: Ministerin Faeser: "Notvorrat zu Hause haben"
01.05.2022 | 20:17 Uhr
Innenministerin Faeser hat die Bürger zur Vorsorge für den Krisenfall aufgerufen. Erste Zivilisten verlassen das belagerte Stahlwerk in Mariupol. Das ist am Sonntag passiert.Das Wichtigste in Kürze
- Evakuierung von belagertem Stahlwerk in Mariupol laut UN gestartet
- EU-Staaten rücken von Veto gegen Öl-Embargo ab
- Kanzler Scholz sagt Ukraine weitere Hilfen zu
- Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Kiew
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Die Lage an Tag 67 im Ukraine-Krieg:
- Die Vereinten Nationen haben nach eigenen Angaben am Freitag einen Einsatz zur Rettung von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Asowstal in Mariupol eingeleitet. Rund 100 Zivilisten hätten das Gelände nach ukrainischen Angaben am Sonntag bereits verlassen können. Die Menschen seien auf dem Weg in das ukrainische Saporischschja, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Onlinedienst Twitter. Die Evakuierungsaktion werde mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, Russland und der Ukraine koordiniert, sagte Saviano Abreu, Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten.
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rät den Bürgerinnen und Bürgern vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges zur Vorsorge für den Krisenfall. "Denken Sie zum Beispiel an Cyberattacken auf kritische Infrastruktur", sagte Faeser dem "Handelsblatt". "Wenn tatsächlich mal länger der Strom ausfällt oder das tägliche Leben auf andere Art und Weise eingeschränkt wird, dann ist es auf jeden Fall sinnvoll, einen Notvorrat zu Hause zu haben." Faeser verwies in dem Zusammenhang demnach auf eine vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz veröffentlichte Liste.
- EU-Diplomatenkreise bestätigten ZDFheute am Sonntagabend, dass auch die verbliebenen EU-Mitgliedsstaaten ihre Vorbehalte gegen ein EU-Öl-Embargo gegen Russland aufgegeben hätten. Konkret geht es dabei um die Veto-Drohungen von Staaten wie Ungarn, Slowakei und Österreich. Ausschlaggebend sei laut einem hochrangigen EU-Diplomaten, dass die deutsche Bundesregierung bei einem Embargo nicht mehr länger auf der Bremse stehen würde. Detailfragen wie Übergangsfristen seien noch offen.
Das Embargo dürfe also voraussichtlich in den nächsten Tagen beschlossen werden - aber erst in den nächsten Monaten vollzogen werden.
- Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew besucht. Selenskyjs Büro veröffentlichte am Sonntag Videoaufnahmen von dem Besuch einer Delegation des US-Kongresses. Neben Pelosi waren die Abgeordneten Jason Crow, Jim McGovern und Adam Schiff vor Ort. Pelosi bedankte sich bei Selenskyj für den "Kampf um die Freiheit". Als Nummer Drei im Staat ist Pelosi die hochrangigste US-Vertreterin, die seit dem Beginn des russischen Kriegs die Ukraine besucht hat. Der Besuch war im Vorfeld nicht angekündigt worden.
Wir befinden uns an einer Grenze der Freiheit und Ihr Kampf ist ein Kampf für alle.
- In Osteuropa haben Militärübungen der Nato mit Tausenden Soldaten begonnen. Das melden die polnischen Streitkräfte. Die Öffentlichkeit wurde aufgefordert, keine Informationen oder Fotos der Kolonnen zu veröffentlichen, die in den kommenden Wochen durch das Land fahren würden. Übungen zur Verbesserung der Sicherheit an der Ostflanke des Nato-Gebiets finden regelmäßig statt. An den Manövern "Defender Europe 2022" und "Swift Response" sind laut polnischen Angaben 18.000 Soldaten aus mehr als 20 Ländern beteiligt. Sie finden in Polen und acht weiteren Ländern statt und dauern bis zum 27. Mai.
- Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj nennt in seiner täglichen Videobotschaft neue Zahlen zu russischen Verlusten im Ukraine-Krieg. Demnach seien 23.000 russische Soldaten gefallen, mehr als 1.000 russische Panzer sowie fast 2.500 andere Militärfahrzeuge zerstört worden. Die tatsächlichen Verluste sind schwer abzuschätzen. Das russische Verteidigungsministerium gibt wiederum an, am Samstag 200 ukrainische Soldaten getötet zu haben. Zudem seien 17 militärische Einrichtungen getroffen worden, ein Kommandoposten, 23 gepanzerte Fahrzeuge sowie eine Lagerhalle für Raketen.
- In Belgorod im Westen Russlands ist eine russische Militäreinrichtung in Brand geraten, schrieb Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Sonntag im Nachrichtendienst Telegram. Ein Anwohner sei verletzt worden. Später sagte Gladkow, sieben Gebäude seien beschädigt worden. Weitere Informationen sind nicht bekannt. Im westrussischen Gebiet Kursk nahe der Grenze zur Ukraine ist eine Eisenbahnbrücke teilweise eingestürzt. Gouverneur Roman Starowoit sprach am Sonntag in einer Videobotschaft von einem Akt der Sabotage. Den Angaben zufolge wurde niemand verletzt.
Ukraine: Hier können Sie spenden
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.
Wie arbeitet das Aktionsbündnis?
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
- Ukraines Botschafter Andrij Melnyk geht die Zusage der Bundesregierung für die Lieferung von Gepard-Panzern nicht weit genug. "Die Richtung stimmt, aber das wird natürlich gar nicht reichen", sagt Melnyk der "Bild am Sonntag". Die Gepard-Panzer seien 40 Jahre alt, "um Russland zu besiegen, brauchen wir modernste deutsche Waffen", sagt Melnyk der "Bild am Sonntag". Die Ukraine wünsche sich "die zügige Ausfuhr von 88 Leopard-Panzern, 100 Marder-Panzern, Panzerhaubitzen und vielem mehr".
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- Russland will nach eigenen Angaben erneut Ziele im Osten und den Süden der Ukraine angegriffen haben. Im Gebiet Saporischschja seien Flugabwehrraketensysteme vom Typ S-300 zerstört worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag in Moskau. Im Gebiet Charkiw seien zwei Kampfflugzeuge abgeschossen worden. Die ukrainische Seite wiederum sprach von mehreren Verletzten infolge der russischen Angriffe auf Charkiw.
- Bei einem Angriff auf den Flughafen der Schwarzmeer-Metropole Odessa. sei die Landebahn sowie ein Hangar durch russische Raketen zerstört worden. Laut dem russischen Verteidigungsministerium seien dort aus den USA und Europa gelieferte Waffen gelagert gewesen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündige in einem Video den Wiederaufbau des Flughafens an.
- Laut russischen Angaben haben ukrainische Streitkräfte Dörfer in der Region Cherson unter Beschuss genommen. Dabei seien Zivilisten getötet und verletzt worden, berichtet die russische Nachrichtenagentur RIA mit Bezug auf das russische Verteidigungsministerium. Es machte keine Angabe über den Zeitpunkt des Angriffes oder die Zahl der Toten und Verletzten. Die Ukraine hat bisher nicht auf den Bericht reagiert. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen.
Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?
Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.
Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.
Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?
Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.
Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?
Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.
Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.
Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt. "Wir werden die Ukraine weiter unterstützen, mit Geld, mit humanitärer Hilfe, aber auch das muss gesagt werden: Wir werden sie unterstützen, dass sie sich verteidigen kann, mit Waffenlieferungen, wie viele andere Länder in Europa das auch nmachen", sagte Scholz am Sonntag bei einer DGB-Kundgebung zum Tag der Arbeit in Düsseldorf.
Ich fordere den russischen Präsidenten auf: Lassen Sie die Waffen schweigen! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück! Respektieren Sie die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine!
- Die EU könnte in den kommenden Tagen ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland beschließen, das auch Einfuhrverbote für Öl beinhaltet. Ein entsprechender Text werde derzeit vorbereitet, und die EU-Kommission könnte ihn in den kommenden Tagen mit Blick auf ein Botschaftertreffen am Mittwoch vorlegen, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Brüsseler Diplomatenkreisen erfuhr. Demnach gilt vor allem Ungarn noch als potenzieller Blockierer eines dann nötigen einstimmigen Sanktionsbeschlusses. Regierungschef Viktor Orban hatte nach seiner Wiederwahl Anfang April ein Veto gegen jede Form von Energieembargo angekündigt.
- Hollywood-Schauspielerin und UN-Sonderbotschafterin Angelina Jolie hat überraschend die westukrainische Stadt Lemberg besucht. Der Gouverneur der Region, Maxym Kosyzkyj, teilte bei Telegram mit, dass Jolie am Samstag Kinder getroffen habe, die bei dem Raketenangriff auf den Bahnhof Kramatorsk Anfang April verletzt worden seien. "Die Geschichten (der Kinder) haben sie sehr berührt", schrieb Kosyzkyj über Jolie. "Ein Mädchen konnte Frau Jolie sogar im Privaten von einem Traum erzählen, den sie hatte." Jolie besuchte auch ein Internat und unterhielt sich mit Schülern, wie Kosyzkyj berichtete. "Der Besuch hat uns alle überrascht", schrieb Kosyzkyj.
- Kanzler Olaf Scholz will an seiner Ukraine-Politik festhalten. Von Vorwürfen, er agiere zu zögerlich und ängstlich, lasse er sich nicht beeindrucken. "Ich treffe meine Entscheidungen schnell - und abgestimmt mit unseren Verbündeten", sagt der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". Auch seine verschlechterten Beliebtheitswerte beeindruckten ihn nicht. Im aktuellen ZDF-Politbarometer hat Scholz deutlich an Ansehen verloren.
- Außenministerin Annalena Baberbock nennt den vollständigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine als Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa sowie eine Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau. Die Friedensordnung in Europa sei von Putin zertrümmert worden. "So sehr wir uns das wünschen mögen: Einen Weg zurück zu der Zeit vor dem 24. Februar gibt es nicht. Auf Putins Zusagen allein können wir uns nie wieder verlassen", sagt die Grünen-Politikerin der "Bild am Sonntag".
Das war an Tag 66 passiert:
CDU-Chef Friedrich Merz will zeitnah in die Ukraine reisen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagt mehr Militärhilfe für die Ukraine zu. Und die Grünen bekennen sich zu schweren Waffen. Lesen Sie hier, was am Samstag passiert ist:
Quelle: AFP, AP, dpa, Reuters, ZDF