: Hilft die EZB dem Bund beim Schuldenabbau?

von Brigitte Scholtes
09.12.2020 | 05:30 Uhr
180 Milliarden Euro neue Schulden will der Bund im kommenden Jahr aufnehmen. Wie kann der Staat diese je wieder abtragen? Ökonomen sehen gute Chancen - solange die EZB mitspielt.
Beim Abbau der Neuverschuldung 2021 könnte die EZB Zünglein an der Waage sein. ArchivbildQuelle: Arne Dedert/dpa
"Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Nach diesem Prinzip hat die Bundesregierung in den letzten Jahren gehandelt, und Bundesfinanzminister Olaf Scholz betont immer wieder die solide Haushaltsführung unter seiner Ägide.
Seine Ansicht teilen viele Ökonomen sowohl aus dem liberalen als auch aus dem weiter links orientierten Lager.
Glücklicherweise hat der deutsche Staat vor der Krise seine Schulden reduziert, nicht zuletzt dank der von manchen so heftig kritisierten Politik der schwarzen Null,
erkennt etwa Clemens Fuest an, Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. "Deshalb haben wir jetzt finanzielle Spielräume."

Schuldenstand niedriger als in Finanzkrise

"Diese Summen hören sich gewaltig an", sagt Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Doch verweist er auf die Finanzkrise: Da habe sich der Schuldenstand gemessen am Bruttoinlandsprodukt auf mehr als 80 Prozent belaufen, in der Corona-Krise dürfte er "nur" 70 bis 75 Prozent erreichen.
Dass es nicht mehr ist, das hat nicht nur mit der besseren Ausgangslage des Haushalts zu tun. Es liegt auch daran, dass längst nicht alle Fördergelder in der Krise dieses Jahr in dem Umfang abgerufen wurden wie man dies erwartet hatte. Das könnte auch für die Überbrückungshilfen im nächsten Jahr gelten, vermutet Marius Clemens vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Experte für Staatsfinanzen dort.

Negative Zinsen senken Schuldenlast

Diese Schulden könne man tragen, dabei helfen die negativen Zinsen. "Der Staat verdient gerade Geld, wenn er Schulden macht", erklärt Friedrich Heinemann, Ökonom am ZEW- Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Von 100 Euro, die er an Schulden aufnehme, müsse er nach zehn Jahren 95 Euro zurückzahlen.
Die negativen Zinsen helfen also dem Staat und dem Steuerzahler, in ihrer Rolle als Sparer aber leiden sie. Müssen die Bürger sich also ansonsten keine Sorgen machen, dass sie irgendwann zur Kasse gebeten werden, um bei der Schuldenrückführung zu helfen? Kurzfristig jedenfalls nicht, glaubt IMK-Chef Dullien. Schließlich steht im nächsten Jahr auch eine Bundestagswahl an. Erst danach werde man sehen, wie die dann gewählte Bundesregierung agieren werde.

Sozialabgaben könnten steigen

Langfristig seien Beitragserhöhungen etwa zur Arbeitslosen- oder auch Krankenversicherung aber nicht auszuschließen. "Das ist eine politische Entscheidung, ob die Politik die Sozialversicherungen weiter bezuschusst oder das auf die Beschäftigten abwälzt", meint Dullien.
Es könnte jedoch auch einen anderen Grund haben: Immer mehr Menschen der Generation "Babyboomer" gehen in diesen Jahren in den Ruhestand und belasten entsprechend die Sozialhaushalte. Spielraum gäbe es langfristig beim Solidaritätszuschlag, der von 2021 an zunächst nur noch für die einkommensstärksten zehn Prozent der Steuerzahler erhoben wird.

"Politik der großen Taschen" sollte enden

Die Linke fordert die Einführung einer Vermögenssteuer, die aber lehnen viele Ökonomen ab. Auf mittlere Sicht werde man die Steuern wohl auch nicht erhöhen: "Das wird man schon allein deshalb nicht tun, damit man das zarte Pflänzchen der Konjunkturerholung nicht zerstört", glaubt ZEW-Ökonom Heinemann.
Spätestens 2022 dürfte dann auch die Ausnahmeregelung für die Schuldenbremse nicht mehr angewendet werden. Damit muss der Bund seinen Haushalt also wieder ausgleichen, ohne dafür Kredite aufzunehmen.
Den Einbruch der Corona-Krise wird man aber noch jahrelang in den Steuereinnahmen sehen,
ist Heinemann aber überzeugt. Auch deshalb hält er es für wichtig, dass die "Politik der großen Taschen" allmählich beendet werde.

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