: Nordsyrien: Offenbar Bomben auf Bebengebiet

07.02.2023 | 22:21 Uhr
Trotz der Erdbeben mit Tausenden Toten im türkisch-syrischen Grenzgebiet bombardiert die Türkei offenbar weiter Kurden-Gebiete. Nötige Hilfe "wird verhindert", so eine Helferin.

Helferin Fee Baumann von der Hilfsorganisation "Kurdischer Roter Halbmond" berichtet, wie schwierig die Hilfe im Erdbebengebiet ist.

07.02.2023 | 03:17 min
Die verheerende Lage nach den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hält die türkische Armee nach Darstellung von Menschenrechtlern und internationalen Helfenden wohl nicht davon ab, vorwiegend von Kurden bewohnte Gebiete in Nordsyrien zu bombardieren.

Helferin: Weiter türkische Luftangriffe

Fee Baumann von der Hilfsorganisation "Kurdischer Roter Halbmond" sagte am Dienstagabend im ZDF:
Wir haben gestern Nacht noch mal Nachbeben gehabt, und trotzdem wurden weiter türkische Luftangriffe geflogen.
Fee Baumann, "Kurdischer Roter Halbmond"
"Und das", so Baumann weiter, "auch gerade in der Gegend, die schwer betroffen war von den Erdbeben und die vorher schon auch von den Luftangriffen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war".  
Das Assad-Regime lässt bisher keine internationalen Experten und Bergungsteams zu:
Die Hilfslieferungen würden die betroffenen, vorwiegend kurdisch bewohnten Gebiete kaum erreichen. Es sei nur noch ein einziger Grenzübergang offen, das mache die Hilfe sehr schwierig.

Baerbock fordert Grenzöffnungen

Das hat auch international Kritik hervorgerufen. Außenministerin Annalena Baerbock hat Syrien bereits aufgefordert, alle Grenzübergänge zu öffnen. Auch Russland müsse seinen Einfluss auf das Regime nutzen, damit die Hilfe auch ankomme.
Derzeit gibt es zwischen der Türkei und Syrien nur einen offenen Grenzübergang: Bab al-Hawa. Der Verkehr sei aber wegen Erdbeben-Schäden an einer Straße gestört, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric in New York. Er mahnte dringend eine Lösung an und appellierte an die Moral:
Dies ist eine Gelegenheit, die Politik beiseite zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was dringend benötigt wird, um Männern, Frauen und Kindern zu helfen, deren Leben durch eines der schwersten Erdbeben seit langem zerstört wurde.
UN-Sprecher Stephane Dujarric
Und dennoch macht Helferin Fee Baumann Hoffnung, dass "es sehr viel Solidarität gibt aus Europa, aus den westlichen Ländern. Dass es die Forderung gibt, die Grenzübergänge wieder zu öffnen, und am Ende hoffen wir auch ein bisschen, dass die Wahlen in der Türkei vielleicht auch etwas ändern könnten".  
Das Epizentrum lag nach Angaben des Geoforschungszentrums Potsdam in beiden Fällen nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien. Quelle: ZDF

Experte rügt fehlende Kritik von Nato-Ländern an Ankara

Auch der Nahost-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal SidoI machte der Türkei schwere Vorwürfe: Diese habe in der Nacht zu Dienstag das vom Beben betroffene Umland von Tal Rifaat angegriffen. In diesem nördlich der Stadt Aleppo liegenden Gebiet hätten kurdische Vertriebene aus der Region Afrin Zuflucht gefunden.
Es ist skandalös, dass ein Nato-Staat eine humanitäre Katastrophe mutwillig verschlimmert. Von anderen Nato-Ländern kommt dazu kein Wort der Kritik.
Kamal Sido, Nahost-Experte
Die jahrelange Blockade der kurdisch kontrollierten Gebiete Nordsyriens durch die Türkei und ihre westlichen Partner verschlimmere die Lage in den Erdbebengebieten zusätzlich.

Medizinische Versorgung wegen Bürgerkrieg in Trümmern

"Das gesamte medizinische Versorgungssystem lag wegen des andauernden Bürgerkrieges sowie syrischer und russischer Angriffe bereits in Trümmern", sagte er. Jetzt könnten viele Verletzte nicht versorgt werden. Die Türkei habe die Grenzübergänge in die kurdischen Gebiete Nordsyriens für humanitäre Lieferungen geschlossen gehalten. Er fordert:
Für islamistische Kämpfer und moderne Waffen waren diese Grenzen immer geöffnet. Jetzt müssen endlich auch humanitäre Lieferungen für Nordsyrien und für ganz Syrien durchgelassen werden.
Kamal Sido, Nahost-Experte
Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien - so ist die Lage danach:

07.02.2023 | 12:08 min
Quelle: ZDF, epd, dpa

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