: "Irgendwie durch diesen Winter kommen"

19.10.2022 | 07:38 Uhr
Russland bombardiert gezielt Kraftwerke in der Ukraine - für viele Menschen droht ein Winter ohne Strom und Gas. Schon jetzt kämpfen sie mit der Kälte.
Holz statt Strom und Gas: In Kiwschariwka versuchen die Bewohner, der Kälte zu trotzen.Quelle: ap
Der neunjährige Artem hilft seiner Großmutter, ein Feuer zu schüren - in einer improvisierten Küche im Freien neben dem Apartmentkomplex, der ihr Zuhause ist. Es wird schnell dunkel, und sie müssen essen, bevor die Sonne untergeht und ihre Wohnung kalt und dunkel wird. Die Temperaturen beginnen unter den Gefrierpunkt zu sinken. Und wie Hunderttausende andere Ukrainer wissen sie, dass eine harte Jahreszeit auf sie zukommt.
Russland feuert mit Raketen und Drohnen auf Versorgungsunternehmen in der Ukraine - auch in Kiwschariwka, der Heimat von Artem und seiner Großmutter in der Region Charkiw. Beide leben seit rund drei Wochen ohne Gas, Wasser oder Strom. Sie und die wenigen anderen Bewohner, die in dem Wohnblock geblieben sind, müssen sich nachts warm anziehen und im Freien kochen. Nur so können sie überleben. Artem sagt:
Es ist wirklich kalt. Ich schlafe in meiner Kleidung.
Artem

Nach zahlreichen russischen Angriffen auf die Strom-Infrastruktur der Ukraine befindet sich das Land nach eigenen Angaben in einer 'kritischen' Lage.

19.10.2022 | 02:19 min

Behörden wollen mit Holz helfen

Wer nicht vor Kämpfen, Beschuss und Besetzung geflohen ist, bereitet sich so gut wie möglich auf die kalten Monate vor. Im nahe gelegenen Dorf Kuryliwka steuert Viktor Paljaniza mit einer Schubkarre frisch gehackter Holzscheite auf sein Haus zu. Er habe genug zusammen für den Winter, sagt er. Er will neben einem Kaminofen in einem baufälligen Nebengebäude schlafen, nicht in seinem Haus. Dort sind alle Fenster durch Granatsplitter zertrümmert.
Die zuständigen Stellen arbeiten daran, in den nächsten Tagen die Elektrizität in der Gegend wiederherzustellen. Als Nächstes sollen dann die Schäden an der Wasser- und Gasinfrastruktur repariert werden, wie Roman Semenucha von der Regionalregierung Charkiw sagt. "Erst dann werden wir in der Lage sein, die Beheizung wiederherzustellen." Bis die Kraftwerke wieder laufen, sollen die Einwohner mit Holz versorgt werden.

"Man versucht schneller zu reparieren als die neuen Luftangriffe kommen", trotzdem sei "die Stromversorgung flächendeckend in Gefahr", so ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh.

19.10.2022 | 02:05 min

Kochen überm Feuer im Hinterhof

Im Zentrum von Kuryliwka ist eine Gruppe von Männern dabei, mit einer Kettensäge einen Baum nahe einer Bushaltestelle zu fällen. Auch Viktor Paljaniza wollte nicht darauf warten, dass die Regierung hilft. "Ich habe Arme und Beine, und so fürchte ich mich nicht vor der Kälte, denn ich kann Holz finden und den Ofen heizen", sagt der 37-Jährige.
Artems Großmutter Iryna Pantschenko schildert, dass sie und ihr Enkel in einer benachbarten leerstehenden Wohnung schliefen. In ihrer eigenen gebe es nach einem russischen Raketenangriff keine Fensterscheiben mehr. "Es ist sehr kalt, hier zu leben", schildert sie. "Es ist schwierig zu kochen, es ist hart, zwischen der Wohnung und unserer Kochstelle hin- und herzulaufen. Meine Beine tun weh."
In den Hinterhöfen ihres Wohnblocks versammeln sich Einwohner, um über Feuern zu kochen. Eine Frau hat Holzüberreste aus einer Wohnung im Erdgeschoss gesammelt, die von einer russische Rakete getroffen worden war.

Die Hoffnung, dass der Strom zurückkehrt

Anton Sewrukow röstet Brot und erhitzt einen Kessel mit Wasser.
Kein Strom, kein Wasser, kein Gas. Wir frieren, ...
Anton Sewrukow
... sagt der 47-Jährige. "Ich mache Tee für meine Mutter, aber sie trinkt nur ein kleines Bisschen, um sich für eine kurze Zeit aufzuwärmen." Die Mutter, Soja Sewrukowa, sitzt in der Dunkelheit einer moderigen Wohnung auf dem Sofa. Sie ist seit sieben Jahren bettlägerig. "Ohne meinen Sohn würde ich gefrieren", sagt sie.
Sewrukow hat einen Freund in Charkiw gebeten, ihm ein elektrisches Heizgerät zu kaufen - für den Fall, dass die Stromversorgung zurückkehrt. "Ich hoffe", so sagt er, "dass wir bald Elektrizität haben, so dass wir irgendwie durch diesen Winter kommen können."

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Quelle: ZDF
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Wie arbeitet das Aktionsbündnis?

Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
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Quelle: Justin Spike, AP

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