: Sorge vor russischem Vormarsch wächst

von Christian Mölling, András Rácz
03.03.2023 | 22:06 Uhr
Das hart umkämpfte Bachmut könnte fallen, die Sorge vor dem russischen Vormarsch wächst. Doch die Wetterlage könnte der Ukraine beistehen. Der Ukraine-Krieg in der Militäranalyse.
Die ukrainische Stadt Bachmut wird wahrscheinlich sehr bald fallen. Die russischen Streitkräfte haben auch die letzte verbliebene Hauptstraße zur Stadt erreicht, die von Chromove nach Chasiv Yar führt. Bachmut ist zwar noch nicht vollständig umzingelt, aber die Lage der Verteidiger wird äußerst kompliziert. Außerdem befinden sich noch etwa 4.000 Zivilisten in der Stadt, die sie nicht verlassen wollen oder können.
Innerhalb der Stadt haben die ukrainischen Streitkräfte die Eisenbahnbrücke über den Fluss Bachmutka gesprengt, was darauf hindeutet, dass der Bezirk östlich des Flusses nicht mehr lange gehalten werden kann.
Henner Hebestreit berichtet über Bachmut, das von russischen Truppen eingekesselt ist:

Evakuierung von Kupjansk

Gleichzeitig rücken die russischen Truppen langsam auch entlang der Frontlinie in Charkiw vor. Am 3. März ordnete die ukrainische Führung an, gefährdete Zivilisten aus Kupjansk zu evakuieren. In der Kleinstadt lebten rund 27.000 Menschen, vor der russischen Eskalation. Von Februar bis September 2022 wurde Kupjansk von russischen Truppen besetzt. Jedoch gelang es der Ukraine im Zuge der Gegenoffensive im Herbst 2022, die Stadt zu befreien.
Während damals aufgrund des rasanten ukrainischen Angriffs nur mäßige Schäden angerichtet wurden, könnte es jetzt, wenn russische Truppen die Stadt erreichen, zu ähnlich verheerenden Kämpfen kommen wie in Bachmut. Die ukrainischen Streitkräfte sind offenbar entschlossen, die Stadt zu halten, sollten die Russen so weit vorrücken.
"Ein ziemliches Blutbad" nennt ZDF-Korrespondent Hebestreit die Vorgänge in Bachmut:

Widersprüchliche Berichte über Anschlag in russischer Region

In der russischen Region Brjansk, ganz in der Nähe der ukrainischen Grenze, haben nicht identifizierte Angreifer am 2. März einen Anschlag verübt. Es gibt widersprüchliche Berichte über den genauen Tathergang und die Zahl der Opfer. Die russischen Behörden beschuldigen ukrainische Nationalisten des Angriffs.
Die Ukraine bestreitet unterdessen ihre Beteiligung und spricht von einer Partisanenbewegung, die in Russland entstanden sei. Interessanterweise übernahm eine obskure russische Freiwilligenorganisation, das so genannte Russische Freiwilligenkorps, das behauptet, auf der Seite der Ukraine zu kämpfen, die Verantwortung für den Anschlag.
Militärexperte Gustav Gressel zu den Anschlägen:
Tatsachlich ist unklar, was die ukrainische Militärführung von einem solchen kleinen Bodenangriff auf das russische Kerngebiet halten würde. Dies hält den Kreml jedoch nicht davon ab, den Vorgang zu nutzen, um seine anti-ukrainischen Narrative im Inland weiter zu stärken.

"Rasputitsa" - die Zeit der Weglosigkeit beginnt

Die berühmt-berüchtigte Schlammsaison, die "Rasputitsa", hat bereits begonnen. Das Wetter in der Ostukraine ist deutlich wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Die Tagestemperaturen liegen bereits über Null und selbst nachts gibt es nur schwachen Frost. Außerdem wird für die nächste Woche viel Regen vorhergesagt. Dies führt dazu, dass sich Felder und unbefestigte Straßen in Schlamm-Meere verwandeln, die jeden mechanisierten Einsatz verlangsamen.
Neben dem Geschwindigkeitsverlust werden Offensivmanöver auch deshalb viel riskanter, weil die angreifenden Kräfte nur auf den befestigten Straßen vorrücken können, wo sie ein leichtes Ziel für die feindliche Artillerie darstellen. Die bevorstehende Schlammsaison wird den Druck auf die belagerten ukrainischen Streitkräfte wahrscheinlich verringern.

Dr. Christian Mölling ...

Quelle: DGAP
... ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und leitet dort das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.

Dr. András Rácz ...

Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.

Russland baut Verteidigungslinien in Saporischschja aus

Russland setzt den Bau von Befestigungen, Gräben und Unterständen in der besetzten Region Saporischschja fort und schafft mehrere, wenn auch unzusammenhängende Verteidigungslinien in der Steppe. Die russische Führung wartet offenbar auf einen ukrainischen Angriff auf diesen Frontabschnitt.
Die Tatsache, dass auch entlang der nördlichen Grenzen der besetzten Krim mit dem Bau ähnlicher Befestigungen begonnen wurde, deutet jedoch darauf hin, dass die Krim-Eliten kein wirkliches Vertrauen in die Stärke der neuen Befestigungen in Saporischschja haben.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

Themen

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine