: Autobahnausbau und Klimaschutz - geht das?

03.03.2023 | 19:46 Uhr
FDP-Verkehrsminister Wissing will Autobahnen ausbauen, obwohl bereits jetzt Klimaziele verfehlt werden. Eine Aktivistin, ein FDP-Politiker und eine Verkehrsexpertin im Gespräch.
Zehntausende Menschen haben in Deutschland und anderen Staaten weltweit für mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Klimakrise demonstriert. Auch im Verkehrssektor fordern die Klimaschützer mehr Engagement. Zeitgleich rechnet FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit mehr Verkehr auf den Straßen - und fordert den beschleunigten Ausbau von 144 Autobahn-Projekten in Deutschland.
Annika Rittmann von Fridays for Future kritisiert den Wissing-Vorstoß bei ZDFheute live. Für sie stehe fest, "es müssen weniger Autos auf den Straßen sein".
In Berlin haben Aktivisten für eine bessere Finanzierung des ÖPNV und die Einhaltung des Pariser Abkommens demonstriert:

Klimaaktivistin für attraktiveren ÖPNV

Das Auto sei das Verkehrsmittel mit der schlechtesten CO2-Bilanz, daran können auch die von der FDP vorgeschlagenen E-Fuels nur bedingt etwas verändern. Massive Prozessverluste machten die Energiebilanz von E-Fuels ineffizient.
E-Fuels sind keine Technologie die jetzt funktioniert - aber der Klimawandel ist jetzt da.
Annika Rittmann, Sprecherin von Fridays for Future
Um das umzusetzen, müsse man den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) grundlegend nachrüsten, so Rittmannn: "Kein Mensch hat Bock, morgens um sechs aufzustehen und auf einen Bus zu warten, der nicht kommt." Was es brauche, sei eine steigende Attraktivität des ÖPNV, einen Ausbau des Schienennetzes sowie Sharing-Angebote im ländlichen Raum: "So lange wir da nicht weiter kommen, steigen die Menschen nicht um."
Die FDP will Autobahnen ausbauen, die Grünen fordern das genaue Gegenteil. Ärger in der Bundesregierung:

FDP-Politiker hält an Individualverkehr fest

Lukas Köhler, der stellvertretende Fraktionschef der FDP hingegen setzt weiterhin auf Individualverkehr. Diesen müsse man nicht reduzieren, sondern ihn CO2-neutral gestalten. Das könne über zwei Wege gehen: "Entweder über E-Fuels oder über E-Mobilität. Beide Wege sind für uns total akzeptabel", so Köhler. Der Ausbau von Autobahnen sei daher sinnvoll.
Individualverkehr ist völlig legitim, er muss nur klimaneutral werden.
Lukas Köhler, stellvertretender Fraktionschef der FDP
Autobahnen unterstützten auch beim Ausbau Erneuerbarer Energien, so Köhler: "Wir brauchen auch mehr LKW, wenn wir uns zum Beispiel die Ziele bei den Erneuerbaren anschauen. Es müssen ja auch Windkraftflügel über Autobahnen und Straßen transportiert werden."
Man wolle beim Klimaschutz jedoch nicht nur "an einer Stellschraube drehen" - zusätzlich zur Transformation des Individualverkehrs spricht auch der FDP-Politiker sich für einen Ausbau des ÖPNV aus. Essenziell seien zudem vor allem Emissionshandelssysteme auf europäischer Ebene - damit funktioniere die Reduktion von Emissionen "am besten".
Grün, teuer, ineffizient? Was E-Fuels leisten können - und was nicht:

Verkehrs-Expertin: Flüssiger Verkehr kann Klima entlasten

"Die Welt ist nicht schwarz-weiß in dem Kontext", sagt Verkehrsforscherin Prof. Meike Jipp vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Für einen Autobahnausbau spreche, dass sogenannte "Bottlenecks", also hohe Auslastungen an bestimmten Stellen - etwa Staus - durchaus auch für erhöhten CO2-Ausstoß sorgten: "Ein flüssiger Verkehr auf den Straßen ist ein Verkehr, der weniger CO2 produziert", so Jipp.
Trotzdem spricht sich die Expertin gegen ein "weiter so" in der Verkehrspolitik aus: Die CO2-Verbrauche seien im Vergleich zum Jahr 1990 "nahezu konstant", so Jipp - die gesetzlich verankterten Klimaziele sehen jedoch eine Halbierung der Werte bis 2030 vor. Die "Abbruchkante", die es in der Emissionsstatistik brauche, werde sieben Jahre vor Ablauf des Ziels "immer schärfer". Das mache es immer schwieriger, diese Ziele zu erreichen.
"Ich fühle bei Ihnen diese Dringlichkeit nicht" - Wie wichtig ist die Klimakrise für die FDP? FDP-Politiker Dürr bei Markus Lanz:

03.03.2023 | 01:29 min

Wissenschaftlerin: Menschen vom ÖPNV überzeugen

Was es brauche, sei ein flächendeckender und schnellerer ÖPNV, so Jipp. Mit dem ÖPNV brauche ein Mensch im Schnitt dreimal so lange von der Haustür zu seinem Arbeitsplatz wie mit dem Auto. Um Menschen zum Wechsel auf öffentlichen Nahverkehr zu überzeugen, müsse man diesen an den Stellschrauben "Zeit, Geld und Komfort" attraktiver gestalten.
Ebenfalls denkbar sei, das Auto "unkomfortabler" zu machen - insbesondere in den Städten. Stadtplanung müsse vorsehen, dass Menschen auf "kurzen und schönen Wegen" ihren täglichen Bedarf decken könnten.
Quelle: ZDF, dpa

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