: Bidens "Ja" an Taiwan - ein Signal an Peking

von Elmar Theveßen
23.05.2022 | 21:46 Uhr
Schon lange hegt China Machtansprüche gegenüber Taiwan. Sollte es ernst werden, haben die USA ihren militärischen Beistand zugesichert - ein klares Signal in Richtung Peking.
US-Präsident Joe Biden bei seinem Besuch in Tokio.Quelle: Reuters
Wieder einmal haben sie die Augen verdreht, wieder einmal hat ihr Präsident etwas gesagt, was sie hinterher relativieren müssen, aber Joe Bidens Stab im Weißen Haus ist da schon erfahren.
Auf die Frage eines Journalisten, ob die USA Taiwan militärisch verteidigen würden, hatte Joe Biden bei der Pressekonferenz mit dem neuen japanischen Premierminister Fumio Kishida mit einem klaren "Ja" geantwortet. Auf die Nachfrage, ob er es wirklich tun würde, lautete Bidens Antwort:
 
Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind.
Joe Biden
Kurz darauf relativieren seine Mitarbeiter, es bleibe dennoch bei der Ein-China-Politik. Diese basiert auf dem sogenannten Shanghai-Kommuniqué von 1972, in dem US-Präsident Richard Nixon und der chinesische Premierminister Zhou Enlai sich darauf festlegten, dass "Chinesen auf beiden Seiten der Straße von Taiwan davon ausgehen, dass es nur ein China gibt" und dass "Taiwan Teil Chinas ist".

US-Politik der "strategischen Uneindeutigkeit"

Mit diesem und späteren Erklärungen machten die USA aber klar, dass es nur eine friedliche Lösung in dieser Frage geben dürfe, und dass sie Taiwan militärisch unterstützen, damit es sich im Fall eines Angriffs verteidigen kann. Es war immer eine Politik der "strategischen Uneindeutigkeit", um der Kommunistischen Partei Chinas zu signalisieren, dass ein Einmarsch nicht akzeptabel ist.
Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte Präsident Biden offenbar den Eindruck, Peking einmal mehr daran erinnern zu müssen. Das hat gute Gründe, denn zum Auftakt seiner Asienreise waren - wie schon so oft in den vergangenen Monaten - chinesische Kampfjets in die Schutzzone um Taiwan eingedrungen.

Ein Déjà-vu für die USA - und Bidens Stab

Gleichzeitig unternahm China wenig bis nichts, um Druck auf den nordkoreanischen Diktator Kim auszuüben, der einen Nuklear- oder Raketentest vorbereitete. Beides kann man durchaus als Provokationen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping bewerten. Für die USA ist es ein Déjà-vu: 
Am 4. Oktober 2021 waren 52 chinesische Militärflugzeuge in die Schutzzone um Taiwan eingedrungen. In einem Telefonat am Tag danach beschwerte sich Joe Biden bei Xi Jinping. Beide Seiten vereinbarten, am Status quo im Umgang mit Taiwan nicht zu rütteln. Aber nur Tage später verpasste Xi dem US-Präsidenten eine verbale Ohrfeige. Bei einer Rede sagte er:
Die Taiwanfrage ist eine rein interne Angelegenheit Chinas. Niemand sollte die Entschlossenheit, den Willen und die Fähigkeit des chinesischen Volkes unterschätzen, unsere nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.
Xi Jinping
Joe Biden sah sich veranlasst, wenige Tage später bei einem Bürgerforum im US-Fernsehen die US-Bereitschaft zur Verteidigung Taiwans zu bekunden: "Ich will zwar keinen kalten Krieg mit China starten", so der Präsident, "aber sehr klarmachen", dass die USA nicht nachgeben würden. CNN-Moderator Anderson Cooper hakte nach: Würden die Vereinigten Staaten Taiwan also tatsächlich verteidigen? "Ja, wir sind dazu verpflichtet", sagte Biden. Auch damals relativierte das Weiße Haus hinterher seine Worte.

ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen über die enorme Bedeutung von Bidens Südkorea-Japan-Reise.

20.05.2022 | 03:14 min

Taiwan: Setzen auf Zusagen der USA

Kurz danach verstärkte die US-Regierung die Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern zur Verteidigung Taiwans, Berater aus dem amerikanischen Militär arbeiten seitdem vor Ort eng mit den taiwanesischen Streitkräften zusammen. Deshalb sagte mir der taiwanesische Außenminister Joseph Wu in eine Gespräch Anfang Januar:
"Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Zusagen der Vereinigten Staaten felsenfest sind, daran zweifeln wir nicht. Und wir hoffen sicher, dass die USA Taiwan weiter mit Waffen, Training und Leistungen unterstützen und den hochrangigen Austausch auch bei Geheimdienstinformationen fortsetzen, damit Taiwan sich selbst verteidigen kann."

Ukrainische Erfolge lassen Peking aufhorchen

Der Ukraine-Krieg hat die Lage nun deutlich verschärft. China könnte, so denken manche Militärexperten, sich ermutigt fühlen, eher früher als später eine Invasion zu verwirklichen, bevor Taiwan noch weiter hochgerüstet ist. Die militärischen Erfolge der ukrainischen Streitkräfte gegen die russische Armee habe in Peking ein großes Nachdenken ausgelöst.
Es ist ein Konflikt auf einem anderen Kontinent, dennoch erinnert er an Ukraine/Russland. Lesen Sie hier mehr zu Chinas Anpruch auf Taiwan. Die Angst in Taipeh wächst.
Die US-Regierung will China von jeder Art der Aggression abschrecken. Deshalb ergänzte Joe Biden in der Pressekonferenz: "Der Gedanke, dass man es (Taiwan) mit Gewalt nehmen kann, einfach mit Gewalt, der ist nicht angemessen. Es würde die gesamte Region destabilisieren und wäre vergleichbar mit dem, was in der Ukraine geschehen ist."

China muss mit vereinten Reaktionen rechnen

 Der japanische Premierminister Kishida sagte:
Jeder Versuch, den Status quo mit Gewalt zu verändern, so wie Russlands Aggression jetzt in der Ukraine, sollte im Indopazifik niemals toleriert werden.
Fumio Kishida
Die grundsätzliche Position Japans ändere das allerdings nicht, so Kishida. Es bleibt also bei der Ein-China-Politik - aber mit in all der "strategischen Uneindeutigkeit", gibt es doch ein eindeutiges Signal: Die chinesische Führung muss einkalkulieren, dass ihr bei einem Angriff auf Taiwan neben Wirtschaftssanktionen auch militärische Reaktionen drohen - von den USA, von Japan und von ihren Verbündeten.
Elmar Theveßen leitet das ZDF-Studio in Washington
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