: Bundestagsabgeordnete in Taiwan eingetroffen

23.10.2022 | 11:48 Uhr
Abgeordnete des Menschenrechtsausschusses sind in Taiwan gelandet. Sie wollen sich von China nicht einschüchtern lassen - und ein Zeichen der Unterstützung an Taiwan senden.
Bundestagsabgeordnete gemeinsam mit der taiwanesischen Delegation. Die Abgeordneten wollen ein Zeichen der Unterstützung für Taiwan senden.Quelle: dpa
Ungeachtet des Widerstands aus Peking sind Mitglieder des Menschenrechtsausschusses des deutschen Bundestags am Sonntag zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. Angesichts der wachsenden Spannungen mit China wollen die Abgeordneten mit ihrer Visite bis Mittwoch ein Zeichen der Unterstützung für die demokratische Inselrepublik senden.
Das taiwanesische Außenministerium verbreitet auf Twitter ein Foto mit Abgeordneten aus dem Menschenrechtsausschuss:

Schon der zweite Taiwan-Besuch von Abgeordneten diesen Monat

Die bereits zweite Visite einer Bundestagsdelegation in diesem Monat dürfte für neue Verärgerung in Peking sorgen, das solche offiziellen Kontakte anderer Länder zu Taiwan ablehnt. Die kommunistische Führung betrachtet Taiwan nur als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung.
Geleitet wird die sechsköpfige Gruppe von FDP-Politiker Peter Heidt. Auch Abgeordnete von SPD, Grünen und der Union sind dabei. In Taipeh werden sie ranghoch empfangen:
  • Am Montag ist ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen geplant.
  • Zudem sollen sie Außenminister Joseph Wu,
  • Justizminister Tsai Ching-hsiang und
  • Digitalministerin Audrey Tang treffen.

Grünen-Politiker: Es geht um die Lage der Menschenrechte

Der Grünen-Politiker Boris Mijatovic schrieb aus Taiwan gegenüber ZDFheute, dass es bei den Gesprächen um viele Themen ginge. "Auch und besonders die Lage für Menschenrechte in einer Welt, in der die Russische Föderation das verabredete Gewaltverbot der Vereinten Nationen fortlaufend ignoriert und jede Anklage dieses Verbrechens der Aggression im VN-Sicherheitsrat blockiert."
Vor der Abreise hatte der FDP-Politiker Heidt gesagt, bei dem Besuch gehe es darum, "dass wir eng zusammenarbeiten wollen" und für die "Selbstständigkeit Taiwans" eintreten. Vom Widerstand Chinas wollen sich die Abgeordneten nicht einschüchtern lassen, sondern mit der Visite ein Signal senden, dass sie an der Seite Taiwans stehen.
Die Spannungen hatten sich jüngst verschärft. Als Reaktion auf den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Anfang August hatte China großangelegte Manöver gestartet. Seither hält die Volksbefreiungsarmee mit verstärkten Einsätzen von Kriegsschiffen und Flugzeugen nahe Taiwans den Druck aufrecht.

China hat Widerstand gegen eine Unabhängigkeit Taiwans in Verfassung aufgenommen

Zum Abschluss des nur alle fünf Jahre stattfindenden Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas am Samstag in Peking hatten die 2.300 Delegierten dafür gestimmt, erstmals den Widerstand gegen eine Unabhängigkeit Taiwans sogar in die Parteiverfassung aufzunehmen. Die Charta fordert bisher nur die "Wiedervereinigung" mit Taiwan.
Der Beschluss fordert "energischen Widerstand und Eindämmung der Unabhängigkeit Taiwans" und die Förderung des Grundsatzes 'Ein Land, zwei Systeme' wie in Hongkong. Die ehemalige britische Kronkolonie steht allerdings seit der Rückgabe 1997 an China als Sonderverwaltungsregion unter chinesischer Souveränität. Taiwan hingegen versteht sich schon lange als unabhängiges Land.
Pekings Machtanspruch auf Taiwan geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten flüchtete die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Das heute 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan war immer eigenständig regiert und hat nie zur Volksrepublik gehört.

Historischer Hintergrund

Die Spaltung zwischen Peking und Taiwan wurzelt in Chinas Bürgerkrieg. Aus dem mehr als 20 Jahre dauernden militärischen Konflikt (1927 bis 1949) um die politische Führung im Land ging die Kommunistische Partei Chinas unter Mao Zedong als Sieger hervor.

Der Anführer der unterlegenen, nationalistischen Kuomintang-Partei, Chiang Kai-shek, setzte sich daraufhin nach Taiwan ab. Von dort aus beanspruchte er weiterhin Gesamtchina. Umgekehrt beanspruchte China weiterhin Taiwan als Teil seines Territoriums, das eines Tages zurückgeholt würde. Taiwans offizielle Bezeichnung lautet Republik China - im Gegensatz zu Chinas offiziellem Namen als Volksrepublik China.

Jahrelang hielten beide Seiten daran fest, weiterhin formal ganz China zu repräsentieren, obgleich sich die politische Landschaft über die Jahrzehnte nachhaltig veränderte. Seit den späten 90er-Jahren entwickelte sich Taiwan von einer Autokratie zu einer lebendigen Demokratie mit einer deutlichen taiwanischen Identität. Die aktuelle Regierungspartei unter Führung von Präsidentin Tsai Ing-wen betrachtet die Insel als souveräne Nation - und als unabhängig von China.

Die Rolle der USA

Washington brach formal die Beziehungen zu Taiwan 1979 zwar ab, als es Peking als alleinigen Repräsentanten Chinas (Ein-China-Politik) anerkannte und das chinesische Kernland zu einem wichtigen Handelspartner der USA wurde. Zugleich aber spielten die USA eine entscheidende, zuweilen heikle Rolle bei der Unterstützung Taiwans.

So sind die Vereinigten Staaten per Gesetz verpflichtet, Taiwan Militärausrüstung zu liefern, um Taipehs Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen. Dabei behält sich Washington eine "strategische Zweideutigkeit" vor, ob es im Fall einer chinesischen Invasion tatsächlich militärisch eingreifen würde. Auf diese Weise soll China von einer möglichen Invasion abgehalten und gleichzeitig Taiwan daran gehindert werden, formal seine Unabhängigkeit zu erklären.

Die Rolle des Ukraine-Kriegs

Inmitten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sagte US-Präsident Joe Biden im Mai, die USA seien bereit, Taiwan im Falle eines chinesischen Einmarsches militärisch zu unterstützen. Das Weiße Haus und das Pentagon ruderten schnell zurück.

Ähnlich hatte sich Biden aber schon einmal im Oktober geäußert, doch seit der russischen Ukraine-Invasion am 24. Februar wuchs die Sorge, Peking könnte im Umgang mit Taiwan auf ein ähnliches Vorgehen setzen wie Russland.

Bidens Äußerungen sorgten für scharfe Reaktionen in China. Seitdem versichern Washington und auch Biden immer wieder, die Taiwan-Politik der USA habe sich nicht geändert. Der Pelosi-Besuch der Insel hat die Spannungen auf den Siedepunkt gebracht.

Zuvor hatte Chinas Staatschef Xi Jinping den US-Präsidenten in einem Telefonat in Bezug auf Taiwan gewarnt: "Wer mit dem Feuer spielt, wird sich irgendwann verbrennen."

Quelle: AFP

Noch mehr historische Hintergründe und Infos über die Rolle von Xi finden Sie hier:

Chinas Führung will die Kontrolle über das eigene Volk um jeden Preis. Xi Jinping soll jetzt zum Führer auf Lebenszeit ernannt werden.

19.10.2022 | 28:37 min
Quelle: dpa, ZDF

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