: Ist der Dow Jones noch ein Erfolgsbarometer?

von Frank Bethmann
09.04.2023 | 17:17 Uhr
Vor 25 Jahren kletterte der Dow Jones erstmals über 9.000 Punkte, inzwischen erreicht der US-Aktienindex über 30.000. Über seine Höhen und Tiefen, und warum es Kritik am Dow gibt.
Der Dow-Jones-Index an der Börse in New York wird mittlerweile auch kritisiert.Quelle: reuters
Sein voller Name lautet Dow Jones Industrial Average. Wir kennen ihn als Dow-Jones-Index, benannt nach seinen Gründern Charles Dow und Edward Jones. Der eine Verleger, der andere Statistiker.
Bereits vor 127 Jahren, im Jahr 1896, schufen die beiden Geschäftspartner das Aktienbarometer, das bis heute immer noch als das bekannteste der Welt gilt - das älteste ist es ohnehin.

Mehr Tradition, weniger Regelwerk

"Eine Legende", sagt Oliver Roth, Kapitalmarktstratege und für die Oddo Seydler Bank auf dem Börsenparkett unterwegs. Um aber umgehend nachzuschieben:
Es gibt nichtsdestotrotz inhaltlich immer wieder Kritik an der Zusammensetzung des Dow Jones.
Oliver Roth, Kapitalmarktstratege
Willkür lautet einer der häufigsten Vorwürfe. Denn anders als beim Dax, bei dem im Wesentlichen zwei Fragen darüber entscheiden, wer reinkommt und wer raus muss - erstens, sind genug Aktien frei handelbar an der Börse, und zweitens, wie hoch sind die Handelsumsätze mit den jeweiligen Titeln -, entscheidet in den USA ein Index-Komitee darüber.
Und da geht es dann auch um Tradition, weiß Finanzstratege Roth. Und so zählen zu den Dow-Jones-Schwergewichten McDonalds, die Investmentbank Goldman Sachs, die Baumarktkette Home Depot, American Express und Microsoft.
Wenn man mal drin ist, ist man drin. Das führt zu einer hohen Stabilität. Andererseits spiegelt es natürlich nicht die US-amerikanische Wirtschaft voll wider.
Oliver Roth, Kapitalmarktstratege

Warum gehört Google nicht zum Dow-Jones-Index?

Der weltgrößte Konzern Apple ist erst seit acht Jahren im Club der 30, Google-Mutter Alphabet gehört gar nicht dazu. Ob das seit damals weitgehend unveränderte Konzept noch zeitgemäß ist, bezweifeln daher viele Finanzprofis. Er sei kein Index, sondern ein Anachronismus, hört man immer wieder.
Auch Roth erklärt den Erfolg des Dow weniger mit dem Index selbst als mit der Bedeutung der US-Wirtschaft für Weltwirtschaft. Und vor allem mit der Stärke des Kapitals aus den USA, die die Weltwirtschaft am Laufen hält. Die USA, in dem Fall die Wall Street, seien einfach ein sehr, sehr wichtiger Finanzplatz. "Und deswegen ist der Dow Jones immer die Orientierung für alle Weltbörsen, ob er jetzt so oder anders zusammengesetzt ist."

Viele Merkwürdigkeiten - erstaunliche Dynamik

Trotz aller Merkwürdigkeiten also muss sich der Dow-Jones-Index bei der Wertentwicklung nicht hinter anderen Indizes, wie beispielsweise dem S&P 500, den die meisten Profianleger wegen seiner Breite von 500 Aktien bevorzugen, verstecken. Ganz im Gegenteil. Auch der "alte Dow" hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Agilität entwickelt.
Für den Sprung von 20.000 auf 30.000 Punkte benötigte er noch nicht einmal vier Jahre. Zum Vergleich: Für die ersten 10.000 Zähler brauchte er mehr als 100 Jahre. Eine Dynamik, die sich zum einen mit den stark wachsenden Konzernen, deren Aktien sich im Dow befinden, erklärt.
Doch das allein ist es nicht nur. Sehr viel entscheidender sei die Kapitalschwemme, verursacht durch die Nullzins-Politik der Notenbanken, sagt Kursmakler Roth.
Geld war billig. Vieles davon ist in Aktien geflossen und eben auch in den Dow-Jones-Index, was den überproportionalen Anstieg besonders in den letzten zehn Jahren nach der globalen Finanzkrise erklärt.
Oliver Roth, Kapitalmarktstratege

Black Monday und Pleite von Lehman Brothers überlebt

Doch der Dow schwamm nicht immer auf einer Erfolgswelle. Nach der Großen Depression und dem folgenden Absturz notierte der amerikanische Leitindex im Sommer 1932 mit 43 Punkten auf den tiefsten Stand des 20. Jahrhunderts. Rückschläge gab es auch später immer wieder.
Am 19. Oktober 1987 - der Tag, der als Black Monday in die Historie einging - fuhr der Dow in nur wenigen Handelsstunden 22,6 Prozent Verlust ein. Und damit den größten Tagesverlust in seiner Geschichte.
Für kräftige Einbrüche sorgten auch das Platzen der Dotcom-Blase Anfang 2003 und der Crash der Investmentbank Lehman Brothers 2008. Von all diesen Tiefschlägen konnte sich das Börsenbarometer aber immer wieder erholen. Auch nach der jüngsten Krise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, fand der Index schnell zu alten Höhen zurück.

Deutschland war nie ein Aktienland. Trotz Niedrigzins haben die Deutschen Aktien gemieden. Ein kurzer Boom, ausgelöst durch die T-Aktie verpuffte ebenso schnell wie ihre Kursgewinne. Doch jetzt kommt eine neue Generation Aktienhändler zum Zuge.

20.01.2022 | 17:42 min

Wie sieht die Zukunft des Dow-Jones-Index aus?

Und so lehnt sich Kapitalmarktstratege Roth, der ungern Prognosen abgibt, weit aus dem Fenster, wenn er sagt: "Auch in zehn Jahren wird der Dow Jones höher stehen als heute." Gesund sei ein jährliches Wachstum zwischen vier und sechs Prozent, findet er.
"Von daher sag ich mal, der Dow Jones wird 10.000 bis 15.000 Punkte höher liegen als jetzt, vielleicht sich sogar verdoppeln. Aber das hängt tatsächlich an Faktoren wie der wirtschaftlichen Entwicklung und der Geldpolitik der Notenbanken."
Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Börsenstudio in Frankfurt.

Der Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise entsteht durch die Finanzwelt, doch die Landbevölkerung trifft es am härtesten. Wie kam es zum Börsencrash und welche weiteren Umstände führten später zur "Großen Depression"?

20.05.2020 | 43:58 min

Thema

Mehr zum Thema