: Zahlungsverkehr: USA erhöhen Druck auf Moskau
24.05.2022 | 22:38 Uhr
Die USA streichen eine Sanktions-Ausnahmeregel für Moskau, Schulden in Dollar zu bezahlen. Rund 600 ukrainische Kliniken sind beschädigt, Außenminister Kuleba will rascher Waffen. Das Wichtigste in Kürze
- EU erlässt der Ukraine für ein Jahr die Einfuhrzölle
- Schwere Kämpfe im Osten der Ukraine
- 20 Länder kündigen weitere Waffenlieferungen an
- Pro-russische Behörden wollen Militärstützpunkt in Cherson
- Mariupol: Etwa 200 Leichen unter Trümmern gefunden
Anmerkung der Redaktion
Angaben zum Verlauf des Krieges oder zu Opferzahlen durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Seite können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Wir fassen für Sie im Folgenden die wichtigsten Entwicklungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammen. Weitere News-Updates zur Lage und zu Reaktionen erhalten Sie jederzeit auch in unserem Liveblog zu Russlands Angriff auf die Ukraine.
Die Lage an Tag 90:
- Die USA beenden an diesem Mittwoch die letzte Möglichkeit Russlands, seine Milliardenschulden an ausländische Investoren zurückzuzahlen. In einer Mitteilung des US-Finanzministeriums hieß es, eine Lizenz, die Russland weiterhin die Bezahlung seiner Gläubiger über US-Banken erlaubt, werde nicht verlängert. Russland könnte damit seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Mit der ersten Runde der Sanktionen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gab das US-Finanzministerium Banken die Genehmigung, Anleihezahlungen aus Russland zu bearbeiten. Dieses Zeitfenster schließt sich am 25. Mai um Mitternacht.
- Angesichts der schweren russischen Angriffe im Osten hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schnellere Militärhilfen des Westens gefordert. "Die russische Offensive im Donbass ist eine erbarmungslose Schlacht, die größte auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg", schrieb er auf Twitter. Sein Land benötige insbesondere schnell Mehrfachraketenwerfer und Langstreckenartillerie.
- Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den russischen Truppen blinde Zerstörungswut vorgeworfen. Russland führe einen "totalen Krieg" gegen sein Land, erklärte er in seiner Videoansprache ans Volk. Moskau gehe es darum, so viele Menschen in der Ukraine zu töten und so viel Infrastruktur zu zerstören wie nur möglich. Seit Beginn des Kriegs am 24. Februar habe die russische Armee 1.474 Raketenangriffe auf sein Land ausgeführt.
- Russland strebt im Donbass ukrainischen Angaben zufolge weiter die vollständige Eroberung des Gebiets Luhansk an. Vor allem werde versucht, die strategisch wichtigen Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einzukreisen, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstag mit.
- Im Gebiet Donezk haben russische Truppen nach Angaben beider Seiten die Kleinstadt Switlodarsk erobert. Der Chef der kommunalen Militärverwaltung, Serhij Hoschko, bestätigte am Dienstag entsprechende Angaben der prorussischen Separatisten. Nahe Switlodarsk befindet sich das größte Kohlekraftwerk der Ukraine. Nach Angaben des Regional-Gouverneurs Pawlo Kyrylenko seien zwei weitere Ortschaften eingenommen worden.
Wie zuverlässig sind Angaben aus dem Ukraine-Krieg?
Viele Informationen, die uns aus dem Ukraine-Krieg erreichen, kommen von offiziellen russischen oder ukrainischen Stellen - also von den Konfliktparteien selbst. Solche Informationen sind deshalb nicht notwendigerweise falsch, aber zunächst nicht von unabhängigen Stellen überprüft. Eine solche Überprüfung ist wegen des Kriegsgeschehens oft nicht oder zumindest nicht unmittelbar möglich. Das ZDF trägt dieser Situation Rechnung, indem es Quellen nennt und Unsicherheiten sprachlich deutlich macht.
Zudem greifen die Informationsangebote des ZDF in ihrer Berichterstattung auf viele weitere Quellen zurück: Sie berichten mit Reportern von vor Ort, befragen Experten oder verweisen auf Recherchen anderer Medien. Zudem verifiziert ein Faktencheck-Team kursierende Aufnahmen und Informationen.
Warum werden dennoch Aussagen der Konfliktparteien zitiert?
Das ZDF ist in seiner Berichterstattung dem Grundsatz der Ausgewogenheit verpflichtet. Dazu gehört, grundsätzlich beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gleichzeitig sehen wir es als unsere Aufgabe an, Aussagen auf Grundlage der vorliegenden Informationen einzuordnen und darüber hinaus - beispielsweise in Faktenchecks - Propaganda auch als solche zu entlarven und kenntlich zu machen.
Warum ist häufig von "mutmaßlich" die Rede?
Die Sorgfalt und Ausgewogenheit, denen das ZDF verpflichtet ist, beinhalten auch, sachliche Unwägbarkeiten transparent zu machen und Vorverurteilungen zu vermeiden. Ist ein Sachverhalt nicht eindeutig bewiesen, muss diese Unsicherheit offengelegt werden. Das geschieht in der Regel durch Formulierungen wie "mutmaßlich" oder "offenbar". Damit wird klar, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon ausgegangen wird, dass sich ein Ereignis so zugetragen hat wie dargestellt, die letzte Gewissheit allerdings (noch) fehlt.
Das gilt zum Beispiel auch bei der Berichterstattung über Gerichtsprozesse: Eine Person gilt so lange als "mutmaßlicher Täter", bis ein Gericht ein rechtskräftiges Urteil gesprochen hat.
Die Situation in den ukrainischen Städten:
- Nach ukrainischen Angaben sind durch die russischen Angriffe bereits rund 600 Krankenhäuser zerstört oder beschädigt worden. Etwa 100 Kliniken könnten nicht wieder aufgebaut werden, sagte das Vorstandsmitglied des ukrainischen Ärzteverbandes, Andrij Basylewytsch, beim Deutschen Ärztetag in Bremen. Viele Medizinerinnen und Mediziner seien getötet oder verwundet worden. Die medizinische Betreuung sei stark beeinträchtigt.
- In Mariupol sind laut Stadtverwaltung etwa 200 Leichen unter Trümmern gefunden worden. Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol, Petro Andrjuschtschenko, sagte, die Toten seien im Keller eines eingestürzten Wohngebäudes gefunden worden. Der Verwesungsgeruch sei durch die Nachbarschaft gezogen.
- Die pro-russischen Behörden in der besetzten Region Cherson dringen nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA auf einen Militärstützpunkt. "Es sollte einen russischen Militärstützpunkt in der Region Cherson geben", zitiert RIA den stellvertretenden Leiter der "zivil-militärischen Regionalverwaltung", Kirill Stremousow.
- Durch Raketenangriffe im Osten der Ukraine ist nach ukrainischen Angaben am Montag Infrastruktur der Eisenbahn zerstört worden. Bei vier Raketeneinschlägen im Gebiet Dnipro seien Gleise sowie die Oberleitungen schwer beschädigt worden, teilte Gouverneur Walentyn Resnitschenko auf Telegram mit.
Reaktionen und Folgen des russischen Angriffs:
- Der polnische Präsident Andrzej Duda hat der Bundesregierung vorgeworfen, beim Ringtausch von Panzern ihre Zusagen nicht einzuhalten. Die Regierung in Berlin habe Polen Leopard-Panzerversprochen, um die von seinem Land an die Ukraine gelieferten polnischen Bestandspanzer zu ersetzen, sagte Duda dem Fernsehsender Welt. "Sie haben dieses Versprechen nicht erfüllt. Und offen gesagt: Wir sind sehr enttäuscht darüber." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte, man stehe in Kontakt mit Polen zu dem Thema. Klar sei, "dass wir gerade schweres Material nicht per Knopfdruck" liefern können, sagte sie nach einem Treffen mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau in Berlin. Rau sagte, es gebe den Willen, das Problem zu lösen.
- Beim zweiten Treffen der westlichen Ukraine-Kontaktgruppe haben nach US-Angaben 20 Staaten weitere Waffenlieferungen oder andere Hilfen an die Ukraine zugesagt. "Viele Länder spenden dringend benötigte Artilleriemunition, Küstenverteidigungssysteme, Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge", sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Montag nach dem virtuellen Treffen.
- Die EU erlässt der Ukraine für vorerst ein Jahr die Einfuhrzölle. Die Mitgliedsländer besiegelten am Dienstag einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, wie der EU-Rat mitteilte. Das Europaparlament hatte sich bereits vor knapp einer Woche dafür ausgesprochen. Die Aufhebung der Einfuhrzölle betrifft vor allem ukrainische Industrieprodukte, Obst und Gemüse sowie andere Agrarerzeugnisse. Die EU will mit diesem Schritt Exporte aus der Ukraine unterstützen und die Lage der dortigen Produzenten verbessern.
- Die EU hat die Militärhilfe für die Ukraine auf zwei Milliarden Euro aufgestockt. Wie der EU-Rat mitteilte, wurde dazu der noch ausstehende Beschluss gefasst. Die politische Einigung auf weitere 500 Millionen gab es bereits Mitte des Monats bei einem Treffen der EU-Außenminister. Von dem zusätzlichen Geld sollen 490 Millionen für Waffen und Munition sowie zehn Millionen für Dinge wie Schutzausrüstung, Erste-Hilfe-Kits und Treibstoff ausgegeben werden.
- Deutschland unterstützt die Ukraine mit einem Hilfskredit in Höhe von 150 Millionen Euro. Im Auftrag der Bundesregierung unterzeichnete die staatliche Förderbank KfW den Kreditvertrag mit dem ukrainischen Finanzministerium, wie die KfW Bankengruppe in Frankfurt mitteilt. Es handele es sich um einen weiteren ungebundenen Finanzkredit der Bundesregierung
- Der ungarische Regierungschef Viktor Orban blockiertweiter das geplante Öl-Embargo der EU gegen Russland. Es sei "sehr unwahrscheinlich, dass vor dem Sondergipfel des Europäischen Rates am 30. und 31. Mai eine umfassende Lösung gefunden werden kann", schrieb Orban in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel.
- Die EU-Kommission will es ermöglichen, eingefrorenes russisches Geld für den Wiederaufbau der Ukraine zu beschlagnahmen. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag legt die Brüsseler Behörde am Mittwoch vor. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte: "Wir sollten dafür jeden Stein umdrehen - wenn möglich auch russische Vermögenswerte, die wir eingefroren haben." Möglich werden soll dies durch einen Vorschlag an die EU-Staaten, die Umgehung von Sanktionen in die Liste der EU-Verbrechen aufzunehmen. Zugleich will die EU-Kommission eine Reform des EU-Rechts für die Konfiszierung und Wiedererlangung von Vermögenswerten vorschlagen.
- Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind in Griechenland gut 30.000 ukrainische Flüchtlinge eingetroffen Darunter seien 7.715 Minderjährige, wie das Bürgerschutzministerium am Dienstag mitteilte. Zudem sind im EU-Land Zypern nach Berichten des staatlichen zyprischen Rundfunks 15.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen worden. In beiden Ländern erhalten die Menschen im Schnellverfahren für die folgenden zwölf Monate eine Sozialversicherungs- und Steuernummer sowie eine Arbeitserlaubnis.
Ukraine: Hier können Sie spenden
Wenn Sie helfen wollen, können Sie das durch eine Spende tun. Alle Informationen hierzu im Überblick.
Wie arbeitet das Aktionsbündnis?
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Das passierte an Tag 89:
Russland hat die Heinrich-Böll-Stiftung als "unerwünscht" eingestuft, ein russischer Diplomat ist zurückgetreten, Polen hat einen Gasliefervertrag mit Russland gekündigt. Die Lage an Tag 89:
Quelle: dpa, AFP, Reuters, AP, ZDF