: Klima-Wundergas auch im Tank?

von Mark Hugo
17.07.2022 | 18:23 Uhr
Grüner Wasserstoff statt Diesel, Kerosin und Benzin? Auch bei der Verkehrswende soll das saubere "Wundergas" zumindest Teil der Lösung sein. Noch gibt es aber Hürden und Haken.
Wasserstoff im Verkehr: Bei vielen Bussen und Bahnen ist das bereits Realität - auch wenn er noch nicht immer klimaneutral hergestellt wird.Quelle: AP
Die Folgen von Krieg und Energiekrise mögen dramatisch sein. Der Energiewende allerdings spielen sie in die Karten. Davon sind Experten wie Prof. Christian Sattler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) überzeugt. Das gilt auch für den oft mit Skepsis beäugten erneuerbaren grünen Wasserstoff (H2).
Der sei nun in der Krise auch "wirtschaftlich absolut konkurrenzfähig, in vielen Fällen sogar günstiger, als wenn man ihn aus dem teuren Erdgas produziert", erklärt Sattler. "Ich denke, dass wir hier eine sehr schnelle Entwicklung sehen", glaubt Sattler deshalb. Eine, auf die vor allem die Chemie- und Stahlindustrie dringend angewiesen ist, um klimaneutral zu werden.

Wasserstoff als Pkw-Kraftstoff bisher wenig effizient

Aber hat das saubere Wundergas auch das Zeug dazu, die Verkehrswende voranzubringen?
Im Tank von Autos wohl weniger. Fast alle Hersteller - Toyota und Hyundai ausgenommen - setzen mittlerweile auf E-Motoren. Der Grund:
Bei Pkws sind sich inzwischen der größte Teil der Wissenschaft, Politik und Industrie einig, dass batterieelektrische Antriebe nicht nur effizienter, sondern deutlich kostengünstiger und verfügbarer als Wasserstoff- und E-Fuel-Optionen sind.
Dr. Falko Ueckerdt, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Die Rechnung ist einfach: Bei einem Wasserstoff-Pkw bleiben am Ende nur 27 Prozent der ursprünglichen Energie übrig, bei batteriebetriebenen E-Autos liegt nach Daten von Agora Verkehrswende und Öko-Institut der Wirkungsrad dagegen bei 64 Prozent.

Grüner Wasserstoff

Quelle:
Bei der Herstellung wird in Elektrolyseuren Wasser mit Hilfe von Ökostrom in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespaltet. Das Verfahren ist erprobt und funktioniert, ist für die Massenherstellung aber noch nicht ausgereift. Da die erneuerbare Energie in Deutschland auch in Zukunft für die erforderlichen Mengen bei weitem nicht ausreicht, wird ein großer Teil in sonnen- und windreichen Ländern produziert und dann importiert werden müssen. Das Gas ist natürlich farblos und nicht wirklich „grün“. Die Farbe bezieht sich allein auf die Herstellungsart. Grauer Wasserstoff etwa wird aus Erdgas, Kohle oder Öl hergestellt.   

Einsatz von grünem Wasserstoff

Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa/Archivbild
Das klimafreundliche Gas wird vor allem die Stahl-, Chemie- und Zementindustrie künftig als Brennstoff brauchen, um Erdgas oder Kohle zu ersetzen. Es kann auch gespeichert und etwa bei Flauten oder in Dunkelphasen zur Stromerzeugung genutzt werden. Auch Busse, Bahnen, Lkw oder Flugzeuge können damit laufen. In der Regel wandelt eine Brennstoffzelle das Gas in Strom um, der dann einen E-Motor antreibt. Als Abgas entsteht dabei Wasserdampf.    

E-Fuels

Quelle: DPA
So werden synthetische Kraftstoffe genannt, die in einem weiteren Schritt aus grünem Wasserstoff produziert werden. Im Idealfall wird das dafür gebrauchte CO2 aus der Luft entnommen und später bei der Verbrennung wieder freigesetzt. E-Kerosin oder E-Diesel wären damit klimaneutral. Mit E-Fuels können normale Verbrennungsmotoren oder Triebwerke betrieben werden - auch als Beimischung zu fossilem Kraftstoff.
Im Moment scheint der Weg daher klar. "Wir werden sehen, wie sich das in Zukunft entwickeln wird", gibt Sattler aber zu Bedenken. Alternativen sollte man bei Pkw noch nicht kategorisch ausschließen.

Wasserstoff-Lkw und -Züge geplant

Im Fernlastverkehr ist die Zukunft für den Wasserstoff dagegen vielversprechender. Noch sind Batterien schwer, laden oft langsam und bieten für große Lkw zu kurze Reichweiten. "Daher können Wasserstoff und vielleicht auch E-Fuels hier eine wertvolle Ergänzung sein, sobald sie verfügbar werden", so Falko Ueckerdt vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Daimler Trucks zum Beispiel will bis Mitte des Jahrzehnts einen großen Brennstoffzellen-Truck auf den Markt bringen. Reichweite: 1.000 Kilometer. Im Nahverkehr, in Bussen und auf den Gleisen sind Brennstoffzellen-Antriebe längst im Einsatz.
Da sehen wir großes Potential, auf nicht elektrifizierten Strecken mit Wasserstoff-Zügen zu fahren.
Prof. Christian Sattler, DLR-Energieexperte
Die Deutsche Bahn will ab 2024 auch auf längeren Strecken Züge testen, die dann statt mit Diesel mit grünem Wasserstoff laufen sollen. Dazu will sie ein eigenes Produktions- und Tankstellennetz aufbauen.

Verpflichtende Quoten für E-Fuels in der Luftfahrt

Anspruchsvoller wird die Wende in der Luftfahrt. Weite Strecken sind mit reinen E-Antrieben technisch nicht machbar. "E-Fuels sind die große Option für Interkontinentalflüge", erklärt Ueckerdt. Die können herkömmlichem Kerosin beigemischt werden.
Sowohl Deutschland als auch die EU führen verpflichtende Quoten ein. Bis 2050 soll sie bei 85 Prozent liegen. Erste Produktionsanlagen entstehen bereits. Eine hat letztes Jahr im Emsland eröffnet. E-Fuels werden auf Basis von grünem H2 hergestellt. Das ist allerdings noch aufwändiger und teurer.

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Wasserstoff braucht mehr Platz im Tank

Der Flugzeugbauer Airbus arbeitet derzeit an einen Großraum-Jet, der mit Wasserstoff auch Distanzen von über 2.000 Kilometern schaffen soll. Eine von vielen Herausforderung dabei ist, dass H2 deutlich mehr Platz im Flieger braucht als Kerosin.
Auch der weltweite Aufbau der Tank-Infrastruktur könnte laut Sattler ein Problem sein. "Auf der Kurz- oder Mittelstrecke werden wir aber in jedem Fall in Zukunft auch mehr Wasserstoff sehen."

Große Pläne, aber fehlende Anlagen und Infrastruktur

Noch ist das aber Zukunftsmusik. Denn Anlagen, die größere Mengen produzieren können, fehlen noch - ebenso Pipelines, Terminals und andere Infrastruktur.
Immerhin gibt es große Pläne. Die Bundesregierung schmiedet bereits Kooperationen mit Ländern wie Norwegen oder Namibia, um dort in großen Mengen zu produzieren.
Dass die EU auf ihrem eigenen Territorium bis 2030 eine Elektrolyseur-Leistung von 100 bis 120 Gigawatt erreicht haben will, ist ambitioniert. Nach PIK-Berechnungen wäre das etwa das 500-fache der Kapazität von Ende 2021.
Das ist eine riesige Herausforderung. Allein der erneuerbare Strom, der dafür nötig ist, entspricht in der Menge dem gesamten heutigen deutschen Stromsystem.
Dr. Falko Ueckerdt, PIK

Grüner Kraftstoff noch zu knapp und teuer

Anders als DLR -Experte Sattler geht Ueckerdt davon aus, dass das grüne Gas auf absehbare Zeit noch knapp und teuer bleiben wird. "Die Wettbewerbsfähigkeit kann nur mit Hilfe politischer Maßnahmen hergestellt werden", sagt er.
Gemeint sind Förderungen, Subventionen und ein wirkungsvoller CO2-Preis. Und noch gebe es eine große "Implementierungslücke". Heißt: Um die Wasserstoffziele zu erreichen, müsse jetzt schnell viel mehr passieren als bisher.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion

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