: Wo Bahnfahren 2023 länger dauert

von Hansjürgen Piel
14.01.2023 | 08:09 Uhr
Kaum ein Bundesland ohne Bahn-Großbaustellen. Vielerorts muss mit längeren Fahrtzeiten gerechnet werden. Es ist nur ein Vorgeschmack - die große Generalsanierung kommt erst noch.
Auch 2023 werden viele Züge durch Baustellen ausgebremst.Quelle: dpa
Schienen, Weichen und Brücken, die vor ihrem Verfallsdatum stehen. Der Investitionsstau im deutschen Schienennetz ist enorm – aber noch nie stand so viel Geld bereit. So steht der Bahn und ihren Kunden ein weiterer Bau-Marathon mit allein zehn Großbaustellen bevor. "Wir werden auf einem ähnlichen Niveau bauen wie schon 2022", so Bahnsprecher Achim Stauß.

Kassel-Fulda muss komplett erneuert werden

Das heißt aber auch an Spitzentagen bis zu 1.200 Baustellen gleichzeitig, weiterhin eine sehr hohe Zahl von kleineren Baustellen bis hin zur Sperrung der Strecke Kassel-Fulda.
Achim Stauß, Bahnsprecher
Quelle: ZDF
Kassel-Fulda ist der dickste Brocken: 85 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecke, vor über 30 Jahren für den damals neu eingeführten ICE gebaut, müssen komplett erneuert werden. Über 160 Kilometer Gleise und 70 Weichen haben ausgedient und werden ausgetauscht.
Das bedeutet mehr als fünf Monate Vollsperrung auf der wichtigen Nord-Süd-Trasse. Alle Züge werden umgeleitet. Fahrtzeitverlängerung Richtung Hamburg 60 Minuten, nach Berlin 50. "Manche Fahrgäste werden es gar nicht merken", meint Stauß "in der Fahrplanauskunft sind die geänderten Fahrzeiten und Anschlüsse ja eingearbeitet. Wer nicht so oft fährt, registriert vielleicht gar nicht, dass man sonst auf der Strecke schneller am Ziel ist."

Pro Bahn rät Reisen vorauszuplanen

Pendler werden es aber sehr wohl spüren. Der Fahrgastverband hat dennoch Verständnis: "Man hat in den vergangenen Jahrzehnten vieles vernachlässigt. Das heißt, es muss jetzt geklotzt werden, das geht eben nicht ohne Schmerzen". Karl-Peter Naumann von 'Pro Bahn' rät, sich online - etwa auf bahn.de oder in der DB Navigator App vor der Fahrt auf den betroffenen Abschnitten zu informieren, aber auch:
Gegebenenfalls einen Zug früher nehmen, damit man pünktlich ans Ziel kommt.
Karl-Peter Naumann von 'Pro Bahn'
"Oder wenn möglich schauen, ob es andere Bahnverbindungen gibt, auf denen man auch zum Ziel kommt. Eventuell die Baustelle großräumig umfahren," sagt Naumann.

Zugausfälle und Verspätungen, Personalmangel und Sanierungsstau: ein Armutszeugnis für die Deutsche Bahn und für den Verkehrsminister. Seine Verkehrswende steckt im Stau.

11.12.2022

Auch Erweiterungen des Streckennetzes sorgen zunächst für Verspätungen

Immerhin: auf einigen Strecken wird nicht nur saniert, sondern gleich erweitert, etwa zwischen Braunschweig und Wolfsburg von einem auf zwei Gleise. Was die Zuverlässigkeit auf der Strecke nach Berlin erhöht und Platz für mehr Nahverkehrszüge schafft, aber zunächst für mehr als acht Wochen Fahrzeitverlängerungen.
Währenddessen ist die Pünktlichkeit der Fernzüge im letzten Jahr auf einen Tiefstand gesunken. Weniger aufgrund der vielen Bauarbeiten, mehr wegen der "Nicht-Baustellen" meint Naumann, also schadhafter, veralteter Infrastruktur, die erst noch saniert werden muss. Zugleich steigt aber mit jeder baubedingten Verkehrseinschränkung das Risiko, weiß Bahnsprecher Stauß:
Auch eine noch so gut geplante Baustelle vermindert die Kapazität des Schienennetzes. Wenn es dann an anderer Stelle zu Störungen kommt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit von Unpünktlichkeiten.
Achim Stauß, Bahnsprecher

Rund 60 Milliarden müssen laut Deutsche Bahn ausgegeben werden, um das Schienennetz in Deutschland auf den neusten Stand zu bringen. Die jahrelange Vernachlässigung der Infrastruktur der Bahn verursacht jetzt große Probleme.

13.12.2022 | 01:42 min

Abschluss der Arbeiten bis 2030

Dabei steht DB-Fernverkehrskunden die womöglich größere Geduldsprobe erst noch bevor. Während die Arbeiten in diesem Jahr meist schon lange geplant waren, beginnt ab Sommer 2024 die ‚Generalsanierung‘: Modernisierung der wichtigsten Strecken mit Ausbau und Digitalisierung.
Das Neue: weil Fahren und Bauen schlecht zusammengehen, sollen die Arbeiten dann stärker gebündelt, Strecken dafür aber noch länger gesperrt werden. Spätestens 2030 will die Deutsche Bahn alles abgeschlossen haben. Ziel ist ein Hochgeschwindigkeitsnetz, das danach dann jahrelang 'bau-frei' bleiben soll.
Zuvor wird aber auf Jahre mit monatelangen Vollsperrungen zu rechnen sein. Der Bahn und ihren Kunden - so formulierte es ein DB-Aufsichtsrat bereits - stehe ein "Tal der Tränen" bevor.

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