: Starship-Test: Erfolg oder Fiasko für Musk?

von Alexandra Hawlin, Washington, D.C.
20.04.2023 | 17:14 Uhr
Kurz nach dem Start ist die "Starship"-Rakete von SpaceX detoniert. Warum der Testflug trotzdem als Erfolg gefeiert und die Raumfahrt revolutionieren wird, erklären Experten.
Das größte jemals gebaute Raketensystem "Starship" des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX hebt am Donnerstagmorgen (Ortszeit) vom Startplatz bei Boca Chica im Süden von Texas ab. Keine vier Minuten später zeigen Live-Aufnahmen, wie die unbemannte 120 Meter lange Rakete zu taumeln beginnt und schließlich mit Feuer zerbricht - viel früher als geplant.
Gleichzeitig bricht am Boden Jubel und Applaus aus. SpaceX feiert den Testflug. Elon Musk, der den Start im Kontrollzentrum mitverfolgte, gratuliert seinem Team auf Twitter zum "aufregenden Teststart".

Nasa und SpaceX feiern Testflug

Auch SpaceX gratuliert seinem Team via Twitter. "Als wenn der Flugtest nicht schon aufregend genug gewesen wäre, gab es ein rasches ungeplantes Auseinanderbrechen des 'Starship' vor der Trennung der Stufen", schreibt das Unternehmen.
Der Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Bill Nelson, gratuliert ebenfalls: "Jede große Errungenschaft der Geschichte hat ein gewisses kalkuliertes Risiko gebraucht, denn mit großem Risiko kommen große Belohnungen. Wir freuen uns auf all das, was SpaceX lernt, zum nächsten Startversuch - und darüber hinaus."
Tweet von Nasa-Chef Bill Nelson
Im CNN-Interview gibt Nelson zu bedenken, dass die riesige Rakete zunächst in den Orbit gebracht und dann noch aufgetankt werden müsse, um zum Mond zu fliegen. Der heutige Tag sei ein guter Anfang, der Weg sei aber noch lang.

Trotz Detonation ein Erfolg für Elon Musk?

"Ich verstehe sehr gut, warum das für SpaceX und die Nasa ein Erfolg ist, denn es passt in die gesamte Design-Philosophie von SpaceX", sagt Philippe Schoonejans, Projekt Manager bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa im Interview mit ZDFheute.
Statt seine Ingenieure ewig lang analysieren und simulieren zu lassen, folgt die Philosophie von Elon Musk dem Prinzip "Trial and Error". Fehlschläge werden bewusst in Kauf genommen. "Die Rakete ist vollgestopft mit Sensoren, so dass die Ingenieure am Ende genau wissen, was schief gelaufen ist", erklärt Schoonejans. So lerne man viel schneller.
Als Erfolg könne man durchaus bewerten, dass drei Minuten nach dem Start alles korrekt ablief. Beim nächsten Start werde die Rakete wahrscheinlich noch weiter kommen.
Sie kann auch mehrmals explodieren und trotzdem kann man viel daraus lernen und immer weiter vorankommen.
Philippe Schoonejans, Projekt-Manager bei Esa

Ziel von "Starship": Menschen auf Mond und Mars

Irgendwann soll das Raketensystem Menschen auf Mond und Mars bringen. Der erste Teststart von "Starship" war eigentlich bereits für Montag geplant gewesen, war dann aber wegen eines Problems mit einem Ventil verschoben worden.
Das "Starship"-System ist so konstruiert, dass Raumschiff und Rakete nach Rückkehr auf die Erde wiederverwendet werden können. Die obere Stufe war schon mehrfach alleine getestet worden, dies war aber der erste gemeinsame Flugtest des gesamten Raketensystems.
Das insgesamt rund 120 Meter lange System soll künftig weit über 100 Tonnen Ladung transportieren können. Angetrieben wird die Rakete mit 33 "Raptor"-Triebwerken, die mit flüssigem Methan und flüssigem Sauerstoff betrieben werden. Das System soll im All betankt werden können. Mit dem SpaceX-"Starship" will die Nasa Astronauten auf den Mond bringen. SpaceX hofft, eines Tages bis zum Mars zu kommen. Das könnte aber noch 25 Jahre dauern.
Diese Rakete wird die Raumfahrt revolutionieren.
Philippe Schoonejans, Projekt-Manager bei Esa

US-Physiker: Wiederverwendbare Raketen und niedrige Kosten revolutionär

Betrachte man das große Ganze, dann könne man von einem "neuen Kapitel der Geschichte der Weltraum-Erkundung" sprechen, sagt der US-Physiker Michio Kaku im Interview mit dem Nachrichtensender CNN. Selbst bei ausgereiften Raketen können es zu Fehlzündungen kommen.
Das Bahnbrechende der SpaceX-Rakete sind wiederverwendbare Raketen und die niedrigen Kosten. "Dies ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir wiederverwendbare Mondraketen haben, was wiederum die Kosten um den Faktor drei bis vier senken wird", so Kaku.
Für die Menschheit bedeutet es, dass wir mit dieser Trägerrakete für Raumschiffe in der Lage sein werden, zu viel niedrigeren Kosten pro Kilo irgendetwas ins All zu bringen.
Philippe Schoonejans, Projekt-Manager bei Esa

Schoonejans: "Starship" wird Menschheit weit voranbringen

Auch die europäische Raumfahrtbehörde Esa sei daran interessiert, insbesondere sollen damit Astronauten der Artemis-Mission abgeholt werden, ein gemeinsames Projekt mit der US-Raumfahrtbehörde Nasa.
Das Ziel sei, die Kosten auf 100 bis 200 US-Dollar pro Kilo zu drücken. Zum Vergleich: Mit dem Space Shuttle - bislang der einzige für bemannte Raumflüge eingesetzte Raumfährentyp - koste das Kilo rund 25.000 US-Dollar. Bis Menschen auf dem Mars landen, wird es zwar noch einige Zeit dauern. Aber Schoonejans ist überzeugt, "Starship" werde die Menschen weiter bringen als je zuvor.
SpaceX öffne "den Himmel für Mama und Papa", so der Physiker Kaku, nicht nur für Mond und Mars, sondern auch Jupiter und Saturn rückten näher.

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