: Leyen: Gewinne von Stromerzeugern abschöpfen

14.09.2022 | 17:16 Uhr
Sondergewinne von Stromerzeugern in der EU sollen abgeschöpft und umverteilt werden. Kommissionspräsidentin von der Leyen rechnet mit einem Erlös von 140 Milliarden Euro.

Kommissionspräsidentin von der Leyen beschwört die europäische Solidarität mit der Ukraine und verspricht den Mitgliedstaaten Entlastungen in der Energiekrise.

14.09.2022 | 02:47 min
Zur Entlastung der Verbraucher sollen übermäßige Gewinne von Energiefirmen in der EU künftig abgeschöpft und umverteilt werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte im Straßburger Europaparlament einen Gesetzesvorschlag gegen die hohen Energiepreise an, der sowohl Produzenten von erneuerbarem Strom als auch Gas- und Ölkonzerne treffen würde.
Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedsstaaten bringen, um die Not unmittelbar abzufedern.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin
Der Vorschlag sieht laut von der Leyen vor, dass übermäßige Gewinne vieler Stromproduzenten an Verbraucher verteilt werden sollen, um sie bei den hohen Kosten zu entlasten.

Mit Robin-Hood-Prinzip gegen horrende Energiepreise

EU-Gesetzesvorschlag gegen horrende Energiepreise

Verbraucher in ganz Europa ächzen derzeit unter hohen Energiepreisen. Die EU-Kommission will Bürger und Firmen entlasten und hat dafür einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Lesen Sie hier Details:

Was plant die EU-Kommission?

Die EU-Kommission sieht eine Art Robin-Hood-Prinzip vor: Die EU-Staaten sollen übermäßige Gewinne von Energiekonzernen abschöpfen können, die mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zusammenhängen. Diese Einnahmen könnten die Regierungen dann an bedürftige Haushalte und Unternehmen weiterleiten. Laut von der Leyen geht es um rund 140 Milliarden Euro. Das Geld werde "denjenigen zugute kommen, die es am meisten brauchen".

Was ist neu an dem Vorschlag?

Die EU-Kommission will den Vorschlag in Gesetzesform gießen und damit für alle Mitgliedsstaaten verbindlich machen. Geplant ist eine Verordnung, die in allen EU-Ländern unmittelbar gelten würde. Sie könnte also bereits diesen Winter greifen, wenn die Mitgliedsstaaten sie wie geplant Ende September verabschieden. Die Maßnahme soll zeitlich befristet sein.

Welche Energie-Erzeuger sind betroffen?

Abgeschöpft werden sollen laut dem Verordnungsentwurf übermäßige Gewinne bestimmter Energie-Unternehmen, die Strom vergleichsweise günstig aus Wind- und Solarenergie, Kernkraft oder Braunkohle produzieren. Sie profitieren von den extrem hohen Gaspreisen, denn in Europa orientiert sich der Strompreis an der teuersten Quelle, und die ist derzeit Gas.

Der Gewinn dieser Erzeuger soll laut EU-Kommission bei 180 Euro pro Megawattstunde Strom gedeckelt werden, alles darüber können die Mitgliedsländer eintreiben. Der Marktpreis schwankte zuletzt um die 400 Euro pro Megawattstunde.

Wie reagiert Deutschland auf den Vorstoß?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßt die Kommissionspläne. Er sagte bereits am Dienstag in Berlin, Brüssel habe "ziemlich genau den gleichen Vorschlag" wie die Bundesregierung unterbreitet. Auch die Ampel-Koalition will die Sondergewinne von Stromerzeugern zur Unterstützung ärmerer Haushalte und Unternehmen umleiten.

Was ist mit Öl-, Gas- und Treibstoffkonzernen?

In diesem Punkt geht die EU-Kommission über die deutschen Pläne hinaus. Für solche Konzerne soll es eine verpflichtende "Solidaritätsabgabe" geben, die ebenfalls zeitlich befristet ist. Nach Kommissionsangaben sollen etwa Mineralölkonzerne im laufenden Jahr "übermäßige Gewinne" abgeben müssen, wenn sie mindestens 20 Prozent über dem Schnitt der vergangenen drei Jahre liegen. Auch dieses Geld soll von den Mitgliedsländern an die Verbraucher weitergegeben werden.

Welche Rolle spielt das Energiesparen?

Eine große Rolle. Die EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten eine Stromspar-Pflicht vorschreiben. Damit soll der nationale Energieverbrauch um mindestens fünf Prozent zu Spitzenzeiten sinken. Ziel ist, die Energiemärkte zu beruhigen und die Preise zu senken, wie es in dem Brüsseler Vorschlag heißt. Auf freiwilliger Basis sollen die EU-Länder die Stromnachfrage bis Ende März 2023 sogar um zehn Prozent senken.

Wie geht es nun weiter?

Am 30. September kommen die EU-Energieminister zusammen, um über die Vorschläge zu beraten. Für einen Beschluss ist eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten nötig - das heißt, der Verordnung müssten mindestens 15 der 27 EU-Länder zustimmen, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung umfassen. Das Europaparlament bleibt bei dem gewählten Rechtsakt außen vor. In der Volksvertretung stößt das auf scharfe Kritik.

Quelle: AFP

Bundesregierung unterstützt EU-Pläne

Der Strompreis wird derzeit vom hohen Gaspreis getrieben und auch Produzenten von billigerem Strom - etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle - können diesen zu den hohen Preisen verkaufen. Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, sollen einen Teil dieser Gewinne abgeben.

Beim Deutschen Arbeitgebertag war der Ruf nach rascher Staatshilfe wegen hoher Energiekosten unüberhörbar. Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck sagen Hilfe zu.

13.09.2022 | 02:58 min
Die Einnahmen von Unternehmen, die Strom aus anderen Quellen als Gas produzieren, sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig ab 180 Euro je Megawattstunde eingezogen und an belastete Verbraucher umverteilt werden. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf präsentierten EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans und die EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Die Bundesregierung hat ähnliche Maßnahmen unterstützt.

Von der Leyen: Nicht vom Krieg profitieren

Gewinne seien in der Sozialen Marktwirtschaft nichts Schlechtes, sagte von der Leyen.
Aber in diesen Zeiten ist es falsch, außerordentliche Rekordeinnahmen und Gewinne zu erzielen und vom Krieg zu profitieren.
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin
Profite müssten geteilt werden und auch denjenigen zugute kommen, die sie am dringendsten benötigten.
Aber auch Gas- und Ölkonzerne sollten ihren Beitrag über eine Krisenabgabe leisten, so von der Leyen. Laut dem Entwurf sollen sie auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lagen, eine Solidaritätsabgabe von 33 Prozent zahlen.
Die komplette Rede von Ursula von der Leyen sowie die Aussprache:

In Europa tobt Krieg, hohe Energiepreise setzen Wirtschaft und Verbrauchern zu. Wie steuert die EU durch die kommenden Monate? Antworten will die Chefin der Europäischen Kommission im EU-Parlament geben.

14.09.2022 | 145:11 min
Von der Leyen kündigte zudem Maßnahmen an, um den Stromverbrauch der EU-Länder insgesamt zu senken. Laut dem Entwurf soll der Stromverbrauch zu Spitzenzeiten verpflichtend um mindestens fünf Prozent gesenkt werden. Dafür sollen die EU-Länder Anreize schaffen. Insgesamt sollten die EU-Länder ihren Stromverbrauch freiwillig um zehn Prozent senken.
Die EU-Energieminister hatten die Kommission vergangenen Freitag auch dazu aufgefordert, Vorschläge für einen Preisdeckel für Gas sowie für Liquiditätshilfen für Energieversorger vorzulegen.

Reform des Strommarkts geplant

Von der Leyen kündigte an, dass man Maßnahmen entwickeln werde, die die Besonderheiten der Beziehungen zu Lieferanten berücksichtigten. Zu dem zweiten Punkt sagte sie, dass der Rahmen für staatliche Beihilfen im Oktober geändert werde, um Garantien zu ermöglichen. Auch an einer langfristigen Reform des Strommarktes werde gearbeitet.
Russland nutze Energie als Waffe, dadurch seien Haushalte und Unternehmen mit immer höheren Rechnungen konfrontiert, sagte Timmermans in Straßburg.
Das dem Markt zu überlassen, würde bedeuten, die ärmsten Verbraucher zu verdrängen und Unternehmen an den Rande des Ruins zu treiben.
Frans Timmermans, EU-Vizekommissionspräsident
In dieser beispiellosen Situation seien beispiellose Lösungen notwendig, sagte Timmermans. Erwartet wird in Brüssel, dass Deutschland besonders viel Geld abschöpfen kann. Dieses Geld sollte Berlin nach Vorstellung der EU-Kommission mit Staaten wie Malta, Zypern oder Litauen teilen. Vizekommissionspräsident Frans Timmermans sagte: "Wenn einige Mitgliedsländer mehr profitieren als andere, sollten sie sich solidarisch zeigen."

Gas-Preisdeckel fehlt im EU-Vorschlag

Die EU-Länder hatten die EU-Kommission vergangene Woche dazu aufgefordert, Vorschläge für einen Gas-Preisdeckel vorzulegen - dieser fehlt im nun präsentierten Vorschlag.
Länder wie Italien und Belgien fordern einen Maximalpreis für russisches und anderes importiertes Gas. Länder wie Ungarn sind jedoch stark von russischem Gas abhängig. Budapest lehnt eine solche Preisobergrenze ab. Für den Fall eines Gaspreisdeckels wird befürchtet, dass Russland dann gar nicht mehr liefern würde und auch andere Lieferanten ihr Gas lieber anderswo verkaufen würden.
Die Minister treffen sich am 30. September erneut in Brüssel um dann über die Gesetzesvorschläge der EU-Kommission zu entscheiden.
Quelle: dpa, AP, AFP

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