: Doppelt gestürmt trifft besser

von Frank Hellmann
28.03.2023 | 07:38 Uhr
Im deutschen Fußball gibt’s kaum Mittelstürmer. Trotzdem setzt Bundestrainer Hansi Flick beim Neuanfang der Nationalmannschaft auf ein System mit zwei Angreifern.
Fünftes Länderspiel, fünftes Tor: Niclas Füllkrug trifft im Testspiel gegen Peru zum 2:0.Quelle: Federico Gambarini/dpa
Es gab Zeiten in der deutschen Nationalmannschaft, da wurde über den Doppelsturm gar nicht diskutiert. Ein Land, das über Torjäger im Überfluss verfügte, spielte selbstredend mit zwei "Neunern".
So ist Deutschland bei der WM 1990 Weltmeister geworden: Rudi Völler und Jürgen Klinsmann, beide damals im Zenit ihrer Schaffenskraft, waren entscheidend am Triumph in Italien beteiligt.
Und auch vier Jahre später in den USA rafften sich die beiden Angreifer noch einmal gemeinsam auf: Im WM-Achtelfinale gegen Belgien (3:2) machten sie ihr bestes Spiel. Doppeltorschütze damals: Rudi Völler, der heutige Sportdirektor. Den dritten Treffer steuerte sein kongenialer Partner Klinsmann bei. Lang, lang ist’s her.

Flick entdeckt die Doppelspitze wieder

Doch wenn es jetzt fast 30 Jahre später in einem Freundschaftsspiel wieder gegen Belgien geht (Dienstag 20.45 Uhr/RTL/ZDF-Liveticker), hat Bundestrainer Hansi Flick die Doppelspitze für sich als Stilmittel entdeckt, obgleich seit Jahren der Mangel an Mittelstürmern beklagt wird.
"Wir hatten im Zentrum viel Personal. Timo Werner hat viele Wege in die Tiefe gemacht und ist sehr wertvoll für die Mannschaft", sagte Flick nach dem Test gegen Peru (2:0).
Flicks Matchwinner hieß Doppeltorschütze Niclas Füllkrug, der am meisten von der Systemumstellung profitierte. "Niclas steht dort, wo ein Mittelstürmer zu stehen hat. Er ist schon ein Spieler, der besonders ist, der sehr selbstbewusst ist, der die Spieler mitziehen kann". lobte Flick.

Füllkrug verkörpert eine echte Nummer neun

Nicht umsonst führt er die Bundesliga-Torschützenliste an, obwohl er für einen Klub aus dem Niemandsland der Tabelle (Werder Bremen) spielt - noch dort spielt.
Im DFB-Team sprechen für ihn: fünf Treffer in fünf Länderspielen. Wobei sich Füllkrug selbst wundert, wie viele Bälle bei ihm landeten:
Ich bekomme hier meine Situationen im Strafraum. Toll, dass ich hier schon so eingebunden bin.
Niclas Füllkrug

Mehr Variabilität im Zusammenspiel

Der 30-Jährige ist ein Verfechter des Systems mit zwei Spitzen, das auch in Bremen von seinem Vereinstrainer Ole Werner praktiziert wird. Dort funktioniert Füllkrug beinahe blind mit Sturmpartner Marvin Ducksch. Die beiden legen sich die Bälle gegenseitig auf, haben die Grün-Weißen erst zum Aufstieg geschossen und nun wohl auf direktem Wege zum Klassenerhalt.
Wer Füllkrug auf das Für und Wider mit zwei Spitzen anspricht, bekommt eine ausführliche Antwort. "Die Anzahl der Spitzen bringt Vor- und Nachteile mit. Aber die Vorteile überwiegen. Als einzige Spitze spielt man mit sogenannten Klatschpässen. Bei einem zweiten Stürmer kann man extrem variabel sein."
Wir haben viele Spieler in der Nationalmannschaft, die das extrem gut verkörpern und wissen, wie man den Gegner in gefährliche Situationen bringen kann. Ich fühle mich sehr wohl mit zwei Spitzen.
Niclas Füllkrug

Serge Gnabry - auch eine Alternative

Alles deutet darauf hin, dass Flick auch gegen Belgien in Köln mit Füllkrug im Doppelsturm beginnt. Ein anderer Partner als Werner wäre der beim FC Chelsea häufig als Neuner aufgebotene Kai Havertz gewesen - der ist aber wegen einer Erkrankung abgereist ist.
Möglich, dass Serge Gnabry gegen Belgien beginnt. Der Bayer agierte schon unter Flick-Vorgänger Joachim Löw häufiger als zentraler Stürmer und punktete beim 2:0 gegen Peru nach seiner Einwechslung mit Tatendrang.

Doppelsturm, nur eine Variante

Als weitere Alternative steht noch Debütant Mergim Berisha vom FC Augsburg im Aufgebot. Doch ansonsten ist die Auswahl weiterhin dürftig.
Was auf das Kardinalproblem mit Blickrichtung EM 2024 hinweist: In Ermangelung von Kandidaten wird sich Flick nicht auf das eine System festlegen können. Auch das klassische 4-2-3-1 bleibt im Repertoire.

Uwe Seeler/Gerd Müller: Legendärer Doppelsturm

Quelle: ap
Den vielleicht berühmtesten Sturm der deutschen Länderspielgeschichte bildeten gar nicht Völler und Klinsmann, sondern Uwe Seeler und Gerd Müller bei der WM 1970.

Der eine befand sich schon im Spätherbst der Karriere (Seeler), der Stern vom wohl besten Torjäger aller Zeiten (Müller) ging gerade auf.

Der damalige Bundestrainer Helmut Schön wagte ein Experiment und ließ den Älteren für den Jüngeren in der Hitze von Mexiko schuften. Über die Kritik aus der Heimat ging Schön hinweg.

Unvergessen, wie Seeler im WM-Viertelfinale gegen England mit dem Hinterkopf den Ball ins Tor bugsierte, ehe Müller in der Verlängerung spektakulär das Siegtor schoss (Foto). Auch dank Seeler wurde Müller mit zehn Toren in diesem Turnier zum Weltstar.

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