: Söder und Merz machen sich gegenseitig Mut

von Mathis Feldhoff, Augsburg
29.10.2022 | 13:43 Uhr
Bei seinem Besuch auf dem CSU-Parteitag will sich CDU-Chef Friedrich Merz sichtlich frei machen von den Verwerfungen der Merkel-Ära. Und so arbeitet er sich an Kanzler Scholz ab.
Es ist die Rede, die Markus Söder am Vortag nicht gehalten hat. In aller Schärfe und harter Tonalität rechnet der CDU-Vorsitzende mit Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Außen- und Sicherheitspolitik ab.
Nicht Klein-Klein, wie Söder teilweise am Vortag klang, sondern mit der großen Linie:
Wir leben in einer neuen Zeit. Alle Bedingungen unseres Zusammenlebens haben sich geändert.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender
Das ruft Friedrich Merz unter Beifall in den Saal in Augsburg. Der Kanzler habe mit seiner Zeitenwende zwar den richtigen Weg ausgerufen, so Merz, aber schon am Tag danach, diesen schon wieder verlassen.
Merz füllt mit dem außenpolitischen Bogen eine Leerstelle, die Söder gelassen hat. Und er attackiert Scholz an der Frage, die dem Ampel-Chef besonders weh tun soll. "Respektlosigkeit steht über diesem Kanzler", so Merz. Gegenüber dem Bundestag, den Bundesländern, sogar gegenüber dem Bundespräsidenten - weil weder Scholz noch einer seiner Ministerinnen oder Minister zur Rede von Frank-Walter Steinmeier erschienen war.

Unangenehme Zeiten für CDU-Chef Merz

Doch der Zeitpunkt für einen Auftritt auf dem CSU-Parteitag könnte für Merz kaum schwieriger sein. Der Schwung der Anfangstage seines Vorsitzes ist inzwischen verblasst. Die Wahlerfolge in NRW und Schleswig-Holstein, die auch etwas Glanz auf Merz geworfen hatten, sind schon fast vergessen.
Und sein selbst ausgerufenes Ziel mit seiner Wahl die AfD zu halbieren, hat sich mit der Niederlage in Niedersachsen quasi in Luft aufgelöst. Merz kann seine Versprechen, dass er der gesamten Union gegeben hat, bisher nicht einlösen. Auf dem Parteitag der CSU lässt er das Thema gleich ganz weg. So wie Söder auch. Als könnte man derzeit damit keinen Blumentopf gewinnen.

CDU und CSU: Was ist Opposition?

Dass Markus Söder einen größeren Anteil an der Wahlniederlage im letzten Jahr hat, gilt in der CDU als ausgemacht. Dass der CDU-Vorsitzende heute aber Friedrich Merz heißt und nicht Armin Laschet, ist für die Schwesterpartei die Chance, die tiefen Verletzungen, die man sich in den letzten Jahren zugefügt hat, zu überwinden.
In der gemeinsamen Bundestagsfraktion hat man sich inzwischen zusammengerauft und ist zur Tagespolitik zurückgekehrt. Doch Söders ständige Attacken auf Berlin, der immer wieder vorgebrachte Vorwurf Bayern würde systematisch benachteiligt, wird bei der CDU nicht selten mit Kopfschütteln begleitet. Schließlich versucht sich die Bundestagsfraktion täglich im schwierigen Spagat zwischen staatspolitischer Unterstützung der Krisenpolitik und der Rolle als Oppositionspartei. "Wir haben einen Auftrag", so Merz.
Ohne eine kraftvolle Opposition wäre die Demokratie keine Demokratie.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender
Eine Rolle, die er mit Kontrolle ausüben und Angebote machen beschreibt. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Söders Anti-Berlin-Kurs.

Söder und Merz: Irrlichtern als Grundlinie?

Am Ende der Rede von Merz vor den Delegierten der CSU stehen die beiden Vorsitzenden auf der Bühne, reißen gemeinsam die Faust hoch. Das Publikum klatscht teilweise euphorisch. Merz, der ein guter Redner ist, hat den Ton der CSU getroffen und damit versucht ein Image abzuschütteln, das nicht nur ihn begleitet.

Druck machen auf Berlin – das will Markus Söder, damit dort endlich Entscheidungen getroffen werden. Gleichzeitig zeige die CSU in Bayern, dass es im Freistaat besser laufe.

29.10.2022 | 06:48 min
Beide, Merz und Söder, leiden an derselben Politiker-Krankheit - dem abrupten Richtungswechsel - der immer wieder gerade die eigenen Parteien verunsichert.
Wir müssen nicht krampfhaft Wähler irgendwo links der Mitte suchen.
Markus Söder, CSU-Vorsitzender
Das hatte Markus Söder gestern seinen Delegierten zugerufen und ergänzt:
Schwarz-Grün ist keine Option für uns.
Markus Söder, CSU-Vorsitzender
Noch vor ein paar Monaten hatte derselbe Söder plakativ Bäume umarmt und genau um die Wähler der Grünen geworben. Auch Merz hatte seine Partei zuletzt nicht weniger irritiert, als erst Ressentiments gegen ukrainische Flüchtlinge mit dem Wort "Sozialtourismus" schürte und sich kurz danach dafür entschuldigen musste.

Grußwort von Friedrich Merz (CDU-Parteivorsitzender) auf dem Parteitag der CSU in Augsburg

29.10.2022 | 64:28 min
Der Auftritt von Merz hilft heute beiden. Auch weil sie erkannt haben, dass man künftig Wahlen nur gemeinsam gewinnen kann. "Zerstrittene Parteien werden nicht gewählt" so Merz. Und ergänzt: "Wir haben verloren, nicht weil die anderen so gut waren, sondern weil wir nicht mehr gut genug waren."
Mathis Feldhoff ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin

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