: Wie Preis- und Lohnanstieg einander befeuern
Natürlich sind es vor allem die explodierenden Spritpreise und Heizkosten, die den Menschen große Sorgen bereiten. Von einer Verdopplung dieser Ausgaben-Position sind viele Haushalte nicht mehr weit entfernt. Und auch jenseits dieser exorbitanten Preissprünge trügt das Gefühl kaum, wenn man merkt, dass irgendwie auch alles andere teurer wird.
Denn auch die Industrie wird von steigenden Energiekosten getroffen und versucht dies über Preiserhöhungen abzuwälzen. Daneben sind es aber auch die weiter anhaltenden Lieferengpässe, die viele Produkte knapp und damit teurer machen.
Lohnerhöhungen, die gar keine sind
All das führt zu steigenden Inflationserwartungen. So prognostiziert z.B. das renommierte Ifo-Institut eine Teuerung von bis zu 6,1 Prozent für das laufende Jahr. Lohnerhöhungen von nominal irgendwo zwischen zwei und vier Prozent, wie in den vergangenen Jahren üblich, bedeuten real dann Lohnverzicht.
"In der Corona-Krise waren die Lohnabschlüsse moderat. Aber die Gewerkschaften schauen natürlich auf die Inflation und wollen für ihre Mitglieder einen Ausgleich fordern", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Erste Gewerkschaften fordern deutlich höhere Löhne
Wo diese Reise hingehen kann, zeigt dieser Tage ein erster, kleiner Abschluss der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit der WISAG Aviation für die 550 Beschäftigten am Frankfurter Flughafen. Die Gehälter werden nach dem neuen Haustarif bis Ende 2024 jährlich zwischen sechs und sieben Prozent steigen, zusammen mit einer Reduzierung der Arbeitszeit.
"Bei der aktuell vorherrschenden Inflation und den insgesamt gestiegenen Lebenshaltungskosten war es uns ein zentrales Anliegen, den Mitarbeitern ein faires Angebot zu unterbreiten, das auskömmliche Löhne sicherstellt", betonte WISAG Verhandlungsführer Services Michael Richter.
In einer ganz anderen Liga spielen die noch andauernden Verhandlungen für die 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Doch auch hier ist die Richtung klar: "Bislang sprudeln die Gewinne der Konzerne weiter - ihre Beschäftigten aber leiden massiv unter der Inflation", mahnte IGBCE-Verhandlungsführer Ralf Sikorski.
Es droht eine Lohn-Preis-Spirale
Noch sind es einzelne Ausreißer. "Aber je länger die Inflation oben bleibt, desto mehr werden natürlich die Gewerkschaften einen Nachschlag, einen Ausgleich für die Inflation verlangen", erklärt Krämer.
Und damit steigt das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale.
Höhere Preise führen zu höheren Lohnforderungen, die die Unternehmer dann wiederum auf die Preise aufschlagen, was dann wieder zu höheren Lohnforderungen führt und so weiter. So setzt sich dann zumindest theoretisch die Spirale zwischen höheren Löhnen und höheren Preisen immer weiter fort. Krämer warnt:
In den 1970er-Jahren hatten wir ja so eine Preis-Lohn-Spirale, und das sorgt dafür, dass die Inflation sehr lange, sehr, sehr hoch bleibt.
Wie kommt man da wieder raus?
Wenn eine solche Lohn-Preis-Spirale erst einmal richtig in Gang gekommen ist, wird es enorm schwierig, sie wieder einzufangen.
Damals musste die Zentralbank die Leitzinsen phasenweise bis auf 20 Prozent steigen lassen.
"Sie mussten eine doppelte Rezession in Kauf nehmen, um dann die hohe Inflation zu brechen. Also so schlimm darf es gar nicht kommen", warnt Krämer.
Deshalb sei es jetzt auch so wichtig, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen und frühzeitig einzugreifen.
Die EZB spielt hier eine sehr, sehr wichtige Rolle.
"Sie muss klarmachen, dass sie weggeht von der sehr lockeren Geldpolitik, damit die Menschen wissen, dass die Inflation auf mittlere Sicht wieder runterkommt. Wenn sie das glauben, dann werden auch die Gewerkschaften keine sehr, sehr hohen Lohnforderungen stellen. Und dann bliebe uns auch eine Lohn-Preis-Spirale erspart."
Felix Hero ist ZDF-Wirtschaftsredakteur.