: Olympia und Russland: Es droht ein Chaos

von Susanne Rohlfing
28.03.2023 | 05:02 Uhr
Sollen russische und belarussische Athleten wieder an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen? Die Frage spaltet den Sport. Das IOC will nun eine Empfehlung aussprechen.
Der DOSB ist gegen ein Startrecht russischer Athleten bei Olympia 2024.Quelle: AP
Vor gut einem Jahr war man sich innerhalb des Sports noch einig: Nachdem Russland mit Hilfe von Belarus seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hatte, wurden russische und belarussische Athleten größtenteils vom internationalen Wettkampfgeschehen ausgeschlossen. Am Krieg, an der Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs hat sich seither nichts geändert.

Qualifikationen für Paris 2024 starten

Aber es nahen die Olympischen Spiele in Paris 2024 (26. Juli - 11. August). Die Qualifikations-Wettkämpfe beginnen. Und es mehren sich Stimmen, die einen dauerhaften Ausschluss von Russen und Belarussen auf Grund von Entscheidungen der Politiker ihrer Herkunftsländer für Diskriminierung halten.
Thomas Bach, Jurist und Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, warb zuletzt für seine Haltung, den Sport nicht als "politische Waffe", sondern als "verbindende Kraft" zu sehen.

IOC-Chef Bach: Nervtötend neutral

Nach dem russischen Dopingskandal ab Ende 2014 gab Bach sich schon fast nervtötend neutral und schob alle Entscheidungs-Verantwortung über eine Starterlaubnis für russische Athletinnen und Athleten den internationalen Spitzensportverbänden zu. Dafür erntete er viel Kritik. Jetzt will er es offenbar anders machen und klar Stellung beziehen.
Beim dreitägigen Treffen des IOC-Exekutivkomitees ab Dienstag in Lausanne soll über eine Empfehlung an die Spitzenverbände entschieden werden, Russen und Belarussen wieder für internationale Wettkämpfe und damit auch für die Olympischen Spiele von Paris zuzulassen.

Die Olympischen Sommerspiele in Paris beginnen am 26. Juli 2024. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

27.03.2023 | 02:29 min

DOSB gegen Startrecht

Thomas Weikert, Jurist und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ist dagegen:
Wir wollen nicht, dass sie wieder starten dürfen. Sport ist nicht unpolitisch, auch wenn anderes behauptet wird. Wir sehen immer wieder, dass Sport durchaus für politische Zwecke eingesetzt wird.
Thomas Weikert
"In Russland ist das in besonderem Maße der Fall. Das flächendeckende System des Staats-Dopings hat ja gezeigt, wie sehr die politische Führung auf sportliche Erfolge dringt. Deshalb befürchten wir, dass die Teilnahme russischer Athleten an den Spielen in Paris zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden würde", erklärt Weikert: "Dies zu verhindern, muss bei einer Zulassung oberstes Ziel sein."
DOSB-Präsident Thomas WeikertQuelle: Marius Becker/dpa
Nach Ansicht des DOSB dürfte diese daher, wenn überhaupt, nur unter sehr strikten Voraussetzungen erfolgen. Das heißt unter anderem: völlige Neutralität, keine Zugehörigkeit zum russischen Militär, keine Unterstützung des Kriegs, keine nationalen Farben oder Symbole, keine Hymnen.

Gutachten unterstützt Athleten-Ausschluss

35 Nationen, vor allem aus der westlichen Welt, haben sich im vergangenen Sommer für einen Ausschluss des russischen Sports ausgesprochen. Dem IOC gehören aber 206 Nationale Olympische Komitees an. Da ist reichlich Spielraum für andere Auffassungen und unterschiedliche Rechtsauslegungen. Da wäre das Argument, dass es an anderen Orten dieser Welt Kriege gab und gibt, die nicht entsprechend sanktioniert werden. Oder die Haltung, dass auch gut gemeinte Diskriminierung nun mal Diskriminierung ist.
Der DOSB hat ein Gutachten bei Rechtsprofessorin Patricia Wiater von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben. Sie kommt zu dem Schluss, dass Russen und Belarussen völkerrechtlich betrachtet ausgeschlossen werden können.

Nachdem die Dopingsperre aufgehoben wurde, will nun auch das IOC das Starten russischer Sportler wieder erlauben. Ein stark umstrittenes und kritisiertes Vorhaben.

24.03.2023 | 01:34 min

Rechtsexpertin: IOC muss Ukrainer schützen

Nur die mögliche Diskriminierung von Russen und Belarussen zu betrachten, ist ihr zu einseitig. Sie meint, das IOC sei verpflichtet, sich schützend vor die Menschenrechte besonders vulnerabler Sportlerinnen und Sportler zu stellen, also die der Ukrainer.
Bindend wird die Empfehlung des IOC für die internationalen Verbände nicht sein. Der Leichtathletik-Weltverband hat schon klargestellt, dass er bei seiner Ausschluss-Entscheidung bleiben würde. Der Fecht-Weltverband will die Zulassung, deutsche Fechter sind dagegen.

Ukraine droht mit Olympia-Boykott

Und die Ukraine droht mit einem Boykott der Sommerspiele von Paris. "Dazu darf es nicht kommen", sagt Weikert: "Wir wollen ein starkes ukrainisches Team in Paris sehen."

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