: Der Einfluss der Wagner-Gruppe in Russland

31.12.2022 | 13:13 Uhr
Der Chef der Söldnergruppe "Wagner", Jewgeni Prigoschin, wird in Russland gefürchtet. Mittlerweile tritt er immer öffentlicher auf. Welche Ambitionen hat er?
Welche Ambitionen hat der Chef der "Wagner"-Gruppe, Jewgeni Prigoschin?Quelle: dpa
Vor dem Start ins neue Kriegsjahr in der Ukraine tritt der Russe Jewgeni Prigoschin als Chef der Söldnergruppe "Wagner" immer selbstbewusster auf. Mal zeigt sich der 61-Jährige im Kriegsgebiet, mal kritisiert er die russische Militärführung. Und Kremlchef Wladimir Putin lässt ihn schalten und walten, als hätte diese Schattenarmee, eine paramilitärische Organisation mit vielen verurteilten Verbrechern, längst das Zepter der Macht in der Hand.
Dabei behauptete Putin in der Vergangenheit sogar, der russische Staat habe gar nichts zu tun mit der "Wagner"-Gruppe.

Prigoschin äußert sich öffentlich - Kreml schaut zu

Bekannt ist der Chef des Firmenimperiums Concord aber nicht zuletzt wegen seiner auf Desinformation spezialisierten Internet-Trollfabrik, mit der er sich in die US-Präsidentenwahl eingemischt haben soll. Deshalb haben US-Ermittler vom FBI ein Kopfgeld auf seine Ergreifung ausgesetzt.

Woher kennen sich Putin und Prigoschin?

Putin und Prigoschin kennen sich lange. Als der Ex-KGB-Offizier Putin noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb trägt der in den chaotischen 1990er-Jahren in Russland zu Reichtum gekommene Geschäftsmann, der auch schon wegen Raubes in Haft saß, den Beinamen "Putins Koch".
Lange mied Prigoschin die Öffentlichkeit - vor allem als seine Söldnertruppe schon 2014 nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Donbass aktiv wurde. Doch je länger die am 24. Februar von Putin begonnene Invasion in die Ukraine dauert, desto offensiver tritt der von Kiew als Kriegsverbrecher verfolgte Warlord auf.

Die Verbrechen der "Gruppe Wagner".

03.05.2022 | 08:30 min
In Russlands Straflagern ging der oft per Hubschrauber reisende Prigoschin ein und aus, um dort Verurteilte in den Krieg zu locken - mit dem Versprechen, sie bekämen nach Ende ihres Dienstes die Reststrafe erlassen. Prigoschin konnte eigenmächtig und ohne Rechtsgrundlage agieren. Der Kreml schaute zu.

Prigoschin kritisiert russische Kriegsführung

Auch Russlands Justiz fürchtet seit Langem den Einfluss des unantastbaren Putin-Vertrauten. Längst agiert Prigoschins Armee wie eine eigene Machtstruktur in Russland. Der Geschäftsmann teilte im Nachrichtendienst Telegram mit:
Ich kann sagen, dass die private Militärfirma "Wagner" heute eine der entscheidendsten Rollen in der Zone der militärischen Spezialoperation spielt.
Jewgeni Prigoschin
Dort betont er auch, dass er zur Kritik etwa am russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow stehe. Er habe "Wagner" gegründet und steuere die Söldner, damit Russland erfolgreich sei in dem Krieg.

Die Söldnergruppe "Wagner"

Die Söldnergruppe "Wagner" wird von Jewgeni Prigoschin angeführt. Neben der Ukraine soll es auch in Syrien, in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan, in Somalia und in Mali "Wagner"-Einsätze geben. Wagner-Leute werden der Tötung, Vergewaltigung und Folter von Menschen verdächtigt - auch in den Vororten von Kiew im Ukraine-Krieg. In Afrika bringen Experten Prigoschin mit Gold- und Diamantenminen in Verbindung.
Fast täglich kommentiert Putins Mann fürs Grobe das Kriegsgeschehen. Er widerspricht etwa dem Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, John Kirby, dass Russland aus Nordkorea Waffen erhalte für den Krieg. Vielmehr kaufe "Wagner" heute ungeachtet von Washingtons Sanktionen selbst jede Menge US-Waffen, meinte er.

Recherchenetzwerk: Prigoschin sei "korruptes Individuum"

Das internationale OCCRP-Recherchenetzwerk zur Organisierten Kriminalität und zu Korruption wählte den Mann mit Glatze gerade zur "Person des Jahres".
Er ist kein nationaler Anführer, sondern ein korruptes Individuum, das in der Lage ist, Terror und massive Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Teilen der Welt anzustiften.
Louise Shelley, Jurorin OCCRP-Recherchenetzwerk
Prigoschin verkörpere die dunkelste Seite Russlands, heißt es in dem OCCRP-Bericht. "Er ist ein Soldat der Korruption", sagte der Investigativ-Journalist und OCCRP-Mitbegründer Drew Sullivan.
Er kämpft und tötet, um Korruption zu installieren. "Wagner" ist nichts als eine von der russischen Regierung genehmigte Gruppe des organisierten Verbrechens.
Drew Sullivan, OCCRP-Mitbegründer

Wird Prigoschin an die Stelle Putins treten?

Experten sehen Prigoschins wachsenden Einfluss nicht zuletzt als ein Anzeichen für einen Kontrollverlust Putins, der als Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte letztlich auch für die Vielzahl an Niederlagen in dem Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht wird. Aber käme Prigoschin auch als ein möglicher Nachfolger Putins und neuer starker Mann in Moskau infrage, wie manche inzwischen meinen?
Der Politologe Abbas Galljamow meint zwar, dass der "Koch des Präsidenten" hoch im Kurs stehe, während alle in Moskau - einschließlich Putin - an Zustimmung eingebüßt hätten.
Es sieht jetzt so aus, als halte sich das Regime vor allem dank Prigoschin.
Abbas Galljamow, Politologe
Auch wegen seiner aktiven Medienarbeit könne der Eindruck entstehen, Prigoschin könne an die Stelle Putins treten. In gut einem Jahr ist Präsidentenwahl in Russland. Galljamow sieht aber für ihn keine Chancen. Die Angst vor einem allmächtigen Prigoschin schweiße die Eliten Russlands zusammen. Galljamow ist überzeugt, dass sie einen Präsidenten Prigoschin zu verhindern wissen.
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Quelle: Ulf Mauder, dpa

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