: Faeser ruft Türkei zur Mäßigung auf

22.11.2022 | 16:34 Uhr
Bei ihrem Besuch in Ankara hat sich Innenministerin Faeser solidarisch mit dem Partner Türkei gezeigt - aber bei den Offensiven in Syrien und im Irak Mäßigung angemahnt.
Innenministerin Nancy Faeser bei einer Pressekonferenz mit ihrem türkischen Kollegen Süleyman Soylu.Quelle: Anne Pollmann/dpa
Bei ihrem Antrittsbesuch in Ankara hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Türkei nach Beginn der neuen Offensive in Syrien und im Irak dazu aufgerufen, eine Eskalation der Gewalt zu verhindern. Die Reaktion der Türkei müsse verhältnismäßig sein, mahnte Faeser.

Ankara geht weiter gegen Kurden vor

Ankara führte seinen Kampf gegen die Kurden in Syrien derweil fort: Bei einem Drohnenangriff auf eine Militärbasis sind Aktivisten zufolge am heutigen Dienstag zwei kurdische Kämpfer getötet worden. Der betroffene Stützpunkt werde von der US-geführten internationalen Koalition und kurdischen Kämpfern genutzt, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Von US-Seite gab es bislang keinen Kommentar. Bei weiteren Luftangriffen der Türkei starb laut Aktivisten ein weiterer kurdischer Kämpfer, mehrere wurden verletzt.
Seit Sonntag fliegt die Türkei in Syrien und im Irak Angriffe auf Stellungen kurdischer Milizen, die sie für einen Anschlag am 13. November im Zentrum Istanbuls verantwortlich macht. Ankara greift Ziele in Regionen an, die unter der Kontrolle der syrischen Kurdenmiliz YPG stehen.

Auch Moskau ruft Ankara zu Zurückhaltung auf

Die Türkei sieht die YPG als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die PKK gilt unter anderem auch in Deutschland als Terrororganisation, die YPG nicht. Die USA sehen in der YPG einen Partner im Kampf gegen den IS.

Die Türkei gegen YPG und PKK

Die Türkei hat seit 2016 vier Militäroffensiven in Nordsyrien geführt, die sich auch gegen die syrische Kurdenmiliz YPG richteten. Ankara sieht in der YPG einen Ableger der verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und betrachtet beide als Terrororganisationen.

Die USA kooperieren hingegen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit der YPG, stufen die PKK aber als terroristisch ein. In Nordsyrien hält die Türkei infolge ihrer Militäreinsätze Grenzgebiete besetzt und kooperiert dabei mit Rebellengruppen.

Der Konflikt zwischen türkischen Streitkräften und PKK hat eine jahrzehntelange Geschichte und bisher Tausende Opfer gefordert - laut der Organisation International Crisis Group wurden dabei mehrheitlich PKK-Mitglieder und Verbündete getötet.

Auch Russland mahnte Ankara zu Zurückhaltung.
Wir hoffen, unsere türkischen Partner davon überzeugen zu können, trotz allem von einer exzessiven Gewaltanwendung auf syrischem Staatsgebiet abzusehen.
Alexander Lawrentjew, Syrien-Beauftragte des russischen Präsidenten
Das sagte Lawrentjew in der kasachischen Hauptstadt Astana laut der Nachrichtenagentur Interfax.

Türkei beruft sich auf Recht auf Selbstverteidigung

Dort waren neue Gespräche im sogenannten Astana-Format mit Russland, der Türkei und dem Iran angesetzt. Russland unterstützt im syrischen Bürgerkrieg die Regierungstruppen. Lawrentjew sagte, dass Moskau nicht vorab über die türkischen Luftschläge informiert worden sei. Erdogan hatte am Montag gesagt, auch die USA nicht informiert zu haben. US-Präsident Joe Biden hatte Erdogan kurz zuvor auf dem G20-Gipfel in Bali getroffen.

Bei einer Explosion in einer Fußgängerzone in Istanbul kamen Mitte November mindestens sechs Menschen ums Leben, mehr als 80 wurden verletzt.

14.11.2022 | 01:34 min
Die Bundesregierung hatte Ankara bereits am Montag zur Einhaltung des Völkerrechts aufgefordert. Die Türkei begründet ihre Offensive mit dem Recht auf Selbstverteidigung.
Das Recht auf Selbstverteidigung beinhaltet nicht ein Recht auf Vergeltung.
Christofer Burger, Sprecher des Auswärtiges Amtes

Faeser: Stehen an der Seite der Türkei

Bei seinem Treffen mit Innenministerin Faeser verteidigte der türkische Innenminister Soylu das türkische Vorgehen in Syrien und dem Irak und sagte, es gebe Bemühungen, dort einen Terrorstaat zu gründen. Das könne Ankara nicht zulassen.
Faeser sagte, man stehe an der Seite der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus, Zivilisten müssten aber geschützt und Völkerrecht eingehalten werden. Soylu gilt als nationalistischer Hardliner im Kabinett von Recep Tayyip Erdogan.

Irak und Nordirak verurteilen Angriffe

Die türkische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn der jüngsten Militäroffensive in Syrien und im Irak 184 "Terroristen neutralisiert". Den Begriff verwenden Regierung und Streitkräfte der Türkei üblicherweise auch für kurdische Gruppen, die zuletzt in beiden Nachbarländern attackiert wurden.
Das türkische Verteidigungsministerium sprach in der Nacht zum Dienstag von Angriffen aus der Luft und mit landgestützten Geschützen. Die genannte Opferzahl ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Iraks Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani und der Präsident der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, Nechirvan Barsani, verurteilten die Verletzungen des irakischen Territoriums. Der Angriff der Türkei auf kurdische Gebiete im Land habe mehrere Menschen getötet, darunter auch Zivilisten.

Nach Luftangriffen auf kurdische Stellungen in Syrien und Irak plant Erdogan auch Bodenoffensiven. Die Türkei macht PKK und YPG für den Anschlag in Istanbul verantwortlich.

21.11.2022
Quelle: dpa

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