Interview

: Klein: Die Leidtragenden sind die Athleten

25.04.2023 | 13:08 Uhr
Das IOC empfiehlt eine Rückkehr russischer Athleten auf die internationale Bühne. Athleten-Sprecher Maximilian Klein appelliert an die Verbände und spricht über das mögliche Chaos.
Das IOC hat sich für eine Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler ausgesprochen. Diese Entscheidung wird heiß diskutiert.Quelle: IMAGO / USA TODAY Network
Diese Debatte spaltet die Sportwelt: Sollten russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler wieder am Weltsport teilnehmen dürfen? Das Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hatte dies zuletzt empfohlen. Klar dagegen positioniert sich Maximilian Klein, Direktor für Sportpolitik und Strategie des Vereins "Athleten Deutschland".
Im Interview gibt Klein einen Einblick in die Auswirkungen auf die Athletinnen und Ahtleten, Protestmöglichkeiten und mögliche Gegenmaßnahmen.

Maximilian Klein

Quelle: dpa
Maximilian Klein ist Direktor für Sportpolitik und Strategie bei "Athleten Deutschland". Seit 2019 befindet er sich im Masterstudium in Public Policy an der Havard Kennedy School in den USA. Für "Athleten Deutschland" ist er bereits seit 2018 im Einsatz.
ZDFheute: Wie reagiert "Athleten Deutschland" auf die aktuelle IOC-Empfehlung?
Maximilian Klein: Die Empfehlung war für uns zwar erwartbar, aber wir sind darüber sehr enttäuscht und wütend, weil damit Chaos entsteht. Die Verantwortung wird zwischen dem IOC und den Weltverbänden hin- und hergeschoben. Dadurch leiden vor allem die ukrainischen Athletinnen und Athleten, während den russischen die Tür zum Weltsport geöffnet wird.
Das IOC hat es versäumt, eine saubere Interessens- und Rechtsabwägung der Schutzbedürfnisse der Ukrainerinnen und Ukrainer zum einen und den Interessen der Russinnen und Russen zum anderen vorzunehmen.
Maximilian Klein
ZDFheute: Was können Sie aktuell dagegen unternehmen?
Klein: Zunächst haben wir viele Gespräche mit den Athletinnen und ihren Vertretern geführt. Danach haben wir unsere Haltung, nämlich den Ausschluss Russlands und Belarus aus dem Weltsport zu befürworten, wieder bestätigt. Die deutliche Mehrheit hat uns gespiegelt, dass es für sie sehr schwierig ist, sich überhaupt vorzustellen, gegen russische und belarussische Athletinnen anzutreten.
Wir haben allerdings nur begrenzten Einfluss auf das internationale Sportsystem. Daher ist es notwendig, dass sich auch Staaten, Regierungsvertreter und Sponsoren einbringen.
ZDFheute: Sind denn Aktionen geplant?
Klein: Viele Athletinnen und Athleten wollen sich auch zuerst auf den Sport konzentrieren und sind äußerst besorgt und unsicher, denn sie werden vor eine individuelle Abwägungsfrage gestellt. Deshalb wünschen wir uns, dass sich die deutschen Verbände schützend vor sie stellen. Wer sich gegen eine Teilnahme entscheidet, darf keine sportlichen oder finanziellen Nachteile erleiden.
Proteste und Solidaritätsbekundigungen sollen vor Ort möglich sein. Problematisch hierbei ist aber, dass die Regeln des Sports sehr restriktiv sind. Die Regeln und Verfahren sind leider total unklar. Diese Unsicherheit überträgt sich auf die Sportlerinnen und Sportler, die sich dann im Zweifel gegen Aktionen entscheiden - und das kann wirklich nicht angehen.
ZDFheute: Russland wurde bereits zuletzt vom Weltsport wegen eines Doping-Skandals ausgeschlossen. Haben Sie Bedenken, dass die Anti-Doping-Bestimmungen erneut nicht eingehalten werden?
Klein: Russland hat seit dem Doping-Skandal das Vertrauen komplett verspielt. Es konnte auch nicht wiederhergestellt werden. Denn Fakt ist, die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA ist bis heute nicht wieder zugelassen. Und gerade weil Russland eine Black Box ist und Krieg führt, ist für viele unvorstellbar, wie dort ein Anti-Doping-System glaubwürdig und integer funktionieren kann.

Pro und contra - Debatte über umstrittene IOC-Empfehlung im aktuellen sportstudio.

22.04.2023 | 18:57 min
ZDFheute: Sollte die Empfehlung des IOC umgesetzt werden - welche Maßnahmen müssten getroffen werden?
Klein: Die deutschen Verbände müssten mehrere Funktionen erfüllen: Sie müssen sich schützend vor die ukrainischen Sportlerinnen und Sportler stellen und sich sensibel um sie kümmern, damit sie keine Nachteile auf internationaler Bühne haben. Die Verbände sollten dringend darauf einwirken, dass die wenigen Vorgaben vom IOC tatsächlich umgesetzt werden.
Daran haben wir unsere Zweifel. Unsere Befürchtung ist, dass ein großer Flickenteppich entsteht, viele Schlupflöcher offenbleiben und pures Chaos folgt. Die Leidtragenden werden die Athletinnen und Athleten sein. Allein das kann nicht im Interesse der olympischen Bewegung sein. Denn am Ende nehmen nicht nur die Personen Schaden, sondern der auch die Integrität des gesamten Sports.
Das Interview führte Franziska Müllers.

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