Kommentar

: Im Schafspelz zu Olympia

von Nils Kaben
28.03.2023 | 15:29 Uhr
Das IOC hat sich für die Rückkehr russischer und belarussischer Athleten ausgesprochen. Damit verrät das IOC unter Thomas Bach seine Ideale.
Nils Kaben kommentiert die IOC-Entscheidung zur Wiederzulassung von Russland und Belarus.Quelle: ZDF/dpa
Man könne Menschen nicht bloß wegen ihrer Staatsangehörigkeit von den Wettkämpfen ausschließen. Was könne der Einzelne schließlich für die Verbrechen der jeweiligen Regierungen? So argumentieren IOC und zwei Gutachter der Vereinten Nationen.
Es ist ein Dilemma - ja das ist es. Aber es ist eines, das auszuhalten wäre für die Welt des Sports.
Die Athleten bleiben Repräsentanten ihrer Nationen, egal ob mit oder ohne Hymne. Sie werden vereinnahmt und instrumentalisiert von den Mächtigen in den Palästen zuhause. So wie sie zuvor von denselben Regenten gefördert und finanziert worden sind.

IOC steckt im Dilemma

Sport und Politik auseinanderzudividieren - das klappt nur auf dem Spielfeld, der Matte, der Planche, im Becken, auf der Bahn, dem Platz, dem Kurs, auf der Strecke. Für den Moment des Wettkampfs. Sonst nicht.
Oder hat IOC-Präsident Thomas Bach die Idee mit der gemeinsamen Eishockeymannschaft Nord- und Südkoreas 2018 in Pyeongchang deshalb so gut gefallen, weil die dann besser spielt? Mussten die Athletinnen und Athleten der DDR nicht jahrzehntelang der Welt beweisen, dass der Sozialismus stärker wäre? Lief nicht Cathy Freeman 2000 - die Welt zu Tränen rührend - für die Freiheit der Aborigines?

Gefahr des Missbrauchs besteht

Hat nicht gerade China die letzten Winterspiele dazu mißbraucht, sich vor den Augen der Welt in ein modernes, demokratisches Licht zu rücken – nachdem jeglicher Widerstand in Arbeitslagern verschwunden war? Hat Putin nicht 2022 zum Jahrestag der Annexion der Krim die Gymnastik- Superzwillinge Dina und Arina Averina in einen Trainingsanzug gesteckt, auf dem groß das Z-Symbol der russischen Truppen in der Ukraine prangte?

Nachdem die Dopingsperre aufgehoben wurde, will nun auch das IOC das Starten russischer Sportler wieder erlauben. Ein stark umstrittenes und kritisiertes Vorhaben.

24.03.2023 | 01:34 min
Sport ist also unpolitisch? Nein! Wer Krieg führt, andere Länder überfällt, Städte in Trümmer legt, Menschen ermordet, Kinder zu Waisen bombt, hat nichts verloren beim größten und immer noch schönsten Sportfest der Welt. Und auch nicht bei all den Qualifikationswettbewerben davor.

Russische Sportler mit militärischem Dienstgrad

Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, daß 85 Prozent der russischen und belarussischen Sportler Angehörige der bewaffneten Organe sind. Die sollen also ausgeschlossen bleiben. Ebenso Mannschaften. Die IOC-Empfehlung liest sich wie ein feiger Kompromiss. In Russland ist kein Spitzenathlet politisch neutral, wie sollte er!
Und von Athleten jetzt zu verlangen, sich gegen ihre Regierungen zu stellen, ist wirklichkeitsfremd und kann nur aus dem Munde von jemandem kommen, der nie in eine vergleichbare Situation geraten kann. Und gegen Putin ist man in Russland, wenn man nicht für ihn ist.

Schöne heile Welt undenkbar

Mehr als 250 ukrainische Athletinnen und Athleten sind bisher in diesem fürchterlichen Krieg ums Leben gekommen. Und die anderen, die Überlebenden sollen jetzt gegen russische Athleten fröhlich rennen, springen, fahren?

Treten Athleten aus Russland bei den Olympischen Spielen 2024 an? Zumindest schließt IOC-Präsident Thomas Bach eine Teilnahme nicht aus. Kommt es zum Boykott?

09.02.2023
Sich gegenseitig gratulieren, trösten, sich miteinander freuen? Dann eben im weißen Trainingsanzug ohne russisches Wappen? Im Schafspelz als Gesandte des Wolfes? So soll sie doch aussehen die schöne heile Welt der olympischen Familie. Undenkbar.

Frankreich braucht jetzt gute Ideen

Die Franzosen können einem leid tun. Die Olympiaorganisatoren müssen sich wohl dem Beschluß des IOC beugen.
Aber die Zuschauer müssen das nicht und wenn eine Nation Protest kann, dann die Franzosen! Viele Athleten sind inzwischen so klug und so kreativ, auch denen wird eine Antwort einfallen. Wer zu Olympia will, ist dem Frieden verpflichtet - nicht nur für zwei Wochen! Die Friedenstauben damals in Seoul übrigens verbrannten am lebendigen Leibe.

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