: Putin: Getreide gegen Sanktions-Aus
26.05.2022 | 23:58 Uhr
Putin bietet dem Westen einen Kuhhandel: Er werde Getreide freigeben, wenn die Sanktionen aufgehoben würden. Derweil dringt Russlands Armee weiter in den Donbass vor. Das Wichtigste in Kürze
- Putin bietet Westen Handel an: Getreide gegen Sanktions-Aus
- Kiew: Kämpfe im Donbass bei "maximaler Intensität"
- Scholz wertet Russlands Krieg gegen die Ukraine als Fehlschlag
- Belarus schickt Bataillonsgruppen an Grenze zur Ukraine
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Die Lage an Tag 92:
- Moskau hat angesichts der in der Ukraine blockierten Getreideexporte den Westen erneut zu einer Aufhebung der Sanktionen aufgerufen. Russland sei bereit, durch den Transport von Getreide und Dünger einen großen Beitrag zu leisten für die Überwindung der Lebensmittelkrise - "unter der Bedingung eines Endes der politisch motivierten Beschränkungen seitens des Westens". Das sagte Russlands Präsident Wladimir Putin nach Kremlangaben bei einem Telefonat mit dem italienischen Regierungschef Mario Draghi.
- Draghi bestätigte, dass er eine grundsätzliche Bereitschaft bei Putin erkannt habe, eine Lösung in der Lebensmittelkrise zu finden. Auf die Frage, ob er im Telefonat mit Putin einen Hoffnungsschimmer für generelle Friedensgespräche bemerkt habe, sagte Draghi: "Nein."
- Die US-Regierung hat Russlands Aufruf zur Aufhebung der Sanktionen gegen Freigabe von Getreide zurückgewiesen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre sagte, die Sanktionen würden weder die Ausfuhr noch die notwendigen Geldtransaktionen verhindern. Es gebe derzeit keine Diskussion darüber, Sanktionen aufzuheben, so Jean-Pierre.
Es ist Russland, das aktiv die Ausfuhr von Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen blockiert und den Hunger in der Welt vergrößert.
- Zivile Schiffe können nach Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums wieder den Hafen von Mariupol ansteuern. Die Gefahr durch Seeminen sei gebannt worden, heißt es. Russland kontrolliert inzwischen die gesamte Küstenstadt. Die ukrainischen Häfen waren vor dem Krieg wichtig für die Ausfuhr von Getreide für den Weltmarkt.
- Um den Donbass im Osten der Ukraine wird nach Angaben aus Kiew immer erbitterter gekämpft. "Der Kampf hat seine maximale Intensität erreicht", sagte Vize-Verteidigungsministerin Ganna Malyar an diesem Donnerstag. Angesichts dieses Vorrückens der russischen Armee hätten die ukrainischen Soldaten "eine extrem schwierige und lange Kampfphase" vor sich.
Die feindlichen Truppen stürmen die Positionen unserer Truppen gleichzeitig aus mehreren Richtungen.
- Russland hat seine Truppen aus dem Zentrum und Norden der Ukraine in den Osten verlagert, um dort seine militärischen Erfolge zu konsolidieren. Seitdem dringen russische Soldaten langsam, aber stetig immer tiefer in die Donbass-Region vor. Strategisch wichtige Städte wie Sewerodonezk und Lysytschansk werden von der russischen Armee belagert. "Die Lage bleibt schwierig, und es gibt Anzeichen für eine weitere Verschärfung", sagte Malyar bei einer Pressekonferenz. "Wir müssen begreifen, dass das ein Krieg ist, und dass, leider, Verluste auf unserer Seite unvermeidlich sind."
Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?
Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.
Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.
Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?
Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.
Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?
Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.
Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.
- In seiner Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine als Fehlschlag bezeichnet. Mit Blick auf Präsident Wladimir Putin sagte Scholz in Davos: "Schon jetzt hat er all seine strategischen Ziele verfehlt." Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheine "heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges". Putin habe zudem die "Geschlossenheit und Stärke" von Nato, EU und G7 unterschätzt. Das Ziel sei "ganz klar", sagte Scholz:
Putin darf seinen Krieg nicht gewinnen. Und ich bin überzeugt: Er wird ihn nicht gewinnen!
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich eindeutiger auf die Seite seines von Russland angegriffenen Landes zu stellen. In seiner Videoansprache zeigte er sich enttäuscht, auch von den Beratungen beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Was auch immer der russische Staat tut, es wird sich immer jemand finden, der sagt: Lasst uns seine Interessen berücksichtigen.
- Selenskyj hat zudem Vorschläge aus dem Westen zurückgewiesen, wonach sein Land um einer Friedensvereinbarung willen Gebiete an Russland abtreten solle. Die "großartigen Geopolitiker", die so etwas nahelegten, ignorierten die Interessen einfacher Ukrainer, so der Präsident.
Ukraine: Hier können Sie spenden
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.
Wie arbeitet das Aktionsbündnis?
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
- Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat die Bildung eines südlichen Militärkommandos angekündigt. Taktische Bataillonsgruppen würden in die Gegend nahe der Grenze zur Ukraine entsandt, sagte er. Belarussisches Gebiet wurde im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bisher für Raketenangriffe genutzt. Das belarussische Militär nahm aber nicht an den russischen Bodenoperationen teil.
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- Die russische Armee versucht nach ukrainischen Angaben um jeden Preis, die strategisch wichtige Stadt Sewerodonezk in der Ostukraine einzunehmen. Selenskyj räumte in seiner Ansprache ein, dass in dem Frontabschnitt "der Feind in Bezug auf die Ausrüstung und die Anzahl der Soldaten deutlich überlegen" sei. Die eigenen Streitkräfte hielten der "äußerst gewalttätigen Offensive" jedoch noch stand.
- Bei Angriffen durch die russische Armee sind in der Region Charkiw nach örtlichen Behördenangaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Weitere 17 Menschen seien verletzt worden, sagte der regionale ukrainische Befehlshaber Oleg Sinegubow einem Bericht der Internetzeitung Ukrajinska Prawda zufolge. Via Telegram rief Sinegubow die Bewohner auf, in Schutzräumen zu bleiben, nicht ohne Not auf die Straße zu gehen und bei Luftalarm die Schutzbunker aufzusuchen. Auch der Feind müsse zahlreiche Verluste hinnehmen, sagte er.
- Die ukrainischen Kämpfer, die kürzlich in Mariupol in russische Kriegsgefangenschaft geraten sind, werden weiter im von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass festgehalten. Die Ukraine hofft darauf, dass die mehr als 2.400 Männer und Frauen im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikommen können.
- In den von Russland unterstützten Separatisten-Gebieten Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine werden einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge insgesamt rund 8.000 ukrainische Kriegsgefangene festgehalten.
Reaktionen auf und Folgen des russischen Angriffs:
- Im russischen Nordkaukasus haben 115 Nationalgardisten einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine verweigert. Dies trug ihnen eine Kündigung ein, die von einem Militärgericht jetzt für rechtmäßig erklärt wurde. Den Angaben nach hatten die Nationalgardisten sich geweigert, Befehlen zu gehorchen, und waren in ihre Kasernen zurückgekehrt. Auch im südrussischen Gebiet Krasnodar haben nach Medienberichten 15 Angehörige der Polizeieinheit OMON ihre Jobs verloren, weil sie sich geweigert hatten, im Krieg eingesetzt zu werden.
- Flüchtlinge aus der Ukraine haben ab dem 1. Juni einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Diese können dann für maximal sechs Monate bewilligt werden. Bislang erhält diese Gruppe geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Damit können die Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, künftig von den Jobcentern beraten und zu Bewerbungen vermittelt werden.
- Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zeigt sich offen dafür, eingefrorene russische Währungsreserven für den Wiederaufbau in der Ukraine zu nutzen. "Es wäre ein ungewöhnlicher Schritt", sagt er dem "Handelsblatt". "Aber der russische Staat verstößt gegen fundamentale Regeln des Völkerrechts und nimmt auch massive Schäden an Leib und Leben außerhalb der Ukraine in Kauf." Es sei richtig, "dass die Völkergemeinschaft sich überlegt, ob und wie der Aggressorstaat daran beteiligt werden kann, diese Schäden wenigstens zu reduzieren."
Das passierte an Tag 91:
Steinmeier appellierte an Putin, Selenskyj will um die ganze Ukraine kämpfen. Russische Truppen sind laut Kiew im Osten des Landes in die Offensive gegangen. Die Lage an Tag 91:
Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP, ZDF