Wie Tuchel den FC Chelsea wiederbelebt hat
von Stephan Reich
23.02.2021 | 09:54 UhrManchmal kann es ja so einfach sein. "Es hat mir geholfen, dass mich jemand auf Deutsch anschreit", sagte Timo Werner, als er nach dem Sieg gegen Newcastle nach den Gründen für Chelseas Aufschwung gefragt wurde. Werner hatte da nach 14 Spielen erstmals wieder getroffen, die Blues ihren Höhenflug fortgesetzt, und dieser jemand, den Werner meinte, war natürlich sein neuer Coach Thomas Tuchel. Aber ganz so einfach ist es dann natürlich doch nicht.
Plötzlich kompakt, stabil, aggressiv
Seit sieben Spielen sitzt Tuchel nun bei Chelsea auf der Bank, die Bilanz: Fünf Siege, zwei Remis, keine Niederlage. Diese stolze Bilanz steht am Abend bei Atlético Madrid (21 Uhr/zdfsport.de-Liveticker) im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League auf dem Prüfstand.
Tuchel hat Chelsea, nach Investitionen von knapp 250 Millionen Euro als Mitfavorit um den Titel in die Saison gestartet, auf Platz neun übernommen und auf Rang fünf geführt.
Er ist ein richtig guter Typ. Und er hat eine gute Vorstellung von dem Fußball, den wir spielen wollen.
Das dürfte entscheidender sein als ein ernstes Wörtchen auf Deutsch. Denn die Vorstellung, wie man Fußball spielen will, war Chelsea unter Frank Lampard zuletzt abgegangen. Lampard schaffte es zu selten, aus dem exzellenten Kader ein funktionierendes Ganzes zu machen. Stars wie Werner, Kai Havertz oder Hakim Zyiech fanden im 4-3-3-System nie ihre Rolle. Nach nur sieben Punkten aus acht Spielen war Vereinsikone Lampard nicht mehr zu halten.
Tuchel, selbst erst Ende Dezember bei Paris St. Germain geschasst, stellte als erste Amtshandlung auf 3-4-2-1 um und sorgte so für mehr Kompaktheit und Zugriff. Das Team wirkt stabiler, kann aggressiv anlaufen, ohne sich defensiv zu entblößen. Und auch die Rollen der Stars sind wieder klarer.
Werner beendet Torflaute unter Tuchel
Etwa die von Werner. Der 53 Millionen Euro teure Ex-Leipziger musste unter Lampard oft genug auf dem linken Flügel ran. Eine Rolle, die Werner dank seiner Schnelligkeit zwar ausfüllen kann, allerdings auf Kosten seiner Torgefahr: Als er gegen Newcastle ins Zentrum beordert wurde und wieder traf, war er seit genau 100 Tagen und 1.000 Minuten ohne Treffer.
Gleiches gilt für Antonio Rüdiger, den Tuchel bereits zu PSG lotsen wollte und der nun der zentrale Mann in der Dreierabwehrkette ist. Unter Tuchel bekamen die Blues bisher zwei Gegentore – nach zuvor 23 in 19 Partien.
Er arbeitet sehr detailliert, ist ein Taktik-Fuchs. Die defensive Stabilität hat er uns vermittelt, obwohl wir nur wenig Zeit und nur ein paar Meetings hatten.
Nächstes Projekt: Kai Havertz
Tuchels nächstes Projekt dürfte Kai Havertz sein, der in der neuen Liga ebenfalls fremdelte, nach wie vor aber das Potenzial zum Unterschiedsspieler mitbringt. Zuletzt fehlte Havertz allerdings angeschlagen. Aber vielleicht kann Tuchel den Genesungsprozess ja beschleunigen, indem er Havertz auf Deutsch anschreit.