: Stoltenberg: Krieg könnte "noch Jahre" dauern

06.04.2022 | 22:18 Uhr
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg befürchtet, dass der Krieg in der Ukraine noch Jahre andauern könnte. Die Entwicklungen am Mittwoch.
Der Krieg in der Ukraine könnte noch Jahre dauern, befürchtet der Nato-Generalsekretär. Quelle: dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Bundeskanzler Olaf Scholz hat neue Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt
  • Die haben eine neues Sanktionspaket vorgestellt, das auch die Kinder Putins und Lawrows einschließt
  • Nato-Außenminister beraten Lage in der Ukraine
  • USA unterstützen Ukraine mit weiteren 100 Mio. Dollar für Sicherheitssysteme
  • Britischer Minister Said vergleicht Butscha mit Massenmord in Srebrenica

Anmerkung der Redaktion

Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Das ist an Tag 42 im Ukraine-Krieg passiert:

  • US-Außenminister Antony Blinken hat sich zum Auftakt von zweitägigen Nato-Beratungen in Brüssel dafür ausgesprochen, den Druck auf Russland weiter zu erhöhen. Man habe sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine zu unterstützen, außerordentlichen Druck auf Russland auszuüben und die eigene Verteidigungsfähigkeiten zu verstärken, sagte er. Nachdem man dies alles tue, werde man nun darüber reden, die Bemühungen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sie weiter auszubauen.
  • Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht angesichts des brutalen russischen Vorgehens in der Ukraine "dringenden Bedarf" an weiteren Waffenlieferungen. Er erwarte mehr Zusagen der Mitgliedsländer für Kiew, sagte er vor dem Außenministertreffen der Allianz in Brüssel. Der russische Angriffskrieg könne "Monate oder sogar Jahre" dauern, warnte Stoltenberg. Die USA haben bereits zusätzliche Militärhilfen für die Ukraine von bis zu 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) angekündigt. Von der Bundesregierung fordert die Ukraine unter anderem Panzer. Stoltenberg verwies darauf, dass die Mitgliedstaaten Kiew bereits Anti-Panzerwaffen und Luftabwehrsysteme liefern sowie andere "leichte und schwerere Waffensysteme" geliefert hätten.
  • Deutschland wird der Ukraine nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz mehr Waffen liefern. "Alles das, was sinnvoll ist und schnell wirkt, wird geliefert", sagte Scholz im Bundestag mit Verweis auf die Bestände der Bundeswehr. Er wollte aber keine Details nennen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht prüfe derzeit, was in Abstimmung mit den Alliierten und den Fähigkeiten der Bundeswehr machbar sei. Auf Nachfrage sagte der Kanzler, dass man nach Gesprächen mit Rüstungsfirmen nun mit der Ukraine abgleiche, was dort benötigt werde und was lieferbar sei.
  •  Die USA verhängen angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Gräueltaten im Kiewer Vorort Butschaneue Sanktionen gegen Russland: Die Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen zwei große russische Banken sowie die erwachsenen Kinder des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des Außenministers Sergej Lawrow, wie das Weiße Haus in Washington ankündigte.
  • Trotz der Kriegsgräuel von Butscha gehen die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew über ein Ende der Kampfhandlungen nach russischen Angaben weiter. Die Gespräche verliefen aber "viel zähflüssiger", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge. "Ich kann nur sagen, dass der Arbeitsprozess weitergeht. Es liegt aber noch ein ziemlich langer Weg vor uns", sagte Peskow. "Wir würden gerne mehr Dynamik von der ukrainischen Seite sehen."
  • Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich offenbar bereit erklärt, technische und fachliche Unterstützung bei der Untersuchung der mutmaßlich von russischen Truppen in Butscha begangenen Verbrechen zu leisten. Das sagte Ukraines Präsident Selenskyj dem türkischen Nachrichtensender "Habertürk".

Es gebe Pläne für "neue Sanktionen", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Washington. Die Energieabhängigkeit sei der "größte Trumpf", so ZDF-Korrespondent Axel Storm in Moskau.

06.04.2022 | 03:31 min
  • US-Präsident Joe Biden hat eine Lieferung von Panzerabwehrraketen im Wert von 100 Millionen Dollar an die Ukraine genehmigt. Die Unterstützung werde im Rahmen des Hilfsprogramms über 13,6 Milliarden Dollar finanziert, das der US-Kongress beschlossen hatte. Konkret gehe es um eine Lieferung von Javelin-Raketen für den Kampf gegen russische Panzer.
  • Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert nach Butscha schärfere Sanktionen gegen Russland. Man solle Strafmaßnahmen gegen die Russische Föderation verhängen, die der Schwere der vom russischen Militär in der Ukraine begangenen "Kriegsverbrechen" angemessen seien, sagte er in einer Videobotschaft, die in der Nacht zu Mittwoch auf Telegram veröffentlicht wurde.

Präsident Selenskyj wirft dem UN-Sicherheitsrat Unfähigkeit vor.

06.04.2022 | 02:32 min
  • Die Gräueltaten im ukrainischen Butscha könnten im russischen Angriffskrieg nach Ansicht des Weißen Hauses womöglich nur "die Spitze des Eisbergs" sein. Die russischen Streitkräfte hätten in jenen Teilen der Ukraine, zu denen es noch keinen Zugang gebe, "wahrscheinlich auch Gräueltaten begangen", sagte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki.
  • Nach Angaben von Präsident Selenskyj sei die Lage im Donbass und im Gebiet Charkiw im Osten des Landes am schwierigsten. Russland sei zudem dabei, mehr Truppen für eine neue Offensive in die Ukraine zu schicken.

Die Situation in den ukrainischen Städten und Siedlungen:

  • In der eingekesselten Hafenstadt Mariupol halten die schweren Kämpfe und Luftangriffe offenbar an. "Die humanitäre Lage in der Stadt verschlechtert sich", teilte das britische Verteidigungsministerium auf Basis von Informationen des Militärgeheimdienstes mit. Die meisten der verbliebenen Einwohner müssten ohne Licht, medizinische Versorgung, Heizung oder Wasser auskommen. Russland habe den Zugang für humanitäre Hilfen verhindert, wahrscheinlich um den Druck zur Kapitulation zu erhöhen. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen.
  • Ukrainische Medien haben über Explosionen im Gebiet Lemberg im Westen berichtet. Der Chef der Militärverwaltung von Lemberg, Maxym Kosyzkyj, habe Explosionen in der Nähe der Stadt Radechiw nordöstlich von Lemberg bestätigt, berichtete die "Ukrajinska Prawda" in der Nacht zu Mittwoch. Es gebe noch keine Informationen über Opfer oder Schäden, hieß es weiter. Die russische Armee hat nach anderen ukrainischen Angaben ein Öllager nahe der Stadt Dnipro in der Ostukraine unter Beschuss genommen und zerstört. Laut der örtlichen Behörden wurde auch eine Fabrik angegriffen. Tote oder Verletzte soll es demnach nicht gegeben haben.

Fragen und Antworten zum Russland-Ukraine-Konflikt

  • In der russischen Region Kursk an der Grenze zur Ukraine sind nach Angaben der dortigen Behörden Grenzschützer beschossen worden. Es sei versucht worden, Stellungen von Grenzschützern im Bezirk Sudschanski mit Granaten zu treffen, teilt Regionalgouverneur Roman Starowoit mit. Die russischen Sicherheitskräfte hätten das Feuer erwidert. Auf russischer Seite habe es weder Opfer noch Schäden gegeben. Russland hatte der Ukraine in der vergangenen Woche einen Angriff auf ein Treibstofflager in der russischen Stadt Belgorod nahe der Grenze vorgeworfen. Ein ranghoher Regierungsvertreter der Ukraine wies dies allerdings zurück.
  • Nach Angaben aus Kiew sind mehr als 3.800 Menschen aus umkämpften Gebieten des Landes evakuiert werden. Rund 2.200 Menschen seien aus der schwer umkämpften und größtenteils zerstörten Stadt Mariupol und dem nahen Berdjansk nach Saporischschja gebracht worden, teilte die Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer auf Telegram veröffentlichten Videobotschaft mit. Mehr als 1.000 Menschen seien aus der Region Luhansk in Sicherheit gebracht worden.

Reaktionen auf den russischen Angriff:

  • Vor seiner zweiten Regierungsbefragung im Bundestag erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Statement zum Ukraine-Krieg seine Fassungslosigkeit über die schrecklichen Taten von Butscha. Er betonte, dass die Ermordung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen sei. "Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Scholz. Der Kanzler wandte sich direkt an Russlands Präsidenten Wladimir Putin: "Beenden Sie diesen Krieg sofort!" Er fügte hinzu: "Solange Sie Ihre Truppen nicht aus der Ukraine abziehen, werden wir die Ukraine in allen erdenklichen Möglichkeiten unterstützen." Es müsse das Ziel sein, dass Russland den Krieg nicht gewinne.
  • Aus der Europäischen Union sind nach Angaben ihres Außenbeauftragten Josep Borrell seit Kriegsbeginn 35 Milliarden Euro für Energieimporte nach Russland geflossen. Dies zeige, wie wichtig es sei, die Abhängigkeit der EU von Energieimporten zu reduzieren, sagte der Spanier im Straßburger Europaparlament. Dies müsse über den Ausbau Erneuerbarer Energien geschehen. Das Vorgehen gegen den Klimawandel gehe nun Hand in Hand mit der Geopolitik.
  • Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid sieht in den Berichten über Tötungen von Zivilisten durch russische Truppen in der Ukraine Parallelen zum Massaker im bosnischen Srebrenica vor rund 27 Jahren. "Dies ist ein Massenmord von noch nie dagewesenem Ausmaß in Europa. So etwas haben wir, glaube ich, seit 1995 nicht mehr gesehen", sagt er im BBC-Fernsehen. Die Welt müsse handeln, um diesen Massenmord in der Ukraine zu stoppen. Im Juli 1995 überrannten bosnisch-serbische Truppen eine Sicherheitszone der Vereinten Nationen in Srebrenica töteten rund 8.000 Muslime. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

"Das ist angekündigt, das ist noch nicht beschlossen", aber "er werde kommen", so Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, zum Kohle-Importstopp der EU.

06.04.2022 | 05:08 min
  • Laut SPD-Chef Lars Klingbeil will die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine prüfen. "Wir haben gerade in diesen Tagen gesehen, was Putin für ein furchtbarer Kriegsverbrecher ist, das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte Klingbeil in der Sendung "RTL Direkt". Zudem hoffe er, dass ein Kohleembargo zum fünften Sanktionspaket der Europäischen Union gehören werde. Die EU-Kommission hatte am Dienstag Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen, die auch ein mögliches Importverbot für Kohle beinhaltet. Ein sofortiges Gasembargo, wie es einige fordern, werde indes nicht nur schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben.
  • Griechenland hat sich anderen europäischen Staaten angeschlossen und die Ausweisung russischer Diplomaten angekündigt. "Die griechischen Behörden haben zwölf in Griechenland akkreditierte Mitglieder der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation zu unerwünschten Personen erklärt", teilte das Außenministerium in Athen mit. Zuvor hatten europäische Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, als Reaktion auf die Gräueltaten in der ukrainischen Ortschaft Butscha innerhalb von zwei Tagen bereits mehr als 200 russische Diplomaten ausgewiesen.
  • Die türkische Regierung hat eine unabhängige Aufklärung der Kriegsgräuel in Butscha und anderen ukrainischen Städten gefordert. Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden, hieß es in einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums vom Mittwoch. Die Bilder des "Massakers" seien entsetzlich. "Wir teilen den Schmerz des ukrainischen Volkes."

Das ist an Tag 41 passiert:

Selenskyj wirft Sicherheitsrat Versagen vor und macht drei Lösungsvorschläge, von der Leyen kündigt fünftes Sanktionspaket gegen Russland an. Lesen Sie hier nach, wie sich die Lage in der Ukraine am Dienstag entwickelt hat:
Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP

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