Interview

: Miller: "Es ist eine besondere Anerkennung"

20.11.2022 | 16:02 Uhr
"Para-Sport ist professioneller geworden in den letzten Jahren", sagt Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller. Nun steht die Wahl der Para-Sportler und -Sportlerinnen des Jahres an.
Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller wurde mit ihrem Team bereits fünf Mal zur Para-Mannschaft des Jahres gewählt.Quelle: imago
Die Abstimmung zum Para-Sportler und zur Para-Sportlerin des Jahres ist in vollem Gange. Noch bis zum Montag, 12 Uhr, kann abgestimmt werden, wer die begehrte Auszeichnung in diesem Jahr erhält. Rollstuhl-Basketballerin Mareike Miller hat den Titel bereits fünfmal mit ihrer Mannschaft erringen können.
ZDF: Frau Miller, Sie sind schon viermal mit den deutschen Rollstuhl-Basketballerinnen als Mannschaft des Jahres ausgezeichnet worden, insgesamt hat das Team die seit 2005 stattfindende Wahl achtmal gewonnen, dazu kommt die Ehrung als Mannschaft des Jahrzehnts 2020. Was bedeutet Ihnen, was bedeutet dem Team dieser Titel "Para-Mannschaft" des Jahres?
Mareike Miller: Es ist eine besondere Anerkennung des Verbandes, aber auch der Fans und Zuschauerinnen und Zuschauer unseres Sports, da ja auch eine Publikumswahl in das Ergebnis einfließt. Es zeigt, dass wir den Erfolg nicht nur auf dem Papier geholt haben, sondern dass er auch wahrgenommen wird. Als Mannschaft bringt uns die Auszeichnung nochmal bei einem Event außerhalb von Wettkämpfen zusammen, wo wir unseren Erfolg genießen und feiern können. Die Ehrung ist immer eine sehr schöne Abendveranstaltung.
ZDF: Sie sind seit 2010 Nationalmannschafts-Mitglied und seit fünf Jahren Aktivensprecherin im Deutschen Behindertensportverband. Auf welchem Stand sehen Sie den Para-Sport?
Miller: Der Para-Sport insgesamt ist in den letzten Jahren deutlich professioneller geworden und auch die Wahrnehmung geht immer mehr dahin, dass Para-Sport auf internationaler Ebene als Leistungssport auf höchstem Niveau anerkannt wird. Es geht nicht darum, ob das mit einer Behinderung und einem entsprechenden Hilfsmittel stattfindet oder ob das olympisch ist und man nur Schuhe, Schläger oder Ball braucht. Es geht um Wettkampfsport der Spitzenklasse. Um beeindruckende Leistungen, die jeder einzelne mit seinem Körper erbringt.

Zur Person: Mareike Miller

Die 32-Jährige ist Rollstuhl-Basketballerin bei den BG Baskets Hamburg.

Paralympics-Siegerin 2012, Zweite 2016 und Vierte 2021; WM-Zweite 2010 und 2014, WM-Dritte 2018; Europameisterin 2011, EM-Zweite 2013 und 2017, EM-Dritte 2019.

Miller wechselte im Alter von 18 Jahren aufgrund von mehreren schweren Knieverletzungen vom Basketball zum Rollstuhl-Basketball, sie ist im Alltag nicht auf den Rollstuhl angewiesen.

ZDF: In diesem Jahr hat Para-Biathletin Clara Klug überraschend ihre Karriere auf Grund von Depressionen beendet. Sie wünscht sich, dass der psychischen Belastung im Para-Sport mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Bekommt das Problem zu wenig Beachtung?
Miller: Der Leistungssport bringt eine große mentale Belastung mit sich - das ist nicht nur im paralympischen Sport so. Es wird heute aber schon mehr darüber gesprochen, es wird mehr Wahrnehmung geschaffen. Das ist sehr, sehr wichtig. Dadurch gibt es mehr Unterstützung und Sportler können schneller Hilfe finden.
Im Para-Sport haben wir zum Teil Athleten mit einer besonderen Geschichte, die sie zum Leistungssport gebracht hat. Es gibt andere Herausforderungen, seinen Körper zu akzeptieren, wie er ist, und Wege zu finden, das Maximale an Leistungsfähigkeit herauszuholen. Das ist eine Besonderheit, aber ich denke, der Leistungssport an sich bringt ohnehin sehr, sehr viele Schwierigkeiten mit sich, was die Psyche angeht.

Die Nominierten

Die Vorauswahl ist getroffen. Nun kann jeder bis zum 21. November, 12 Uhr, abstimmen.

Para-Sportlerin

Anna-Lena Forster (27, BRSV Radolfzell, Para Ski alpin, Paralympics: Gold in der Super-Kombination, Gold im Slalom, Silber in der Abfahrt, Silber im Super-G; WM: Gold im Slalom, Gold im Super-G, Gold in der Abfahrt, Gold in der Super-Kombination)

Maike Hausberger (27, BPRSV e.V., Para Radsport, Straßen-WM: Gold im Straßenrennen, Gold im Zeitfahren)

Linn Kazmaier (16, SZ Römerstein, Para Ski nordisch, Paralympics: Gold im Langlauf 10 km, Silber im Biathlon 6 km, Silber im Biathlon 12,5 km, Silber im Langlauf 15 km, Bronze im Langlauf Sprint)

Leonie Walter (18, SC St. Peter, Para Ski nordisch, Paralympics: Gold im Biathlon 10 km, Bronze im Biathlon 6 km, Bronze im Biathlon 12,5 km, Bronze im Langlauf 15 km)

Annika Zeyen (37, SSF Bonn, Para Radsport, Straßen-WM: Gold im Straßenrennen, Gold m Zeitfahren)

Para-Sportler

Valentin Baus (27, Borussia Düsseldorf, Para Tischtennis, WM: Gold im Einzel)

Taliso Engel (20, SG Bayer/SG Mittelfranken, Para Schwimmen, WM: Gold über 100 m Brust)

Marco Maier (22, SV Kirchzarten, Para Ski nordisch, Paralympics: Silber im Biathlon über 6 km und Silber im Langlauf Sprint)

Thomas Schmidberger (31, Borussia Düsseldorf, Para Tischtennis, WM: Gold im Einzel)

Michael Teuber (54, BSV München, Para Radsport, Straßen-WM: Gold im Zeitfahren)

Para-Team

Para-Badminton-Doppel (Rick Hellmann & Thomas Wandschneider), WM-Gold

Para-Rudern Mixed-Vierer mit Steuerfrau (Jan Helmich, Susanne Lackner, Marc Lembeck, Kathrin Marchand, Inga Thöne), WM-Silber

Para-Tischtennis Mixed-Doppel (Thomas Brüchle & Sandra Mikolaschek), WM-Gold

Para-Nachwuchssportler*in

Maximilian Jäger (22, Para Radsport, Europameister und WM-Zweiter im Zeitfahren auf der Straße)

Linn Kazmaier (Para Ski nordisch)

Leonie Walter (Para Ski nordisch)

ZDF: Großes Thema im Para-Sport sind immer wieder die Hilfsmittel. Ohne entsprechende Rollstühle oder Prothesen ist Sporttreiben für Betroffene nicht möglich. Diese Hilfsmittel sind aber sehr teuer und werden nur für Jugendliche bis 16 Jahren von den Krankenkassen gezahlt.
Miller: Vor allem im Nachwuchs- und Breitensport ist es ein sehr, sehr großes Problem, dass dieses Equipment oft notwendig ist, um den Sport überhaupt ausprobieren zu können. Man kann nicht mit seinem Stumpf in jede Prothese reinschlüpfen, die muss individuell angepasst werden. Bei uns beim Basketball ist es so, dass man auch in einem nicht ganz optimal sitzenden Rollstuhl schon mal eine Runde drehen kann. Insofern ist es je nach Hilfsmittel in der einen Sportart etwas einfacher als in der anderen. Aber um ordentlich Sport machen zu können, ist immer eine individuelle Ausrüstung nötig.
Es ist ja insgesamt so, dass sich Menschen in unserer Gesellschaft mehr bewegen müssten, um gesund zu leben. Und es ist aus Teilhabe-Berichten der Bundesregierung bekannt, dass Menschen mit Behinderung noch weniger Sport treiben als Menschen ohne Behinderung. Es ist daher eine große Herausforderung und sehr wichtig, vielen den Zugang zu ermöglichen.
Das Interview führte Susanne Rohlfing.

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