: Scholz sichert Selenskyj Unterstützung zu
10.04.2022 | 23:59 Uhr
Scholz sichert Selenskyj Beistand Deutschlands zu, Kanzler Nehammer trifft Putin am Montag in Moskau, pro-russische Demos unter strengen Auflagen - die Entwicklungen am Sonntag.Das Wichtigste in Kürze
- Scholz sichert Selenskyj Unterstützung zu
- Prorussische Demos starten unter strengen Auflagen
- Selenskyj fordert Öl-Embargo der "gesamten zivilisierten Welt" gegen Russland
- Weiteres Massengrab in der Nähe von Kiew entdeckt
- Nato plant ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Entwicklungen an Tag 46 im Ukraine-Krieg:
- Ukraines Präsident Selenskyj und Kanzler Olaf Scholz (SPD) haben in einem Telefonat erneut betont, dass alle Täter von Kriegsverbrechen verurteilt und bestraft werden müssen. Man habe außerdem über Sanktionen gegen Russland, sowie Verteidigung und finanzielle Unterstützung für die Ukraine gesprochen, so Selenskyj auf Twitter:
Tweet von Präsident Selenskyj
- Die Bundesregierung hat das Telefonat bestätigt. Es sei dabei auch über den Verhandlungsprozess zwischen der Ukraine und Russland gegangen, so eine Regierungssprecherin. "Der Bundeskanzler verurteilte die abscheulichen Kriegsverbrechen des russischen Militärs in Butscha und in anderen Orten in der Ukraine." Die Bundesregierung werde zusammen mit ihren internationalen Partnern alles daransetzen, dass die Verbrechen schonungslos aufgeklärt und die Täter identifiziert werden, damit sie vor Gerichten zur Verantwortung gezogen werden.
Der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident tauschten sich darüber hinaus über Möglichkeiten der weiteren Unterstützung der Ukraine aus und verabredeten, weiterhin eng in Kontakt zu bleiben.
- Die russische Menschenrechtskommissarin Tatiana Moskalkowa bestätigt einen Gefangenenaustausch mit der Ukraine vom Samstag. Am frühen Sonntagmorgen seien die an Russland übergebenen Personen auf russischem Boden angekommen, erklärt sie in einem Post im Internet. Unter ihnen seien vier Angestellte der staatlichen Atomenergiegesellschaft Rosatom und Soldaten.
- Im umkämpften Osten der Ukraine soll es an diesem Sonntag neun Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung geben. Dem habe die Regierung in Kiew zugestimmt, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Auch für die eingekesselte Hafenstadt Mariupol werde es einen Korridor geben, den Menschen mit Privatfahrzeugen nutzen könnten. Alle Routen in der im Osten gelegenen Region Luhansk würden funktionieren, solange es eine Waffenruhe seitens der russischen Truppen gebe, erklärt Wereschtschuk auf Telegram.
- Russland versucht, die zunehmenden Verluste seiner Invasionstruppen durch Soldaten auszugleichen, die seit 2012 aus dem Militärdienst entlassen wurden. Zu dieser Erkenntnis kommt der britische Militärgeheimdienst, wie das Verteidigungsministerium aus seinem regelmäßig veröffentlichten Bulletin auf Twitter mitteilt. Das Militär bemühe sich, seine Kampfkraft zu stärken. Dazu gehöre auch der Versuch, Rekruten aus der von Russland gestützten und international nicht anerkannten Region Transnistrien im Osten der Republik Moldau zu gewinnen.
- Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erneut ein Öl-Embargo gefordert. Das müsse der erste Schritt "der gesamten zivilisierten Welt" sein. "Dann wird Russland das spüren. Dann wird es für sie ein Argument sein, den Frieden zu suchen, die sinnlose Gewalt zu beenden", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.
- Zudem forderte Selenskyj mehr Waffen für die Ukraine und weitere Sanktionen gegen Russland. Über die Verteidigung seines Landes sagte Selenskyj: "Hat man in Moskau gedacht, dass dies am 45. Tag nach ihrer Invasion in Kiew geschehen würde? Nein, sie konnten es sich nicht einmal vorstellen. Und wir haben es in die Tat umgesetzt."
- Die Ukraine rechnet nicht mit einem baldigen Treffen Selenskyjs mit Wladimir Putin. "Zu sagen, dass sie sich in einer Woche, in zwei Wochen treffen werden - nein, das wird so nicht passieren", sagt Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Kiew bereite sich zunächst auf Kämpfe im Donbass vor. Danach habe die Ukraine "eine stärkere Verhandlungsposition".
- Die Ukraine untersagt alle Einfuhren aus Russland. "Heute haben wir offiziell die vollständige Einstellung des Warenhandels mit dem Angreiferstaat verkündet", schreibt Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko auf ihrer Facebook-Seite. Damit wird die Einstellung der Importe zum Gesetz. Vor dem Krieg war die Ukraine mit jährlichen Warenlieferungen im Wert von rund sechs Milliarden Dollar ein wichtiger Handelspartner Russlands.
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- Örtlichen Medienberichten zufolge waren am Sonntagabend in den Städten Charkiw im Nordosten der Ukraine und Mykolajiw an der südwestlichen Schwarzmeerküste schwere Explosionen zu hören.
- Der Flughafen der zentralostukrainischen Großstadt Dnipro ist Behördenangaben zufolge bei einem russischen Angriff zerstört worden. Das gelte auch für andere Infrastruktureinrichtungen in der Nähe des Airports, teilt der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, über den Nachrichtendienst Telegram mit. "Und die Raketen fliegen und fliegen."
- Erneut ist in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein Massengrab mit Dutzenden toten Zivilisten entdeckt worden. Das Grab sei am Samstag im Dorf Busowa gefunden worden, sagt Taras Didytsch, der Vorsteher der Gemeinde Dmytriwka, dem ukrainischen Fernsehen. Die Leichen hätten in einem Graben in der Nähe einer Tankstelle gelegen. Um wie viele Tote es sich handele, sei noch nicht klar. Während der Belagerung Kiews durch russische Truppen lagen etliche Gemeinden rund um die Hauptstadt unter ständigem Beschuss - darunter Makariw, Butscha, Irpin und Dmytriwka. Nach dem Abzug der russischen Soldaten wurden bereits mehrere Massengräber und zahlreiche zivile Todesopfer gefunden.
- In der Stadt Siewierodonezk in der ostukrainischen Region Luhansk sind am frühen Morgen eine Schule und ein Wohnhochhaus beschossen worden. Das teilt der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, auf Telegram mit. "Glücklicherweise keine Verletzten", schreibt er weiter.
- An diesem Sonntag stehen zur Evakuierung der Region Luhansk nach Angaben von Gaidai neun Züge bereit. Diese könnten die Einwohnerinnen und Einwohner der belagerten Orte nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Osten der Ukraine wird eine Offensive der russischen Truppen erwartet.
Reaktionen auf den russischen Angriff:
- Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer wird am Montag mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau zusammentreffen. Das bestätigte das Bundeskanzleramt in Wien am Sonntagabend.
- Unter strengen Auflagen haben am Sonntag in Frankfurt und Hannover prorussische Kundgebungen begonnen. In Frankfurt versammelten sich am Mittag mehrere hundert Teilnehmer auf dem Opernplatz. Bis zu 2.000 Menschen wurden erwartet. Angemeldet wurde die Demonstration unter dem Motto "Gegen Hetze und Diskriminierung der russischsprachigen Mitbürger/Gegen Krieg - Für Frieden". Ein ursprünglich angemeldeter Autokorso mit 700 Fahrzeugen durfte nicht stattfinden. In Hannover trafen sich am Mittag laut Polizei mehr als 600 Menschen mit rund 350 Autos. Gleichzeitig versammelten sich in der Innenstadt rund 850 Gegendemonstranten.
- Die Nato plant als Antwort auf den russischen Angriffskrieg eine ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen. "Was wir jetzt sehen, ist eine neue Realität, eine neue Normalität für die europäische Sicherheit", sagt Generalsekretär Jens Stoltenberg der Zeitung "The Telegraph".
- Um unabhängig vom russischen Gas zu werden, will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auch die umstrittene Fracking-Technologie "ergebnisoffen prüfen". "Die Amerikaner haben sich durch Fracking vom Nahen Osten völlig unabhängig gemacht", sagt der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir dürfen Öl- und Gasgewinnung aus vorhandenen Kapazitäten in Deutschland nicht völlig ausschließen."
Das ist an Tag 45 passiert:
Auf einer internationalen Geberkonferenz sind der Ukraine Hilfen in Höhe von 9,1 Milliarden Euro zugesagt worden, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ist nach einem Besuch in Butscha schockiert über die Gräueltaten. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Samstag entwickelt hat:
Quelle: AP, AFP, dpa, Reuters, ZDF