haq am Montag. Er betonte allerdings auch, dass es zu früh sei, um Dinge zu versprechen. Im Anschluss an das Treffen mit Putin wird Guterres nach Kiew reisen.
  • Russland weist 40 deutsche Diplomaten aus. Der deutsche Botschafter in Moskau sei am Montag einbestellt und darüber informiert worden, dass "40 Mitarbeiter der diplomatischen Vertretungen Deutschlands in Russland zu unerwünschten Personen erklärt" worden seien, teilte das russische Außenministerium mit. Es handele sich um eine Vergeltungsmaßnahme für eine ähnliche Maßnahme Deutschlands.
  • Außenministerin Annalena Baerbock hat die Ausweisung von 40 deutschen Diplomaten durch Russland verurteilt. "Den heutigen Schritt haben wir erwartet, gerechtfertigt ist er in keiner Weise", erklärte die Grünen-Politikerin am Montag in Berlin.
  • Russlands Verteidigungsministerium kündigt an, am Mittag die Kampfhandlungen um das Asow-Stahlwerk in Mariupol einzustellen, damit Zivilisten den belagerten Gebäudekomplex verlassen können. Die festsitzenden Zivilisten dürften sich aussuchen, in welche Richtung sie das Werk verlassen wollten, heißt es. In dem Stahlwerk haben sich seit Wochen ukrainische Soldaten und zahlreiche Zivilisten verschanzt. Bisher sind zahlreiche Evakuierungsversuche von Zivilisten aus der umkämpften Hafenstadt gescheitert.
Blick auf das Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol, wo sich noch immer ukrainische Kämpfer und Zivilisten verschanzen.Quelle: dpa
  • US-Außenminister Antony Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin haben bei ihrem Besuch in Kiew eine schrittweise Rückkehr von US-Diplomaten in die Ukraine sowie weitere Militärhilfen in Höhe von rund 700 Millionen Dollar angekündigt. Die Diplomaten waren angesichts der russischen Invasion aus der Ukraine nach Polen in Sicherheit gebracht worden und hatten von dort gearbeitet. Aus Sicherheitsgründen war der Besuch der beiden US-Minister in der ukrainischen Hauptstadt von den USA erst bestätigt worden, nachdem Austin und Blinken das ukrainische Hoheitsgebiet wieder verlassen hatten. Laut ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh hätten beide Seiten bei dem Besuch auf "Symbolik" verzichtet:
  • Krywyj Rih, die Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bereitet sich auf einen Angriff russischer Truppen vor. Die ukrainischen Streitkräfte rechneten mit einer Offensive in den kommenden Tagen, schrieb der örtliche Militärchef Oleksandr Wilkul im Online-Dienst Telegram. Man habe mehrstufige Verteidigungslinien aufgebaut und versuche, Zivilisten aus gefährdeten Gebieten zu bringen. Krywyj Rih ist unter anderem dank der Eisenerz-Förderung ein wichtiges Industriezentrum für die Ukraine. Die Stadt liegt nördlich von Cherson.

So ist die Lage in den ukrainischen Städten

  • In einem neuen Video aus dem umkämpften Stahlwerk Asowstal in Mariupol haben die dort eingeschlossenen Zivilisten die Weltgemeinschaft um Hilfe angefleht. "Wir wollen in unserer Stadt leben, in unserem Land. Wir haben diese Bombardierungen, die andauernden Luftangriffe auf unser Land satt. Wie lange wird das noch so weitergehen?", sagte eine Frau unter Tränen. Eine andere Frau sagte, in den unterirdischen Gängen unter dem Stahlwerk harrten 600 Zivilisten aus und hätten kein Essen und kein Wasser. Das Stahlwerk sei mit Bomben und Raketen beschossen worden, heißt es im Lagebericht am Montag.
  • Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben mehrere russische Angriffe im Osten der Ukraine abgewehrt. In Richtung Kramatorsk habe Russland Sturmversuche unternommen, aber keinen Erfolg gehabt, teilte der ukrainische Generalstab am Montag in seinem Lagebericht mit. 
  • Im Bereich Donezk und weiter südlich beschränkten sich die russischen Kampfhandlungen vor allem auf starkes Artilleriefeuer auf die ukrainischen Stellungen. Einzig in der seit Wochen umkämpften Kleinstadt Popasna habe es weitere Sturmversuche gegeben. Zu eigenen Verlusten machte der Generalstab keine Angaben.

Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs

  • Innerhalb von 24 Stunden sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 45.000 weitere Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Insgesamt flohen bereits mehr als 5,2 Millionen Ukrainer vor dem russischen Angriffskrieg, wie das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) am Montag mitteilte. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) der Vereinten Nationen sind seit Beginn der Invasion am 24. Februar zudem 218.000 Bürger aus Drittländern - vor allem Studenten und Wanderarbeiter - in die Nachbarländer geflohen. Darüber hinaus schätzt die IOM, dass mehr als 7,7 Millionen Menschen innerhalb der Ukraine auf der Flucht sind.
  • Aus Protest gegen den Import von Öl aus Russland haben Greenpeace-Aktivisten in Norwegen ihr Boot an einem russischen Öltanker festgekettet. Damit wollten sie verhindern, dass das Schiff Tausende Tonnen Öl in den norwegischen Hafen Slagentangen bringen könne, berichtete die Umweltorganisation am Montag. Die vier Aktivisten, die in drei kleinen Booten und Kajaks Transparente mit Aufschriften wie "Stop fuelling the war" und "Oil fuels war" hochhielten, forderten die norwegische Regierung auf, die Einfuhr von fossilen Brennstoffen aus Russland zu stoppen. Esso solle seine Verträge mit Russland wegen des Kriegs in der Ukraine kündigen.
  • Die Europäische Union (EU) bereitet weitere Sanktionen gegen Russland vor. "Wir arbeiten an einem sechsten Sanktionspaket, und eines der Themen, die wir in Betracht ziehen, ist eine Form von Ölembargo. Wenn wir Sanktionen verhängen, müssen wir dies auf eine Weise tun, die den Druck auf Russland maximiert und gleichzeitig den Kollateralschaden für uns selbst minimiert", sagt der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, der Zeitung "Times".
  • Die Europäische Kommission sieht im Moment keine ausreichende Unterstützung in den EU-Mitgliedsländern für ein vollständiges Embargo von russischem Öl und Gas. "Ein Importstopp für Öl und Gas oder ein Strafzoll wären wichtig, um Druck auf Putin aufzubauen und ihn an den Verhandlungstisch zu bringen", sagte Borrell der Zeitung "Welt". "Aber im Moment haben wir in der EU keine geschlossene Haltung in dieser Frage."
  • Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat die Freilassung von vier Mitarbeitern in den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten im Osten der Ukraine gefordert. Der polnische Außenminister Zbigniew Rau, dessen Land derzeit den OSZE-Vorsitz innehat, erklärte am Sonntag, die Inhaftierung von vier ukrainischen Mitarbeitern "wegen administrativer Tätigkeiten, die zu ihren offiziellen Aufgaben als OSZE-Mitarbeiter gehören", sei "inakzeptabel".

Ukraine: Hier können Sie spenden

Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
  • Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko fordert nach dem jüngsten Interview von Gerhard Schröder Sanktionen des Westens gegen den Altkanzler. "Alle diejenigen, die weiterhin für Kriegsverbrecher Putin arbeiten, müssen hart sanktioniert werden", sagte Klitschko der Zeitung "Bild". Schröder sei Teil des Putin-Systems und damit "mitverantwortlich für das Abschlachten von Frauen und Kindern in der Ukraine. Angesichts seiner Propaganda für den Kreml fragt man sich, warum Schröder in Hannover wohnt und nicht in Moskau."
Die Kritik an Schröder und aktuelle Reaktionen lesen Sie hier:

Das ist an Tag 60 passiert:

Die russischen Streitkräfte haben ihre Raketenangriffe gegen die Ukraine auch zum orthodoxen Osterfest fortgesetzt. Es wurden erneut Dutzende Militärobjekte und zahlreiche Stellungen des ukrainischen Militärs beschossen, wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, mitteilte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eigenen Angaben zufolge mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan telefoniert. Thema des Gesprächs soll vor allem die Lage in Mariupol gewesen sein. Lesen Sie hier, wie sich die Lage in der Ukraine am Sonntag entwickelt hat:
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Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP, ZDF

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