: BIP gestiegen - doch Gegenwind voraus

von Mischa Ehrhardt
13.01.2023 | 16:49 Uhr
Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft um fast zwei Prozent gewachsen. 2023 dürfte ein solches Wachstum nicht erreicht werden. Experten rechnen mit einem Wirtschaftsrückgang.

Die deutsche Wirtschaft ist auch 2022 gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg um 1,9 Prozent, trotz hoher Inflation und Ukrainekrieg.

13.01.2023 | 01:21 min
Eine kleine Überraschung hatten die Statistiker aus Wiesbaden am heutigen Freitag zur Präsentation der Bruttoinlandsprodukt-Daten (BIP) für 2022 im Gepäck: nach ihren bisherigen Schätzungen ist die Wirtschaft im letzten Quartal 2022 stagniert. Das wäre ein achtbares Ergebnis angesichts vieler düsterer Prognosen einer anstehenden Rezession.
Allerdings sei diese erste Schätzung auf einer unvollständigen Datenbasis erfolgt. "Dementsprechend ist das Ergebnis für das vierte Quartal noch mit hoher Unsicherheit behaftet", sagte die neue Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand.

Hilfsmaßnahmen entlasten Verbraucher und Unternehmen

Dennoch glauben viele Ökonomen, dass möglicherweise eine Rezession in diesem Winter noch verhindert werden kann. Falls sie kommt, dürfte sie zumindest milder ausfallen als noch vor wenigen Wochen prognostiziert. "Die deutsche Wirtschaft könnte sich besser entwickeln als befürchtet", meint etwa der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel.
Möglicherweise verschiebt sich die Rezession auf der Zeitachse nach hinten.
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank
Dass sich die Perspektiven zu Jahresbeginn etwas aufgehellt haben, liegt unter anderem an den massiven Unterstützungsmaßnahmen der Regierung für Verbraucher und Unternehmen - etwa die Energiepreisbremse. Sie entlasten Unternehmen und Konsument*innen und stützen so Konsum und Wirtschaft.

Volle Auftragsbücher geben Rückenwind

An den Finanzmärkten wächst so die Hoffnung, dass es doch nicht zu einer Rezession in den Industrieländern kommt. Hierzu hat auch beigetragen, dass aufgrund der vergleichsweise milden Witterung die Gefahr von Engpässen in der Gasversorgung in diesem Winter gesunken ist. Aus der Bundesnetzagentur hieß es in dieser Woche:
Eine Gasmangellage in diesem Winter wird zunehmend unwahrscheinlich.
Bundesnetzagentur
Positiv wirkt sich aktuell auch die Entspannung in den Lieferketten aus. Die Probleme beim Nachschub für die deutsche Wirtschaft hatten im vergangenen Jahr die Produktion und damit die Erholung nach der Corona-Pandemie gehemmt. Da die Auftragsbücher der Unternehmen in Folge der Produktionshemmnisse vergleichsweise voll sind, gibt ein Abarbeiten der Aufträge auch in diesem Jahr noch etwas konjunkturellen Rückenwind.

Hohe Inflation wirkt weiter negativ

Allerdings ist der Gegenwind durch die anhaltend hohe Inflation beträchtlich. Und weil die Löhne nicht in dem Maße ansteigen wie die Inflation, leiden Haushalte unter Kaufkraftverlusten - und Unternehmen unter den erhöhten Energiepreisen, weil sie die Produktionskosten in die Höhe treiben - trotz der Hilfen von Seiten des Staates.
"Die Stagnation des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal zeigt, dass die hohe Inflation nicht spurlos an der deutschen Wirtschaft vorbeigegangen ist", fasst Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, die Entwicklungen zusammen. Seinen Berechnungen zufolge wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um rund ein halbes Prozent schrumpfen.
Für dieses Jahr bleibt eine milde Rezession wahrscheinlich.
Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank
Gegenwind für die hiesige Wirtschaft kommt aus Bereichen, die bislang konjunkturstützend gewirkt hatten. So brechen etwa im Bausektor Aufträge weg, Bauherren stornieren Aufträge. Das hängt neben hohen Materialkosten auch damit zusammen, dass die Europäische Zentralbank im Kampf gegen die Inflation die Zinsen deutlich angehoben hat. Denn das erschwert die Finanzierung geplanter Bauvorhaben, dürfte aber auch sonstige Investitionen und Konsumausgaben dämpfen.

Ausblick 2023: Durchwachsen

Zu einem Problem für die deutsche Exportwirtschaft schließlich könnte sich der Handel mit China entwickeln. Der chinesische Außenhandel verzeichnet den dritten Rückgang in Folge, wie chinesische Behörden zum Wochenausklang mitgeteilt haben. Die Exporte nach Deutschland sanken um fast 30 Prozent, die Einfuhren nach China gingen um 11 Prozent zurück.
China kämpft verspätet mit der Ausbreitung der Corona-Pandemie, nachdem die Führung in Peking von ihrer Null-Covid-Strategie abgerückt ist und Schutzmaßnahmen gelockert hat. Konjunkturell ist der Ausblick 2023 also durchwachsen. Und viele Unsicherheiten erschweren die Prognosen.

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