: Gemeinsam schuften für die World Games
von Susanne Rohlfing
30.01.2023 | 08:06 UhrSiebeneinhalb Kilo mehr als jemals zuvor drückt Jessica Steinbrück an diesem Tag. Die Kollegen applaudieren, die junge Frau strahlt. Eigentlich geht es ihr nicht gut, sie leidet an einer Borderline-Störung, gerade wurden ihre Medikamente verändert, sie ist oft müde, fühlt sich nicht wohl. Aber jetzt verschwindet ihr düsterer Gesichtsausdruck für einen Moment - 37,5 Kilo im Bankdrücken, sie ist sichtlich stolz.
Mit vier Goldmedaillen zu den Weltspielen
Steinbrück gehört dem Team Deutschland für die Special Olympics vom 17. bis 25. Juni in Berlin an. In der achtköpfigen Mannschaft der Kraft-Dreikämpfer ist sie die einzige Frau. Bei den nationalen Spielen der Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung im vergangenen Jahr hat sie alle vier möglichen Goldmedaillen ihrer Sportart geholt: Bei den Kniebeugen, im Bankdrücken, im Kreuzheben und natürlich auch in der Gesamtwertung aus allen drei Teildisziplinen. Damit hatte die 19-Jährige das Ticket für die Weltspiele in der Tasche. Sich der internationalen Konkurrenz zu stellen, ist nun der nächste Schritt.

Sport ohne Leistungsdruck, aber mit viel Freude - das erleben geistig gehandicapte Menschen bei den Special Olympics, die es seit 1968 gibt. In Berlin startet eine neue Auflage.
19.06.2022 | 04:48 minDie Special Olympics sind Sportveranstaltungen, es gibt sie auf nationaler Ebene und alle zwei Jahre als Special Olympics World Games. Dabei messen sich Athletinnen und Athleten aus aller Welt in 26 Sportarten. Deutschland ist in diesem Jahr zum ersten Mal Ausrichter. Die Organisatoren kündigen auf ihrer Homepage "ein internationales, buntes Fest des Sports für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung" an.
Denn Special Olympics steht nicht nur für Sport, sondern auch für eine Organisation, die sich als Inklusionsbewegung versteht, die Menschen mit geistiger Behinderung durch Gesundheits-, Bildungs- und Qualifizierungsprogramme unterstützt.
Motivationskick für das Großereignis
Das Team Deutschland bereitet sich in den kommenden Monaten in rund 50 Trainingslagern auf das Großereignis im eigenen Land vor, 416 deutsche Sportlerinnen und Sportler haben sich qualifiziert. Die Kraft-Dreikämpfer trafen sich am vergangenen Wochenende in der Sportschule Hennef. Und sie bekamen durch Dominik Pahl einen extra Motivationskick. Der 30-Jährige aus Papenburg ist aktiver Schwerathlet, er gewann im Kraftdreikampf bereits Bronze bei einer EM und wurde WM-Fünfter.
Seit dem vergangenen Jahr unterstützt er das Special-Olympics-Team. Er gibt bei Trainingsmaßnahmen Tipps, zeigt technische Finessen, sorgt für Staunen und zusätzliche Begeisterung. Steinbrück weist er an diesem Tag geduldig immer wieder darauf hin, das Gewicht beim Bankdrücken mehr in Richtung Kopf zu schieben. Er steht hinter ihr, sichert ihre Versuche ab, feuert sie an. So lange, bis sie die 37,5 Kilo schafft und glücklich strahlt. "Bei den World Games schaffst du 40 Kilo", gibt er ihr noch mit auf den Weg - und das Strahlen verstärkt sich.
Für mehr Anerkennung und Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung: In Berlin kamen 4.000 Sportlerinnen und Sportler zu den nationalen Special Olympics zusammen.
24.06.2022 | 08:17 minIntensive Betreuung der Sportlerinnen und Sportler nötig
Abseits des Sports ist Pahl Heilerziehungspfleger, er hat lange in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet, jetzt ist er in der Jugendhilfe tätig. Für die Special Olympics arbeitet er im Ehrenamt, genauso wie Eric Häfner, der nationale Koordinator für den Kraft-Dreikampf. "Es macht unheimlich Spaß mit dem Team", sagt Pahl, und fügt grinsend an: "Außerdem ist es gut für mein Karma-Konto." Ehrenamtliches Engagement sei wichtig, betont er dann noch ernsthaft.
Wir leben in einer Zeit, in der alle für alles, was sie tun, etwas haben wollen. Ich brauchte in meiner Anfangszeit aber auch jemanden, der mir einfach so gezeigt hat, wie alles geht.
Olympia 2023 in Deutschland?!
Bei den Special-Olympics-Athleten kommt hinzu, dass sie eine besonders intensive Betreuung brauchen. Einmal zu sagen, wie die Kommandos lauten im Wettkampf, oder einmal zu zeigen, dass eine Bewegung in Richtung Kopf das Drücken erleichtert, reicht nicht. Die kognitiven Hürden sind hoch.
Einer der Athleten kommentierte einen Hinweis von Pahl im Training ganz trocken so: "Das musst du mir dann nochmal sagen, das vergesse ich wieder." Nicht schlimm, findet Pahl, die Vorbereitung gehe ja gerade erst los: "Das ist ja nicht unser letztes Trainingslager vor den World Games."