: Twitter verlässt EU-Pakt gegen Desinformation

27.05.2023 | 02:29 Uhr
Twitter ist offenbar aus einem freiwilligen EU-Kodex zur Bekämpfung von Desinformationen ausgestiegen. Das berichtet Binnenmarktkommissar Breton - und erinnert an Verpflichtungen.
Twitter-Logo an der Wand des Unternehmens in San Francisco. Quelle: AP
Twitter tritt nach Angaben der EU-Kommission aus einem Abkommen der Europäischen Union zur Bekämpfung von Desinformation im Internet aus. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton twitterte am Freitagabend, die Social-Media-Plattform kehre dem freiwilligen Verhaltenskodex den Rücken zu - und kritisierte:
Aber Verpflichtungen bleiben. Man kann wegrennen, aber man kann sich nicht verstecken.
Thierry Breton

Faeser: "Recht gilt für alle Plattformen, wir werden es durchsetzen"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte Twitters Ausstieg aus dem Verhaltenskodex "verantwortungslos". "Desinformation, Lügen und Propaganda befeuern Hass und sind Gift für die Demokratie", schrieb sie in dem Onlinedienst. Twitter habe eine Verantwortung. "Aber unser Recht gilt für alle Plattformen, wir werden es durchsetzen." Es sei gut, dass es "in Kürze striktere EU-Regeln gibt".
Der EU-Verhaltenskodex verlangt von den Unternehmen regelmäßige Fortschrittsberichte mit Daten über entgangene Werbeeinnahmen von Desinformationsakteuren. Zudem müssen Informationen über die Anzahl oder den Wert angenommener oder abgelehnter politischer Anzeigen sowie erkannte manipulative Verhaltensweisen bereitgestellt werden.

EU-Gesetz geht gegen Hass und Hetze vor

Über die freiwilligen Selbstverpflichtungen hinaus werde der Kampf gegen Desinformation im Rahmen des EU-Gesetzes über Digitale Dienste (DSA) vom 25. August an verpflichtend sein, erinnerte EU-Binnenmarktkommissar Breton. "Unsere Teams werden zur Durchsetzung bereit sein."
Tweet von Thierry Breton
Die europäischen Digital-Richtlinien (Digital Service Act, DSA) verpflichten Twitter, Google, Meta Platforms Inc, Microsoft Corp, Alibaba's AliExpress und weitere große Online-Plattformen dazu, stärker gegen Hass und Hetze und andere illegale Inhalte im Netz vorzugehen.
Manipulative Praktiken, die Nutzer zu Käufen drängen, werden ebenso verboten wie auf Kinder ausgerichtete Werbung. Außerdem sollen große Plattformen Anwendern künftig mehr Einfluss dabei einräumen, welche Anzeigen ihnen angezeigt werden. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Die Vorgaben gelten ab Mitte Februar 2024 in der gesamten EU - für besonders große Plattformen schon früher.

Musk strukturierte Twitter um

Das von Tech-Milliardär Elon Musk übernommene Unternehmen mit Sitz in San Francisco reagierte auf Presseanfragen zu dem Austritt aus dem freiwilligen Abkommen mit einer automatisierten Antwort - wie in den meisten Fällen. Stellung bezog Twitter nicht.
Seit der Übernahme hat Musk frühere Regeln gegen Desinformation abgeschafft, das plattformeigene Verifikationssystem für Nutzerkonten verworfen und durch ein Abomodell ersetzt und die Inhaltsmoderation ins Chaos gestürzt. Sein erklärtes Ziel ist, Twitter zu einem "digitalen Marktplatz" zu machen. Musk hatte stets betont, die aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit auf der Plattform zu beseitigen.
Quelle: AP, Reuters, AFP

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