: "Stagflation das wahrscheinlichste Szenario"
von Mischa Ehrhardt
25.03.2022 | 15:46 UhrDie Stimmung in der Wirtschaft ist in Folge des russischen Krieges in der Ukraine regelrecht abgestürzt. Der Ifo-Index fiel im März auf 90,8 Punkte - im Februar befand sich die Stimmung in den Unternehmen mit knapp 99 Punkten noch im Aufwärtstrend. Nach den Einschränkungen der Pandemie bestand Hoffnung auf eine starke Erholung der Konjunktur. "Unter dem Kanonendonner des russischen Angriffskrieges in der Ukraine war nur dieses Ergebnis denkbar", sagte die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, gegenüber ZDFheute.de.
Der Krieg wird wohl viel Schwung aus der zuvor erwarteten Erholung nehmen, aber ohne zwangsläufig in die Rezession zu führen.
Experten erwarten Stagflation
Vor allem aufgrund der drastisch gestiegenen Energiepreise bläst Unternehmen und Verbrauchern ein scharfer Wind entgegen. Hinzu kommen in vielen Wirtschaftsbranchen verstärkte Nachschubprobleme durch vom Krieg zusätzlich zerrissene Lieferketten. So hatte auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nach einer Blitzumfrage unter 3.700 Unternehmen festgestellt, dass neun von zehn Unternehmen die höheren Energiekosten als Problem im eigenen Betrieb ansehen.
Überwiegend sind es die Perspektiven der Unternehmen, die den Ifo-Index nach unten gerissen haben. Das Konjunkturbarometer ist unterteilt in eine Beurteilung der Lage und der Geschäftsaussichten. Vor allem diese Erwartungen sind in den Keller gerauscht - und zwar so stark wie nie zuvor. ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski fasst die Entwicklung gegenüber ZDFheute.de so zusammen:
Während die Wirtschaftsaussichten für Deutschland vor einem Monat rosig aussahen, ist nun eine Stagflation das wahrscheinlichste Szenario.
Als Stagflation bezeichnen Ökonomen den Zustand eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums oder eine Rezession, gepaart mit einer hohen Inflation.
Gegenwind für exportorientierte Wirtschaft
So haben die großen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen heruntergeschraubt. Das Ifo-Institut selbst geht von einer Spanne des BIP-Wachstums zwischen 2,2 und 3,1 Prozent aus. Vorher ging das Institut noch von einem Zuwachs von 3,7 Prozent aus.
"Bei langanhaltend hohen Energie- und Rohstoffpreisen, möglicherweise sogar Unterbrechungen der Energieversorgung und einer Beschleunigung der Deglobalisierung wird eine stark von Energieimporten abhängige exportorientierte Wirtschaft leiden", so Carsten Brzeski.
Wie stark, ist allerdings noch sehr schwer zu prognostizieren und hängt in erster Linie von der Dauer des Krieges ab und den Folgen einer sich hochschraubenden Sanktionsspirale zwischen den westlichen Staaten und Russland.
Verbraucher könnten Konsum stützen
Ein Hoffnungsschimmer in dieser Gemengelage sind die wirtschaftlichen Bereiche Dienstleistungen und Konsum. So haben die privaten Haushalte hierzulande im Durchschnitt viel Geld auf der hohen Kante liegen. Nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung sind in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren durch die Einschränkungen fast 200 Milliarden Euro zusätzlich gespart worden.
Die dürften den Konsum auch angesichts eines Energiepreisschocks stützen. "Da darf man sich aber nicht vertun. Das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um die ganze Belastung durch den Krieg auszugleichen", sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien gegenüber ZDFheute.de.
Zwischen harten Sanktionen und dauernder Propaganda: wie lebt die russische Zivilbevölkerung während Präsident Putin das Nachbarland Ukraine angreift.
23.03.2022Zudem verbessert die durchschnittlich hohe Sparquote bei weitem nicht die Lage in allen Haushalten der Republik: "Wenn wir uns unsere Umfragen ansehen, stellen wir fest, dass zwischen einem Viertel und einem Fünftel der Haushalte mehr Geld übrighaben. Konzentriert ist das auf die reicheren Haushalte.
Die große Mehrheit der Deutschen hat leider keine Ersparnisse zusätzlich in der Corona-Zeit gebildet. Die haben jetzt auch keinen Puffer, um die hohen Energiepreise abzudämpfen.
Am Donnerstag hat der Bundestag in diesem Zusammenhang ein zweites Hilfspaket beschlossen, um die hohen Energiepreise für Verbraucher*innen, Familien und Unternehmen besser verkraftbar zu machen.