Kommentar

: Ein Hoch auf die Feigheit

von Béla Réthy
21.11.2022 | 13:20 Uhr
Nach dem Verbot der "One Love"-Binde durch die FIFA sind der DFB und seine europäischen Mitstreiter eingeknickt. Es lebe der Kleingeist, kommentiert Béla Réthy.
Manuel Neuer wird bei der WM in Katar doch nicht die "One love"-Kapitänsbinde tragen. Eine vertane Chance, wie ZDF-Reporter Béla Réthy in seinem Kommentar bemerkt.Quelle: dpa
Sind das die Zeichen, die der DFB bei der Fußball-WM vor Ort setzen wollte? 
Während es vor kurzem noch hieß, dass man Geldstrafen akzeptieren wollte, wenn der Kapitän die, ohnehin aus übergroßer Vorsicht abgeschwächte, "One Love"-Binde tragen würde, bricht man nun, auf Androhungen der FIFA, zusammen. 

Kalkulierbares Risiko

So billig konnte man selten eine Haltung zeigen. Die großen Verbände weltweit hätten diese WM in Katar durch einen Verzicht verhindern können - vor mehr als zehn Jahren. Das wäre ein radikaler Schritt gewesen. Vielleicht zu radikal. 
Ein Verstoß gegen fundamentalistische FIFA-Regeln wäre jedoch ein kalkulierbares Risiko. Artikel 13.8.1. schreibt vor, dass der Weltfußballverband die Armbinden zur Verfügung stellt, die man zu tragen hat. Und die Verbände gehorchen wie Lemminge, weil diese Protestform gelbe Karten und dann weitergehende Sanktionen nach sich zöge?!

Alles andere als der schöne Schein

Und dann? Sollen sie doch alle, die sich für dieses Zeichen entschieden haben, die Binde tragen. Elf Deutsche, elf Niederländer, elf Dänen und so weiter. Dann werden alle gesperrt, dürfen nicht mehr spielen und fliegen nach Hause. 
Dass Proteste zwangsläufig weh tun müssen, liegt in der Natur der Sache. Sonst wären es ja keine Proteste. 
Béla Réthy
Gestern noch bei der Eröffnungsfeier wurden große Worte geschwungen in Sachen Inklusion, Toleranz und was auch immer. Ein, wie schon vermutet, schöner Schein. 

Chance vertan

Die FIFA zeigt weiterhin ihre Skrupellosigkeit, weil sie sich offenbar auf die erbärmliche Reaktion einiger der ach so kritischen europäischen Verbände verlassen kann. 
Wieder ist eine Chance vertan worden, konsequent gegen diesen Machtapparat Widerstand zu leisten. Was würde geschehen, wenn sich mehrere Mannschaften durch erlittene Strafen selbst spielunfähig machen? 
Das wäre dann das Ende dieses monströsen, selbstgefälligen Apparats. Der Fußball könnte sich neu organisieren - und dann sprächen wir am Ende von einer großartigen WM. Von Katar als der Mutter der Veränderungen. 

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