: Bistum stellt Missbrauchsgutachten vor

von Dorthe Ferber
13.06.2022 | 04:13 Uhr
Köln, München, Münster: Ein Missbrauchsgutachten nach dem anderen erschüttert die katholische Kirche. Die Aufarbeitung geht nur schleppend voran.
Missbrauchsskandale werfen immer neue Schatten auf die katholische Kirche.Quelle: dpa
Es ist eine brisante Studie, die der Münsteraner Bischof Felix Genn in Auftrag gegeben hat: Wissenschaftler der Universität Münster haben den Missbrauch im Bistum im Zeitraum von 1945 bis 2022 untersucht. Es geht um einzelne Taten, es geht um persönliches Versagen und es geht um Strukturen, die Wegsehen und Strafvereitelung möglich gemacht haben.
Martin Schmitz hat das am eigenen Leib erlebt. Er war Messdiener, erst zehn Jahre alt, als die Übergriffe des Priesters begannen – ein Priester, der bereits einschlägig verurteilt und versetzt worden war. Schmitz ist heute Sprecher des Betroffenenbeirats der Münsteraner Studie und hat daran mitgewirkt, das Gutachten auf den Weg zu bringen.
Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat eine Studie über Missbrauch in der Kirche in Auftrag gegeben.Quelle: dpa

Frings: Betroffene Menschen in den Mittelpunkt stellen

Es habe in den Gemeinden immer Menschen gegeben, die vom Missbrauch wussten, sagt Schmitz. So etwas könne in die Studie von Historikern einfließen – das sei grade aus Sicht der Betroffenen wichtig. Die historische Studie der Münsteraner Wissenschaftler unterscheidet sich von den juristischen Gutachten, die die Bistümer in Köln und in München in Auftrag gegeben haben.
Solche Gutachten nähmen nur die rechtliche Verantwortung von Tätern und Vorgesetzten in den Blick, kritisiert auch Marc Frings, Generalsekretär des Zentralkommitees der deutschen Katholiken. Es müsse vielmehr darum gehen, die betroffenen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Missbrauch in Münster - schleppende Aufarbeitung

Seit zwölf Jahren sind nun die 27 deutschen Bistümer mit der Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche konfrontiert – damals wurden die ersten Fälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt. Mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann wurde ein Missbrauchsbeauftragter benannt, einige Bistümer haben Studien in Auftrag gegeben und der innerkirchliche Reformprozess Synodaler Weg wurde eingeleitet.
Auf Ebene der Verantwortlichen aber ist nur wenig geschehen. Kein einziger deutscher Bischof musste bisher zurücktreten und viele Bistümer stehen noch ganz am Beginn der Aufarbeitung. Derweil steigt die Zahl der Kirchenaustritte auf immer neue Rekordhöhen. Die historische Münsteraner Studie ist besser angelegt als die streng juristischen Gutachten anderer Bistümer, darin sind sich Betroffene und Laien einig.

Hotline für Betroffene

Aber Aufarbeitung dürfe nicht allein der Kirche überlassen bleiben:
Die Kirche allein schafft das nicht, der Missbrauch muss auch den Staat angehen.
Marc Frings, Zentralkommitee der deutschen Katholiken
Auch der Verfasser der Münsteraner Studie, der Historiker Thomas Großbölting fordert eine staatliche Begleitung des Aufarbeitungsprozesses. Auch steht der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, jetzt persönlich unter Druck.
Es gibt Rücktrittsforderungen, nachdem Ackermann den Klarnamen einer Betroffenen sexueller Übergriffe vor Mitarbeitenden des Bistums Trier genannt hatte. Ackermann will sein Amt im Herbst abgeben, ein Nachfolger steht noch nicht fest. Jede neue Missbrauchsstudie bringt erneut Leid ans Licht – nur genügen die Konsequenzen der Bischöfe vielen Kirchenmitgliedern nicht mehr. Das Bistum Münster hat nun erstmal angekündigt, eine Hotline für Betroffene einzurichten.

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