: Wer bezieht die Prager Burg?

von Wolf-Christian Ulrich
13.01.2023 | 08:42 Uhr
Vor gut einem Jahr haben ihn die Tschechen als Premier abgewählt - jetzt will der Milliardär Andrej Babiš als Präsident in die Prager Burg einziehen.
Er will Präsident werden – Andrej Babiš. Trotz Betrugsvorwürfen sehen ihn die Umfragen weit vorn. Quelle: epa
In Prag geht eine schrille Präsidentschaft zu Ende: die von Miloš Zeman. "Dies ist ein Modell einer Kalaschnikow. Auf der steht: Für Journalisten. Sie würde mich aber wahrscheinlich nach hinten werfen, weil ich nicht schießen kann", feixte er einst und fuchtelte dabei mit einer unter anderem aus einer Kräuter-Likör-Flasche gefertigten Waffen-Attrappe herum - nur einer der vielen Aufsehen erregenden Momente in Zemans Amtszeit.
Seit Monaten lebt der schwer kranke Präsident zurückgezogen von der Öffentlichkeit, in der er zuvor mit Sprüchen gegen Sudetendeutsche, den Islam und sexuelle Minderheiten auffiel. Selbst ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft seines Landes hatte er gefordert.

Ex-Ministerpräsident hat gute Chancen

In den Umfragen zur Wahl am Freitag und Samstag gehört derzeit Tschechiens ehemaliger Ministerpräsident Andrej Babiš zu den ersten drei. Die EU hatte dem schwerreichen Industriellen immer wieder Interessenkonflikte bei Subventionen vorgeworfen, Tschechien hatte dadurch auch Fördergelder verloren.
Bis vor kurzem stand der 68-jährige Polit-Populist vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft ihm Subventionsbetrug mit EU-Geld vorwarf. Doch aus Mangel an Beweisen sprach ihn ein Prager Gericht frei. "Das war eine politische Verfolgung", sagte Babiš dazu - der Erfolg vor Gericht wird seine Wahl-Chancen leicht verbessert haben.

Babiš‘ stärkster Konkurrent

Viele haben allerdings auch genug von der allzu engen Vernetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen. Damit müsse Schluss sein, sagt etwa Petr Pavel. Er ist Babiš‘ stärkster Gegner im Wahlkampf. Ein Konservativer, der Ordnung und Ruhe propagiert:
Wir sollten genug politische Kultur haben, dass eine Person, die so vielen Anschuldigungen ausgesetzt ist, einfach nicht für dieses Amt kandidiert.
Petr Pavel
Einst Oberbefehlshaber der tschechischen Armee, präsentiert sich Pavel im Wahlkampf als erfahrener Anführer, dem man in Kriegszeiten vertrauen könne. Außenpolitisch sieht er Tschechiens Platz klar in der EU und in der Nato.

Diese Woche soll in Tschechien ein neuer Präsident gewählt werden. Neben Ex-Premier Babiš gehen auch ein Ex-General und eine Wirtschaftswissenschaftlerin ins Rennen.

09.01.2023 | 02:15 min
Anders als Babiš, der in der Interessengemeinschaft der Visegrad 4 und in Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán einen starken Partner sieht, warnt Pavel vor den EU-Problemfällen in den Visegrad 4: "Wir sind mit Ungarn und teilweise mit Polen in ganz grundsätzlichen Fragen unterschiedlicher Meinung, und ich frage mich ob so eine Gruppe noch sinnvoll ist."

Schafft es Nerudová in die Stichwahl?

Auch Danuše Nerudová hat Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Die unabhängige Ökonomin adressiert vor allem die Jüngeren, verspricht ihnen einen Generationswechsel. Die 44-Jährige beschreibt sich unter den top drei Kandidaten als einzige, die den Sozialismus nur als Kind erlebt habe, die nicht für die Vergangenheit, sondern für die Zukunft stehe: "Ich setze mich dafür ein, dass die Menschen in diesem Land gleiche Chancen haben, unabhängig davon, wo sie leben, wer sie sind und wen sie lieben."
Die ehemalige Rektorin der Mendel-Universität Brünn wünscht sich von den europäischen Partnern außenpolitisch mehr Profil, vor allem gegenüber China. Politiker in Tschechien zeigt schon seit längerem Kante gegenüber Peking, die Hauptstadt Prag beendete unlängst die Städtepartnerschaft mit Peking und ging demonstrativ eine neue mit Taipeh in Taiwan ein. Nerudová meint:
Wir sollten mit Deutschland darüber reden, wohin uns der Umgang mit Russland geführt hat. Und dass wir auch die Beziehungen zu China neu bewerten sollten.
Danuše Nerudová
Nun ist für die Außenpolitik immer noch die tschechische Regierung zuständig und nicht der Präsident, der laut Verfassung überwiegend repräsentative Aufgaben wahrnimmt. Doch das Amt gilt als Meinungsmacher mit Einfluss auf die öffentliche Debatte. Die erste Runde der Wahl werden wahrscheinlich Babiš und Pavel gewinnen, prophezeien Demoskopen, aber keiner mit mehr als 50 Prozent der Stimmen: Spannend würde dann die Stichwahl Ende Januar werden.

Mehr zu Tschechien