: Welche Interessen China verfolgt

von Johannes Hano
28.02.2023 | 22:47 Uhr
Chinas Rolle im Ukraine-Krieg scheint undurchsichtig: Wird Peking Waffen an Russland liefern oder will es vermitteln? Wichtig sind China vor allem die eigenen Ziele.
Chinas Chef-Diplomat Wang Yi hat bei seinem Treffen mit Russlands Präsident Putin in Moskau zuletzt die Partnerschaft beider Länder betont.Quelle: ap
In der öffentlichen Debatte über Chinas Rolle in Russlands Krieg gegen die Ukraine geht gerade vieles drunter und drüber. Wird sich China enger an Russland binden und Russlands Angriffskrieg mit Waffen und Munition unterstützen? Oder ist alles ganz anders und das kommunistische Riesenreich wird ein unabhängiger Vermittler von Friedensgesprächen zwischen dem russischen Angreifer und der Ukraine, die um ihr Überleben kämpft?
CIA-Chef William Burns hatte am Wochenende gesagt, man sei überzeugt, dass Peking Waffen- und Munitionslieferungen an Russland in Betracht ziehe. Der ukrainische Geheimdienstchef sieht für chinesische Waffenlieferungen derzeit keine Anzeichen und China selbst sieht sich als potenzieller Friedensbringer, veröffentlicht ein Papier mit zwölf chinesischen Positionen für eine politische Lösung der "Ukraine-Krise".

ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt zu Chinas Positionspapier.

24.02.2023 | 02:47 min

Kann China Waffen an Russland liefern und trotzdem vermitteln?

Auf den ersten Blick alles widersprüchlich - aber eben nur auf den ersten Blick. Wenn der ukrainische Geheimdienstchef, Kyrylo Budanow, derzeit keine Anzeichen für chinesische Waffenlieferungen an Russland sieht, bedeutet das nicht, dass China solche Lieferungen nicht in Betracht zieht, so wie es die CIA erfahren haben will.
Und Chinas Positionspapier steht potenziellen Überlegungen für Waffenlieferungen an Russland nicht entgegen. Alles kann gleichzeitig zutreffen. Wenn man versuchen möchte, Klarheit in die Rolle Chinas zu bringen, ist es hilfreich zu verstehen, was Chinas strategisches Handeln motiviert.

Die großen Ziele des Xi Jingping

Staatspräsident Xi Jingping ist von der Idee getrieben, die Volksrepublik China bis zur Feier ihres 100-jährigen Bestehens im Jahr 2049 zur Weltmacht Nummer eins zu machen. So hat er es immer wieder formuliert. Diesem Ziel aber stehen die Weltmacht USA und ihre Verbündeten entgegen. Alles, was die USA und ihre Verbündeten schwächt, ist so für China von strategischem Vorteil.
Für sein Vormachtstreben in der Welt braucht Peking selbst Verbündete. In Moskau hat Chinas Chef-Diplomat Wang Yi dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und Russlands Präsident Wladimir Putin gerade erst versichert, dass die Partnerschaft zwischen China und Russland grenzenlos sei. Beide teilen das Ziel, die politische und ökonomische Vormachtstellung der westlichen Demokratien zu brechen.

Peking mit vager Alternative zur UN-Friedensforderung

Bislang hat China weder den russischen Angriffskrieg in der Ukraine noch die Annexion besetzter ukrainischer Gebiete verurteilt. Die kommunistische Diktatur enthält sich der Stimme, als die Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit vergangene Woche einen Frieden auf Basis der UN-Charta fordern. Nur, um noch in derselben Nacht eigene vage Positionen für einen Frieden zu präsentieren.
Eingebettet zwischen allgemeinen Überlegungen, wie "Schutz der Atomkraftwerke" und der "Ermöglichung von Getreideexporten", die jeder sofort unterschreiben würde, finden sich Positionen, wie die Forderung nach dem "Stopp einseitiger Sanktionen", die vor allem Russland entgegenkommen. China sucht nach Möglichkeiten, seinen Partner heil aus dem Krieg heraus zu bekommen.

Warum China auf ein autoritäres Russland setzt

Die chinesischen Kommunisten haben kein Interesse an einem Ausgang des Krieges, der Wladimir Putins autoritäres Russland dauerhaft schwächen oder sogar zusammenbrechen lassen würde. Zu sehr wird dieses Russland für die Verfolgung eigener Ziele noch gebraucht. Ein demokratisches, sich nach Westen orientierendes Russland, dass sich bis an die Grenzen Chinas im fernen Osten erstreckt, ist für die Machthaber in Peking eine strategische Horrorvorstellung.
Wie weit China gehen würde, um das zu verhindern, hat sein uneingeschränkter Herrscher - Xi Jingping - noch nicht preisgegeben. Doch es wäre naiv zu glauben, dass eine Weltmacht, die zur Nummer 1 aufsteigen will, nicht alle Möglichkeiten in Betracht zieht.
Johannes Hano ist Leiter des ZDF-Studios New York und war langjähriger Leiter des ZDF-Studios Ostasien in Peking und Tokio.
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