: Ex-Kanzler Kurz zieht sich aus Politik zurück
02.12.2021 | 13:12 Uhr
Der österreichische Ex-Kanzler und derzeitige ÖVP-Chef Sebastian Kurz zieht sich vollständig aus der Politik zurück. "Für mich beginnt nun ein neues Kapitel", sagte der 35-Jährige.
Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz will sich komplett aus der Politik zurückziehen – die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Falschaussage und des Verdachts der Untreue.
02.12.2021 | 01:57 minKnapp zwei Monate nach seinem Rücktritt als österreichischer Bundeskanzler zieht sich Sebastian Kurz vollständig aus der Politik zurück. Er nehme "heute den Abschied aus der Politik", sagte Kurz am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Seine Ämter als Vorsitzender der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und als Fraktionschef werde er am Freitag abgeben. "Für mich beginnt ein neues Kapitel, das ich heute aufschlagen darf."
In seiner Erklärung blickte er auf zehn Jahre politische Tätigkeit zurück und zeigte sich "extrem dankbar" für seine Wegbegleiter, Minister und sein Team. Er habe mit seinen Positionen und seiner Politik "Zustimmung und Ablehnung ausgelöst", aber das sei wichtig in einer liberalen Demokratie. Die Debatten habe er immer sehr geschätzt.
"Weder Heiliger noch Verbrecher"
Über seine eigene Rolle sagte er: "Man muss jeden Tag so viele Entscheidungen treffen, da waren auch falsche dabei." Er sei weder "Heiliger noch Verbrecher" und wolle nicht behaupten, immer das Richtige getan zu haben, aber:
Die Vorwürfe gegen meine Person sind schlichtweg falsch.
Er verwies darauf, dass die Arbeit in der Politik ein "stetiges Wechselbad der Gefühle" sei, und man dafür immer 100 Prozent Begeisterung haben müsse.
Die Korruptionsvorwürfe gegen ihn hätten seine Leidenschaft für die Politik aber geschmälert, und die Geburt seines Sohnes vor wenigen Tagen habe ihm gezeigt, dass es Wichtigeres im Leben gebe, begründete er seinen Schritt. Die ständigen Anschuldigungen seien kraftraubend und zehrend gewesen.
Sie haben in mir meine Flamme etwas kleiner werden lassen.
Er habe oft das Gefühl gehabt, "gejagt zu werden".
Nun, mit seinem Abschied aus der Politik, freue er sich auf die "Zeit mit meinem Kind und meiner Familie, bevor ich mich im neuen Jahr neuen beruflichen Aufgaben widmen werde". Für Ex-Kanzler Kurz soll ein Top-Job in der Privatwirtschaft winken, schreibt die "Kronen-Zeitung".
Seine derzeitige Rolle als Chef der konservativen ÖVP solle Innenminister Karl Nehammer übernehmen.
Korruptionsvorwürfe und Ibiza-Affäre
Gegen den 35-Jährigen ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss und wegen des Verdachts der Untreue.
Kurz und seine politischen Mitstreiter sollen seinen Aufstieg an die Regierungsspitze unter anderem mit mit Hilfe von Steuergeldern befördert haben.
Kurz, der politische "Superstar" Österreichs
Kurz galt lange Zeit als politischer Superstar der Konservativen in Europa. Er startete seine politische Karriere auf Bundesebene 2011 als Staatssekretär für Integration. Mit 27 Jahren wurde er 2014 jüngster Außenminister in der Geschichte Österreichs. 2017 gelang ihm der Sprung an die Regierungsspitze. Kurz wurde Kanzler einer Regierungskoalition aus ÖVP und rechter FPÖ.
Für die Beteiligung der Rechtspopulisten an der Regierung wurde Kurz vielfach kritisiert.
Der Tiefpunkt: Hausdurchsuchungen und Rücktritt als Regierungschef
Nach dem Ende der Koalition in Folge der Ibiza-Affäre kam es zu Neuwahlen. Seit Anfang 2020 war Kurz Kanzler eines Bündnisses von ÖVP und Grünen. Zu seinen politischen Markenzeichen gehörte seine große Bürgernähe und sein vehementes Eintreten für eine restriktive Migrationspolitik. Seine politische Kommunikation war geprägt von sehr klaren Ansagen.
Jahrelang war Kurz außerordentlich populär. Seit die Staatsanwaltschaft im Mai Ermittlungen gegen Kurz aufnahm, begann sein politischer Stern zu sinken. Vorläufiger Tiefpunkt waren Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und in der ÖVP-Zentrale im Oktober, nach denen Kurz als Regierungschef zurücktrat.
Quelle: AFP, dpa, Reuters