: Mittelstand schlägt Alarm: "Gefahr im Verzug"
von Klaus Weber
16.09.2022 | 13:10 UhrSie klagen alle: der Bäcker um die Ecke. Der Zementhersteller. Oder der mittelgroße Chemiebetrieb. Die hohen Energiepreise drücken den mittleren und kleinen Betrieben in Deutschland allmählich die Luft zum Atmen ab. Laut einer Umfrage des Mittelstandsverbandes BVMW, sehen sich sogar fast die Hälfte der befragten Unternehmen wegen der stark angestiegenen Energiekosten in ihrer Existenz bedroht.
Riesige Insolvenzwelle droht
Am deutlichsten wurden kürzlich in einem Interview die Familienunternehmer:
Eine riesige Insolvenzwelle ist bereits im Gang und sie wird noch viel größer werden. Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.
Dabei sieht sich der Mittelstand noch mit vielen anderen Problemen konfrontiert. Aber Fachkräftemangel oder gestörte Lieferketten treten derzeit in den Hintergrund, denn es geht ans Eingemachte.
IHK Wiesbaden sieht "Gefahr im Verzug"
Fabian Lauer, Chefvolkswirt und stellvertretender Geschäftsführer der IHK Wiesbaden, berichtet von "gedrückter Stimmung" unter den Mitgliedsunternehmen. Für die Region sieht er zwar noch keine Insolvenzen, aber es sei "Gefahr im Verzug". Er nennt ein Beispiel aus der Baubranche.
Dort arbeitet man mit Preisgarantien. Im Moment müsste man normalerweise mit Tagespreisen agieren. Das stößt bei den Kunden aber auf wenig Gegenliebe.
Heißt im Klartext: Die Kalkulationen der Unternehmen sind Makulatur. Entweder machen sie Verlust oder sie versuchen, die höheren Preise durchzudrücken. Letzteres könnte allerdings dazu führen, dass sie den Kunden verlieren. Doch nicht nur für die Bauindustrie ist die Preisexplosion bei Gas und Strom ein Problem. Die hohen Energiepreise stecken im Prinzip in jedem Schritt der Lieferkette. Von der Herstellung bis zum Transport. Kosten, die man schwer weitergeben kann. Und besonders schwierig für Unternehmen, die einen hohen Energieverbrauch haben und gleichzeitig stark exportorientiert sind.
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Massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit?
Sie stehen in Konkurrenz mit Unternehmen aus aller Welt, die zum großen Teil günstiger produzieren können. Ein Wettbewerbsnachteil, der sich kaum ausgleichen lässt. Auch deshalb schlägt der Vorsitzende des BVMW, Markus Jerger, Alarm: "Im unternehmerischen Mittelstand herrscht der Energienotstand. Wenn die Bundesregierung in dieser akuten Notlage nicht handelt, droht in zehntausenden mittelständischen Betrieben schon bald buchstäblich das Licht auszugehen. Das Ergebnis wäre ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit mit deutlichen Folgen für die Sozialkassen."
Immerhin bewegt sich die Bundesregierung. Das für die Industrie ausgelegte Hilfsprogramm soll nun auch für den Mittelstand geöffnet werden. Doch bis die Hilfen wirklich fließen, könnten noch Wochen vergehen.
Zögern wird die Krise nur vergrößern
Dabei ist Eile geboten. Tatsächlich war der Mittelstand lange Zeit gar nicht auf der Agenda der Bundesregierung.
Man hat schon einiges an Zeit verloren. Die Maßnahmen müssen unverzüglich erfolgen.
Vor allem Energiezuschüsse müssten "umgehend auf den Weg gebracht werden". In der Tat: Wartet man zu lange, lauert eine weitere große Gefahr. Betriebe und Branchen, die in der Wertschöpfungskette weiter hinten liegen und jetzt nur am Rande betroffen sind, könnten dadurch später auch in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wenn es nämlich beim produzierenden Gewerbe tatsächlich zu Insolvenzen und damit einhergehender, höherer Arbeitslosigkeit kommt, wird auch der Konsum einbrechen. Damit wäre die Krise auch endgültig im Dienstleistungsbereich, inklusive Einzelhandel angekommen. Einen solchen Flächenbrand könnte man kaum noch austreten.