: "Will gewinnen - auch gegen mein Patenkind"

von Andreas Morbach
16.10.2022 | 05:26 Uhr
Es hat etwas gedauert, bis die Fußballerkarriere von Jonas Hofmann Fahrt aufnahm. Doch nun steht der 30-Jährige vor der Berufung in den WM-Kader - und verfolgt ehrgeizige Ziele.
Einige Jahre lang hatten die Eltern von Jonas Hofmann das dreigleisige Sportprogramm ihres Sohnes wohlwollend begleitet, doch kurz vor dessen 12. Geburtstag drängten sie ihren Jungen zu einer Vorentscheidung: Aus seinem prallen Repertoire - Handball, Fußball und Golf - sollte er eine Disziplin streichen.

Rasanter Aufstieg in der DFB-Auswahl

Jonas Hofmann folgte, entschied sich gegen Fußball. Und hätte er sich kurz vor seinem endgültigen Adieu bei einem Sichtungsturnier nicht so geschickt angestellt, dass Hoffenheims Jugendkoordinator auf ihn aufmerksam wurde, würde der gebürtige Heidelberger heute nicht laut darüber sinnieren, mit dem deutschen Nationalteam in zwei Monaten Weltmeister werden zu wollen.
Über dieses Ziel sprach Hofmann im "aktuellen sportstudio" ebenso wie über seinen rasanten Aufstieg in der DFB-Auswahl. Im Oktober 2020 kam er unter dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw zu seinem Länderspieldebüt. In diesem Sommer stellte Löws Nachfolger Hansi Flick dem Gladbacher dann eine Art Durchfahrtschein zum WM-Turnier in Katar aus.

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Mit psychologischer Hilfe aus dem tiefen Tal

Vor allem seine Flexibilität hat den gelernten Mittelfeldspieler, der im Nationalteam auch mal als offensiv ausgerichteter Rechtsverteidiger überzeugt, auf die Überholspur bugsiert. Und mit dem über die letzten Jahre gewachsenen Selbstbewusstsein sagt Hofmann über sich selbst: "Ich glaube, dass ich ein cleverer und polyvalenter Spieler bin."
Dabei hat Borussias bester Torschütze der Vorsaison (zwölf Treffer) als Profifußballer auch schon ein tiefes Tal durchschritten. Als es für ihn nach seinem Wechsel aus Dortmund nach Gladbach im Januar 2016 zunächst auch am Niederrhein nicht richtig lief, nahm Hofmann zwischenzeitlich psychologische Hilfe in Anspruch.

Mutmacher für junge Teamkollegen

Diese Phase, sagt er rückblickend, sei "sehr wichtig für mich und meine Persönlichkeitsentwicklung" gewesen. Entsprechend plädiert Hofmann für einen offenen Umgang mit dem Thema - und moniert:
Ich habe das Gefühl, vielen ist es peinlich, öffentlich darüber zu sprechen, dass man zum Psychologen geht. Für viele ist es ein Tabuthema.
Jonas Hofmann
Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen fühlt er sich inzwischen in der Verantwortung, jungen Kollegen, denen es nicht gut gehe, Mut zuzusprechen. Er selbst schaffte es schließlich in Rekordzeit vom nicht mehr ganz jungen Neu-Nationalspieler zum potenziellen Startelf-Kandidaten für die WM.

Geprägt von seiner Sportlerfamilie

Den Ehrgeiz, es beruflich weit zu bringen, hat er von zu Hause mitbekommen. Bei Großvater Erwin, Mutter Birgit und Vater Harald wurde vor allem Handball ganz groß geschrieben. "Ich stamme aus einer Sportlerfamilie, davon bin ich geprägt", erklärt Hofmann. "Ich will gewinnen - auch wenn es gegen mein Patenkind ist."
Das ist gerade sechs Jahre alt - 22 Jahre älter war Hofmann bei seinem Debüt im DFB-Dress. "Ich war schon immer ein bisschen ein Spätstarter, auch in allen Jugendmannschaften", schmunzelt der Mann mit den mittlerweile 16 Länderspielen.

Titelsehnsucht mit Gladbach

Den Weg ins Nationalteam ebnete letztlich sein Wechsel von Dortmund nach Gladbach. Beim Rautenklub verlängerte der hochgeschätzte Kicker, der sich im zentralen offensiven Mittelfeld am wohlsten fühlt, Anfang August seinen auslaufenden Vertrag bis 2025, Option für eine weitere Spielzeit inklusive.
"Jonas ist ein geiler Fußballer. Ich sehe ihn unheimlich gerne spielen - weil er einfach sehr schlau ist", schwärmt Gladbachs Sportdirektor Roland Virkus. Woraufhin Jonas Hofmann, im Juli 30 geworden, auf die Frage nach seinen Zielen mit dem Fohlenklub retourniert: "Einen Titel zu gewinnen." Es wäre sein erster im Profifußball - durchaus passend für einen Spätstarter.

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