Interview
: Wissler: Linke wird in Krise gebraucht
14.09.2022 | 23:14 Uhr
Die Linke stürzt in neue Turbulenzen, prominente Politiker treten aus. Die Partei werde gebraucht, sagt Linken-Chefin Wissler im ZDF. Um deren Zukunft mache sie sich keine Sorgen.
Die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, im ZDF heute journal - das ganze Interview.
14.09.2022 | 06:06 minDie Linkspartei kämpft nicht nur mit schlechten Wahlergebnissen, sondern auch mit Streit in den eigenen Reihen. Jetzt bricht der Konflikt wieder offen aus.
Wegen der jüngsten Russland-Äußerungen der früheren Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht kehren zwei bekannte Linken-Gesichter der Partei den Rücken: der frühere Europa- und Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi und Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Wagenknecht hatte mit ihrer Behauptung, Deutschland führe einen "beispiellosen Wirtschaftskrieg" gegen Russland, für Empörung gesorgt.
Nach der umstrittenen "Wirtschaftskrieg"-Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag, treten zwei prominente Mitglieder aus der Partei aus. Die Furcht vor einer Spaltung wächst.
14.09.2022 | 03:11 minLinken-Chefin Janine Wissler äußert sich im ZDF heute journal zur Lage ihrer Partei. Lesen Sie das Interview hier in Auszügen:
ZDF: Frau Wagenknecht findet, dass die Parteiführung der Linkspartei nicht über ausreichende Qualitäten verfügt und fordert indirekt den Rücktritt ihres CO-Vorsitzenden Schirdewan. Was ist Ihre Reaktion darauf?
Janine Wissler: Wir haben vor zweieinhalb Monaten einen Bundesparteitag gehabt - da ist eine neue Parteispitze gewählt worden mit überzeugenden Mehrheiten. Und alle sind gehalten, sich diesen demokratischen Beschlüssen - sowohl inhaltlicher Art als auch personeller Art - verbunden zu fühlen. (...)
Wir haben eine so tiefe soziale Krise, die Gaspreise verdreifachen sich, die Menschen wissen nicht, wie sie ihre Einkäufe und Rechnungen bezahlen sollen. In einer solchen Situation hat die Linke eine Aufgabe - und zwar die Kraft der sozialen Gerechtigkeit zu sein und dafür zu kämpfen, dass Menschen nicht in die Armut abrutschen. Dafür sind wir alle gefordert - Partei und Bundestagfraktion - und dafür werden wir gebraucht.
Wir haben eine so tiefe soziale Krise, die Gaspreise verdreifachen sich, die Menschen wissen nicht, wie sie ihre Einkäufe und Rechnungen bezahlen sollen. In einer solchen Situation hat die Linke eine Aufgabe - und zwar die Kraft der sozialen Gerechtigkeit zu sein und dafür zu kämpfen, dass Menschen nicht in die Armut abrutschen. Dafür sind wir alle gefordert - Partei und Bundestagfraktion - und dafür werden wir gebraucht.
ZDF: Sarah Wagenknecht hat ja in ihrer Bundestagsrede die gleiche Wortwahl benutzt wie Wladimir Putin, als sie vom beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland sprach. Was haben Sie gedacht, als Sie die Rede gehört haben?
Wissler: Ich halte das für ein falsches Vokabular. Es geht mir gar nicht um den Begriff des Wirtschaftskrieges, den benutzen auch andere, aber natürlich ist es eben nicht so, dass die deutsche Bundesregierung den Krieg oder den Wirtschaftskrieg vom Zaun gebrochen hat. Sondern Russland hat die Ukraine überfallen, und ich finde, das muss man schon immer wieder deutlich machen.
Ansonsten sollten wir das Hauptaugenmerk darauf legen, wie wir die sozialen Verwerfungen abfedern können. Durch eine Übergewinnsteuer, einen Gaspreisdeckel, durch direkte Hilfen und eben auch einen Anschluss ans 9-Euro-Ticket. Ich finde, das sind die zentralen Fragen, die Linke heute stark machen müssen.
Und für eine konsequente Anti-Kriegs-Partei muss gelten, wir verurteilen natürlich jeden Krieg und wir verurteilen ihn konsequent. Und das ist meine Position dazu.
ZDF: Wagen Sie eine Prognose, wie lange es die Linkspartei noch gibt?
Wissler: Ich bin der Meinung, dass wir eine Opposition links von der Ampel brauchen und dass die Linke auch da eine starke Basis hat in den kommunalen Parlamenten, in den Landesparlamenten, vor Ort in den Städten und Gemeinden. (...) Es ist dringend notwendig, dass gerade jetzt in dieser sozialen Krise die sozialpolitischen Forderungen stark gemacht werden. Und die vertreten wir und wir dürfen doch die Opposition gegen die Ampel nicht den Parteien von rechts überlassen. Dazu brauchen wir die Linke.
Dazu haben wir sehr, sehr viele Mitglieder, die genau dafür tagtäglich kämpfen, die sich engagieren in Mieter-Bündnissen, bei der Hartz-IV-Beratung, die bei der Tafel mitarbeiten oder Sozial-Bündnisse aufbauen. Diese Mitglieder, das Herzstück dieser Partei, die tragen diese Partei. Und solange wir diese großartigen, tollen Mitglieder haben, ist mir nicht bange um die Zukunft der Partei.