: Spahn: "Rente mit 63" sofort abschaffen

28.05.2023 | 14:00 Uhr
Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Unionsfraktionsvize Spahn will das Problem anpacken - und die "Rente mit 63" sofort abschaffen.
Als Hebel gegen den Fachkräftemangel sieht Jens Spahn die Abschaffung der sogenannten Rente mit 63 (Archivbild).Quelle: reuters
Der Fachkräftemangel in Deutschland stellt Arbeitgeber vor Probleme und das Rentensystem auf die Probe: Deswegen fordert Unionsfraktionsvize Jens Spahn ein schnelles Ende der Rente ohne Abschläge schon mit 63 Jahren. Das sagte der CDU-Politiker gegenüber der "Bild am Sonntag".
Die 'Rente mit 63' kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize.
Jens Spahn, CDU
"Sie sollte sofort abgeschafft und durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden", so Spahn weiter. Die Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten "bitterlich".
Auch aus der Wirtschaft kommen bereits seit längerem Rufe nach einer Abkehr vom früheren Ausstieg aus dem Job, Gewerkschaften verteidigen die Regelung dagegen.

Linken-Chefin: "Rentenkürzung durch die Hintertür"

Der Grünen-Arbeitsmarktexperte Frank Bsirske sieht ein Ende der "Rente mit 63" dagegen skeptisch:
Die Abschaffung der 'Rente mit 63' hätte zur Folge, dass Millionen Menschen mit Abschlägen und gekürzten Renten in den Ruhestand gehen.
Frank Bsirske, Grünen-Arbeitsmarktexperte
Viele Berufsgruppen wie Beschäftigte in der Pflege und in Kitas könnten aber schlicht nicht bis 67 arbeiten, erklärt er im Interview mit der "Bild am Sonntag". "Für diese Menschen hätte ein Ende der 'Rente mit 63' fatale Folgen", betonte Bsirske. Kritik kommt auch von der Linken.

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27.05.2023 | 01:34 min
Sie nennt Spahns Vorstoß "eine Respektlosigkeit gegenüber Lebensleistungen hart arbeitender Menschen und eine Rentenkürzung durch die Hintertür", sagte Parteichefin Janine Wissler am Sonntag. Den Mangel an Fachkräften bekämpfe man nicht durch ein höheres Renteneintrittsalter. "Das macht viele Berufe unattraktiver." Nötig seien gute Arbeitsbedingungen, mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung, die Stärkung von Tarifverträgen und mehr Ausbildungsplätze.
Für Jens Spahn und die CDU sind Renten offenbar Almosen, die man nach Belieben kürzen kann. Dabei haben sich die Beschäftigten ihre Renten hart erarbeitet.
Janine Wissler, Linken-Chefin

Merz: Rentensystem ohne Mehrarbeit nicht finanzierbar

FDP-Vize Johannes Vogel sprach sich indes für ein "selbstbestimmtes, flexibles Rentenalter" aus. Jeder sollte selbst entscheiden können, wann er in Rente gehe. "Wer länger arbeitet, kriegt dann auch mehr Rente."
CDU-Chef Friedrich Merz sagte der "Süddeutschen Zeitung", wahrscheinlich komme man nicht umhin, bei einer immer längeren Lebenserwartung auch mehr zu arbeiten: "Sonst ist unser Rentensystem perspektivisch nicht mehr finanzierbar."
Der Geschäftsführer der arbeitgeberfinanzierten "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", Thorsten Alsleben, sagte der "Bild am Sonntag", die "Rente mit 63" passe "nicht mehr in die Zeit und muss bis spätestens Ende 2030 auslaufen." Sie koste die Beitragszahler Milliarden und verschärfe zusätzlich den Fachkräftemangel.
Das sind die Voraussetzungen für die einzelnen Rentenarten:

Regelaltersrenten ...

... können beantragt werden, wenn die jeweils gültige Altersgrenze erreicht worden ist und die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren erfüllt ist. Die Regelaltersgrenze steigt seit 2012 schrittweise auf 67 Jahre: Für den Geburtsjahrgang 1947 (also im Jahr 2012) liegt die Altersgrenze bei 65 Jahren und einem Monat, für jeden weiteren Jahrgang bis zum Geburtsjahr 1958 kommt ein Monat dazu. Für spätere Jahrgänge steigt das Renteneintrittsalter um jeweils zwei Monate. Ab Jahrgang 1964 (bzw. ab 2031) gilt die Altersgrenze von 67 Jahren.

Altersrenten für langjährig Versicherte ...

... werden geleistet, wenn Versicherte das 63. Lebensjahr vollendet und eine 35 Jahren in die Rentenkasse eingezahl haben. Sie können ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden; bei einem vorzeitigen Renteneintritt fallen jedoch Abschläge an. Die Zahl der Abschlagsmonate richtet sich nach der jeweiligen Höhe der Regelaltersgrenze bzw. nach dem Geburtsjahrgang. Da die Regelaltersgrenze angehoben wird, erhöhen sich die Abschläge auf bis zu 14,4 %. Die ersten Versicherten, für die der Rentenabschlag von bisher maximal 7,2 Prozent schrittweise steigt, sind im Jahr 1949 geboren.

Altersrenten für besonders langjährig Versicherte ...

... sind 2012 eingeführt worden. Sie können mit Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Abschläge in Anspruch genommen werden. Erforderlich sind hier 45 Pflichtbeitragsjahre. Dazu zählen vor allem auch Pflichtbeiträge aus Kindererziehung, nicht erwerbsmäßiger Pflege, Krankengeldbezug sowie Wehr- und Zivildienst. Nicht berücksichtigt werden Pflichtbeiträge, die wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe gezahlt wurden.

Altersrenten für schwerbehinderte Menschen ...

... werden Versicherten gewährt, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, als schwerbehindert anerkannt sind und eine Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Renten, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres bezogen werden, werden durch Abschläge gemindert. Sie betragen 0,3 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme. Im Gefolge der Anhebung der Regelaltersgrenze wird auch die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 2012 stufenweise vom 63. auf das 65. Lebensjahr angehoben. In der Endstufe dieses Prozesses, die im Jahr 2024 erreicht ist, müssen dann Abschläge hingenommen werden, wenn die Rente vor dem 65. Lebensjahr bezogen wird. Die maximale Abschlagshöhe bleibt aber auf drei Jahre bzw. 10,8 Prozent begrenzt.

Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de

Menschen in Deutschland gehen immer öfter früh in Rente

Die "Rente mit 63" ist die seit 2014 bestehende Möglichkeit eines frühen Rentenbezugs ohne finanzielle Abschläge für Versicherte mit 45 Beitragsjahren. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hatte im Dezember mitgeteilt, dass die Menschen in Deutschland immer öfter früh in Rente gehen. Viele scheiden demnach mit 63 oder 64 Jahren aus - also deutlich vor der Regelaltersgrenze.
Jeder dritte Zugang zur Altersrente erfolgte laut Institut 2021 über die "Rente mit 63". Zudem gehen demnach vermehrt Menschen vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand und nehmen dafür Abschläge bei der Rentenhöhe in Kauf.
Quelle: dpa, AFP

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