: Mehr Tote und Verletzte an Trumps Grenzmauer
von Luis Hanusch, Washington
19.05.2022 | 18:02 UhrTäglich kommen am Traumazentrum des Universitätsklinikums UC San Diego Health neue Flüchtlinge an. Alle haben sie versucht, die Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko zu überwinden, alle haben sie sich dabei schwer verletzt, meist durch Stürze aus großer Höhe.
Mauer zum Teil dreimal so hoch
Die Mauer an der Grenze zu Mexiko, das Prestigeprojekt des früheren US-Präsidenten Donald Trump, wurde 2019 auf einer Länge von rund 650 Kilometern deutlich erhöht. 30 Fuß, also umgerechnet gut neun Meter ist sie hoch, zuvor waren es teils weniger als drei Meter.
Ich hätte nie erwartet, dass wir die Wand hochklettern müssen.
Der 33-jährige Zahnarzt Hector Almeida aus Kuba kam Ende April ins Krankenhaus in San Diego. Bei einem Sturz von der Mauer hatte er sich das linke Bein gebrochen, nachdem Schleuser ihn und weitere Flüchtlinge mit einer Leiter überhastet über die Mauer schaffen wollten. Doch Almeida hatte mit seinem Beinbruch noch Glück.
"Wir erkennen seit einigen Jahren einen deutlichen Trend zu schwereren Verletzungen", sagt Dr. Amy Liepert, medizinische Leiterin der Akutchirurgie in San Diego. Es gebe immer mehr Flüchtlinge, die mit schweren Gehirn- und Gesichtsverletzungen sowie komplexen Brüchen an Armen, Beinen oder der Wirbelsäule eingeliefert werden.
Eine mögliche Ursache dafür war mit der höheren Mauer schnell gefunden, denn die Verletzungen seien alle typisch für einen Fall aus großer Höhe. Liepert hat deshalb mit Kollegen eine Studie zu den Effekten von Trumps Grenzmauer auf Flüchtlinge durchgeführt. "Die Erhöhung der Grenzmauer wurde als 'unüberwindbar' angepriesen, aber das hat die Menschen nicht davon abgehalten, es trotzdem zu versuchen - mit entsprechenden Folgen", sagt Liepert.
Flüchtlinge sterben an der Mauer
Die Studie hat den Zeitraum seit der Mauererhöhung 2019 mit den drei Jahren zuvor verglichen. Das Ergebnis: Die Zahl der gestürzten Verletzten hat sich seitdem mehr als verfünffacht, auf 375. Die Todesfälle an der Grenzmauer sind demnach von null auf 16 angestiegen.
Ein Fall aus einer Höhe von rund zwölf Metern endet für den Betroffenen zu 50 Prozent tödlich.
Personelle und finanzielle Belastung im Krankenhaus
Diese Häufung an Verletzungen geht auch an den Krankenhäusern nicht spurlos vorüber, wie Liepert erklärt. Die Aufenthaltsdauer von Flüchtlingen im UC San Diego Health hat sich seit 2019 verdoppelt. Der Mehraufwand für das Klinikpersonal ist immens. "Jeder arbeitet mit einer viel höheren Intensität, um die Patienten versorgen zu können. Es ist eine große Belastung für alle", sagt Liepert.
Hinzu kommt noch die finanzielle Belastung. Seit der Erhöhung der Mauer sind am UC San Diego Health Kosten in Höhe von mindestens 13 Millionen Dollar nur für die Behandlung von Patienten von der Grenzmauer angefallen. "Das ist eine unsichtbare Krise der öffentlichen Gesundheit, die sich gerade jetzt abspielt und von der wichtige lokale Gesundheitsdienstleister in San Diego erheblich betroffen sind", so Liepert.
Hoffnung auf Besserung bei künftigen Entscheidungen
Liepert und ihre Kollegen hoffen darauf, dass bei künftigen politischen Entscheidungen entlang der Grenze auch die humanitären Auswirkungen betrachtet werden. Für die jetzige Situation ist noch keine Lösung in Sicht.
Fest steht bereits jetzt: Trumps Wunsch, mit dem Bau der Mauer die illegale Einwanderung zu stoppen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen hat er mit seinem Prestigeprojekt unfreiwillig ein Problem für Teile des US-Gesundheitssystems geschaffen.