: Warum Wolfsburg besser ist als die Bayern

von Frank Hellmann
23.10.2022 | 07:53 Uhr
Das Gipfeltreffen der Frauen-Fußball-Bundesliga zwischen dem VfL Wolfsburg und Bayern München ist nicht nur sportlich zukunftsweisend. Es wird auch zu einer Rekordkulisse führen.
Lina Magull (l.) im Zweikampf mit Wolfsburgs Jill RoordQuelle: IMAGO / Sven Simon
Es gibt so Tage, an die möchte eine Sportlerin nicht gerne erinnert werden. Doch vergessen haben die Fußballerinnen des FC Bayern natürlich nicht, was am 3. April dieses Jahres passierte. Völlig entkräftet, der Kader nach mehreren Coronafällen ausgezehrt, kassierten die Münchnerinnen mal wieder eine Niederlage gegen den VfL Wolfsburg.
Die 0:6-Pleite am Mittellandkanal manifestierte den Tiefpunkt einer Saison, in der damals binnen weniger Tage alle Titelträume platzten. Am Ende sackte wieder der Werksklub Meisterschale und DFB-Pokal ein – auch weil er alle drei direkten Duelle gewann.

Wolfsburger Sieger-Gen

Das kann auch in dieser Saison wieder den Unterschied machen, wenn Wolfsburg und Bayern am Sonntag (14 Uhr) im Bundesliga-Gipfel aufeinandertreffen.
Dabei hat Wolfsburg jenes Sieger-Gen implantiert, das im deutschen Fußball den männlichen Bayern-Stars zugeschrieben wird. Bei den Frauen hat jedoch der VfL in den vergangenen acht Jahren 13 von 16 nationalen Titeln gewonnen - nur unterbrochen von drei Münchner Meisterschaften (2015, 2016, 2021).
Der VfL Wolfsburg feiert seine siebte MeisterschaftQuelle: IMAGO / Hübner

Bewährungsprobe für neuen Coach

Wolfsburgs Trainer Ralf Kellermann stutzte selbst ein bisschen, denn eigentlich seien beide Vereine sportlich wie wirtschaftlich längst auf Augenhöhe: "Bayern unternimmt immense Anstrengungen, sie sind mit dem Campus weit vorne und haben die Strahlkraft einer Stadt, die für junge Frauen sehr attraktiv ist." Dazu käme der Glanz der Marke FC Bayern, sagte Kellermann während einer Medienrunde.

Wolfsburg hat mehr Zuschauer im Stadion

Nach vier Spieltagen vermeldet die Bundesliga der Frauen bislang einen Schnitt von 2.270 Besuchern - fast das Dreifache der Vorsaison (811). Doch auch hier ist Wolfsburg weiter als Bayern: Dort lag die Zuschauerzahl jahrelang kaum über der 1.000er-Marke, erst jetzt war der Campus mit seinen 2.500 Plätzen zweimal vollbesetzt.

Und auch mit einem Umzug in die Arena warteten die FCB-Bosse lange: Vorstandschef Oliver Kahn verkaufte die 13.000 Fans zur Premiere gegen Paris St. Germain im Frühjahr als Meilenstein, aber für seinen Klub geht sicherlich viel mehr.

Was die Verankerung in Verein und Stadt angeht, ist die VW-Tochter weiter. Rekordbesuch bei Wolfsburgs Fußballerinnen sind 22.057 Anhänger, die am 30. April gegen den FC Barcelona kamen, als der Einzug ins Champions-League-Finale nach seinem starken Auftritt verpasst wurde.

Argumente, die längst für eine Wachablösung sprechen müssten, die aber bis heute nicht erfolgt ist - und weswegen auch Bayerns Trainer Jens Scheuer gehen musste, dem Alexander Straus gefolgt ist. Das Topspiel ist auch für den neuen Coach aus Norwegen eine Bewährungsprobe. Dauerhaft wollen Lina Magull, Lea Schüller oder Linda Dallmann nicht titellos bleiben. Das Mia-san-Mia-Leitbild gilt geschlechterübergreifend.

Wer übernimmt künftig die Spitze?

Doch der Abteilung der Frauen fehlte lange eine echte Strategie. Auch Bianca Rech vermisste einen klaren Plan, "in welche Richtung die FC Bayern-Frauen in Zukunft gehen wollen", sagte die ehemalige Nationalspielerin nach Amtsantritt als Sportliche Leiterin - und forderte bereits bei einem DFB-Workshop zum Start der Frauen-Bundesliga eine Vision ein. Die 41-Jährige arbeitet akribisch daran, Wolfsburg irgendwann von der Spitze zu verdrängen.
Warum gerade Talente im östlichen Niedersachsen schneller als in der bayrischen Landeshauptstadt funktionieren, erklärt Kellermann so: "Unser Vorteil ist ein familiäres Umfeld, keine weiten Wege." Wenn die Spielerinnen alle im Umkreis von fünf, sechs Kilometer wohnen würden, so der 54-Jährige, könnte eine Gruppendynamik leichter entstehen.

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Tatsächlich ist erstaunlich, wie geschlossen dieses Ensemble trotz aller Umbrüche und Trainerwechsel - von Kellermann zu Stephan Lerch, seit vergangenen Sommer Tommy Stroot - immer wieder auftritt.
Der VfL-Macher glaubt, dass es in dieser Spielzeit "noch mehr auf die direkten Duelle" ankommt. Denn die finanzielle Lücke zu einem Klub wie Eintracht Frankfurt, der sich anschickt, die dritte Kraft im deutschen Frauenfußball zu werden, ist (noch) beträchtlich.
Nur die beiden Champions-League-Teilnehmer leisten sich Budgets deutlich jenseits der Fünf-Millionen-Grenze und zahlen teils fünfstellige Monatsgehälter. Aktuell spielen zehn Vize-Europameisterinnen für Wolfsburg, sechs für den Vizemeister Bayern.

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Mehr als 18.000 Fans erwartet

Die EM-Spielerinnen locken eine stattliche Kulisse in die werkseigene Arena: Weit mehr als 18.000 Karten sind verkauft, das sei mitten in den Herbstferien "richtig klasse", meint Kellermann. Manche Besucher würden diesmal sogar 200, 300 Kilometer weit reisen. Wolfsburgs acht Jahre alter Bestwert für ein Liga-Heimspiel von 12.464 Fans am Elsterweg wird beim Umzug in die Heimstätte der VfL-Männer pulverisiert.
Wolfsburgs Svenja Huth schreibt beim Auswärtsspiel in Sinnsheim Autogramme.Quelle: IMAGO / Eibner
Kürzlich im Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim in Sinsheim hatten sich sogar 5.000 Menschen erhoben, um der kurz vor Schluss ausgewechselten Svenja Huth zu applaudieren. Solche Momente machen Mut, dass der Weg mit vermehrten Highlight-Spielen der richtige ist. Und wenn nicht die Paarung Wolfsburg gegen Bayern in einer großen Arena stattfindet, welches Spiel denn sonst?

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