: Kazmaier immer weiter Richtung Perfektion

von Susanne Rohlfing
21.01.2023 | 06:48 Uhr
Bei den Paralympics sorgte Linn Kazmaier für Furore, nun ist die 16-Jährige auch bei den Welttitelkämpfen in Östersund dabei. Aber Medaillen sind ihr gar nicht das Wichtigste.
Bei den Paralympics 2022 in Peking sahnte Linn Kazmaier richtig ab. In Östersund ist sie die Hoffnungsträgerin des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS).Quelle: AP
Linn Kazmaier erzählt, was sie sich so vorgenommen hat für ihre erste WM-Teilnahme nach dem internationalen Durchbruch. Die Para-Biathletin und -Langläuferin spricht von Spaß, von guten Rennen, von sauberem Schießen, gutem Tempo, einwandfreier Technik. Medaillen erwähnt die Schülerin aus Freiburg nur am Rande.
Ja, es wäre schon schön, wenn auch Podestplätze dabei herauskommen.
Linn Kazmaier

Kazmaier ist Medaillenhoffnung des DBS

Plaketten zu erringen ist für die 16-Jährige wohl eher ein schöner Nebeneffekt von erfolgreichem Sporttreiben. Dabei ist sie mit einer Sehbeeinträchtigung zusammen mit ihrem Guide Florian Baumann ganz klar eine der Medaillenhoffnungen im Team des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), das von Samstag bis zum 29. Januar mit elf Athletinnen und Athleten sowie vier Guides bei der Para-Ski--nordisch-WM im schwedischen Östersund antritt.
Linn Kazmaier ist nämlich nicht nur eine ehrgeizige und begeisterte Athletin, sie ist trotz ihrer jungen Jahre bereits hoch dekoriert. Im vergangenen Winter, damals noch 15 Jahre alt, legte sie ein fulminantes Paralympics-Debüt hin. In Peking holte sie einmal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze. Ende der Saison brachte ihr das die Kür zu Deutschlands Junior-Para-Sportlerin des Jahres ein.

Kazmaier: "Noch sehr viel Zeit"

Kazmaier kann sich nicht hinter altgedienten Erfolgsgaranten wie Andrea Eskau in der sitzenden Klasse verstecken. Die 51 Jahre alte achtmalige Para-Weltmeisterin gibt nach zwei Jahren mit gesundheitlichen Problemen ihr Comeback. Linn Kazmaier will sich aber auch gar nicht verstecken. Sie selbst mache sich den meisten Druck, sagt die Zehntklässlerin. Und gleichzeitig "weiß ich, dass ich vom Alter her noch sehr viel Zeit hätte und nicht die ganze Zeit Podestplätze holen muss". Sie versuche daher, jedes Rennen als etwas ganz Neues anzugehen und auszublenden, was davor war.
Das könnte schwierig werden, denn nach ihren Peking-Erfolgen steht sie natürlich ebenso wie Kollegin Leonie Walter mit Guide Pirmin Strecker im Fokus. Die 19-jährige Walter gewann in Peking einmal Gold und dreimal Bronze.

Ins Sportinternat mit 14 Jahren

Wie ernst sie es meint mit dem Sport, machte Kazmaier im Sommer 2021 deutlich. Sie war noch keine 15 Jahre alt und hatte die Paralympischen Spiele in Peking fest im Blick. Also verließ sie ihr Elternhaus in Oberlenningen, rund 50 Kilometer südlich von Stuttgart, und zog ins Sportinternat am Olympiastützpunkt Freiburg. Natürlich hätten ihre Eltern geschluckt, sagt sie:
Aber sie wussten, dass ich ihnen die Hölle heiß gemacht hätte, wenn sie mir das nicht erlaubt hätten.
Linn Kazmaier
Nun lebt sie also in einer Sportler-WG, besucht die Staudinger Gesamtschule, eine Eliteschule des Sports, und widmet sich ansonsten ganz ihrem Training als Langläuferin und Biathletin.

Leon Gensert sitzt seit einem Rückenmarksinfarkt im Rollstuhl. Seine Leidenschaft hat er sich bewahrt: Aus einem Hobby-Skifahrer ist ein talentierter Monoskifahrer geworden.

22.01.2023 | 16:30 min

Start in mindestens fünf Einzeldisziplinen

In Östersund wird sie in mindestens fünf Einzeldisziplinen antreten, je nach Gefühl und Fitnesszustand auch in sechs - dazu kommt möglicherweise ein Staffelstart. Vorlieben hat Kazmaier nicht, ob mit Gewehr oder ohne, sie liebt ihren Sport. Beim Langlauf gefalle ihr die konstante Anstrengung, dabei mag sie die klassische Technik "ein bissel lieber" als das Skaten. Und beim Biathlon sind es die Wechsel zwischen Schießen und Laufen, die nach Kazmaiers Ansicht "auch ihren Reiz" hätten.
An ihrer Seite rennt dabei immer Florian Baumann. Mit vier Prozent Sehkraft auf Grund eines Augenzitterns ist Kazmaier darauf angewiesen, dass ihr jemand den Weg weist. In der Loipe. Im Sport weiß sie ganz genau, wo sie hin will: Immer weiter in Richtung Perfektion. Aber ohne dabei den Spaß zu vernachlässigen.

Frauen mit Sehbeeinträchtigung

Linn Kazmaier (16 / Nürtingen / SZ Römerstein, Guide: Florian Baumann / 21 / Nürtingen / SZ Uhingen), Johanna Recktenwald (21 / St. Wendel / Biathlon-Team Saarland, Guide: Lutz Klausmann / 30 / Titisee-Neustadt/ SV St. Georgen), Leonie Walter (19 / Freiburg / SC St. Peter, Guide: Pirmin Strecker / 20 / Freiburg / SV Kirchzarten)

Frauen sitzend

Andrea Eskau (51 / Apolda / USC Magdeburg), Merle Menje (18 / Mainz / St TV Singen), Anja Wicker (31 / Stuttgart / MTV Stuttgart)

Männer mit Sehbeeinträchtigung

Nico Messinger (28 / Freiburg / Ring der Körperbehinderten Freiburg, Guide: Robin Wunderle / 24 / Freiburg / SC Todtnau)

Männer stehend

Alexander Ehler (53 / Leninogorsk (KAZ) / SV Kirchzarten), Steffen Lehmker (34 / Uelzen / WSV Clausthal-Zellerfeld), Marco Maier (23 / Oberstdorf / SV Kirchzarten), Sebastian Marburger (25 / Frankenberg (Eder) / SK Wunderthausen)

Das Para-Team in Peking