: Was der Krieg mit den Kindern macht

von Sherif Rizkallah, Cherson
23.02.2023 | 21:49 Uhr
Kein Kind in der Ukraine kann dem Krieg ganz entkommen. Angst und Ungewissheit sind seitdem ständiger Begleiter der ukrainischen Kinder. Was hat ein Jahr Krieg mit ihnen gemacht?

Sherif reist durch die Ukraine.

23.02.2023 | 21:42 min
Das Grollen von Artellerie zu hören. Seitdem Cherson zur Frontstadt geworden ist, haben viele Familien die Stadt verlassen. Vlada, Kiril und ihr Vater Ruslan sind in Cherson geblieben.
Der Großvater ist krank und möchte in seiner Heimat bleiben. Die Enkelkinder wiederum wollen ihren Opa nicht allein zurücklassen. Und so lebt die Familie seit Monaten mit den ständigen Angriffen auf ihre Stadt.
Wir haben oft Raketenangriffe in der Nähe von unserem Haus. Auch Kampfflugzeuge fliegen hier vorbei. Das macht mir Angst. Ich habe mich daran immer noch nicht gewöhnt.
Kiril, elf Jahre alt, aus Cherson

Die Erfahrungen des Krieges in der Ukraine haben Spuren hinterlassen

Vlada und Kiril verbringen den Tag zu Hause. Die Wohnung verlassen sie nur, wenn sie ihren Großvater besuchen oder mit ihrem Vater einkaufen gehen.
Sport treiben, Fahrrad fahren oder mit Freunden etwas unternehmen - das ist ausgeschlossen.
Wir können gerade auch nicht in die Schule gehen. Das läuft alles Online über das Handy meines Vaters. Das geht aber nicht immer. Wir haben oft kein Internet. Dann können wir nicht am Online-Unterricht teilnehmen.
Vlada, zehn Jahre alt, aus Cherson
Keine Schule, keine Freunde, ständige Angst und Ungewissheit - für Vlada und Kiril ist nichts mehr so wie früher. Die schlimmen Erfahrungen des Krieges haben Spuren hinterlassen.

In Cherson denkt ein Achtjähriger wie ein Erwachsener

Als Vlada gefragt wird, wie ihr Leben vor dem Krieg war, fängt sie an zu weinen. Es ist wohl einer dieser Momente, der ihr ungewollt vor Augen geführt hat, was der Krieg ihr alles genommen hat.
ZDF-Autor Sherif Rizkallah mit dem 8-jährigen Kostia vor dessen Wohnhaus in Cherson.Quelle: ZDF / Sherif Rizkallah
Jedes Kind geht mit den Erfahrungen des Krieges anders um. Kostia wohnt mit seiner Mutter ebenfalls in Cherson. Durch den Krieg denkt und redet er - obwohl er gerade mal acht Jahre alt ist - schon fast wie ein Erwachsener.
Ich bekomme keine Angst. Wenn mich ein Angriff trifft, dann trifft er mich. Ich kann daran ohnehin nichts ändern.
Kostia, acht Jahre alt, aus Cherson

Ukraines First-Lady Olena Selenska verzweifelt an der Situation der Kinder

An die Angriffe hat Kostia sich gewöhnt. Für ihn gehören sie mittlerweile zum Alltag dazu. Seine Stadt verlassen will Kostia dennoch nicht. Er will unbedingt in Cherson bleiben:
Ich will, dass die Menschen da draußen erfahren, wie es ist, wenn Häuser zerstört werden, wenn Menschen ihr Zuhause verlieren und umziehen müssen. Ich will, dass sie erfahren, wie das ist, wenn man sieht, wie andere sterben.
Kostia, acht Jahre alt, aus Cherson
Es sind solche Aussagen von Kindern, die Olena Selenska, Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj große Sorgen bereiten. Eines der schrecklichsten Dinge in diesem Krieg, so Selenska, sei es ...
... in die Augen der Kinder zu blicken und zu sehen, wie schnell sie erwachsen geworden sind.
Olena Selenska, ukrainische Präsidentengattin

Im ZDF-Interview betont Olena Selenska, dass die Ukraine alles tun wolle, um zu vermeiden, dass "eine Generation der Kriegskinder aufwächst".

09.02.2023 | 21:52 min
Bereits nach einem Jahr habe der Krieg dramatische Auswirkungen auf die Psyche der Kinder und unabsehbare Folgen auf deren weitere Entwicklung. Selenska befürchtet ...
dass wir eine Generation von Kriegskindern bekommen (…) Kinder, die viel zu viel gesehen haben, die viele Gräuel erlebt haben, die Kinder eigentlich nicht erleben sollten.
Olena Selenska, ukrainnische Präsidentengattin

In der Ukraine hat Unicef mehr als 100 Kinderzentren eröffnet

Deshalb, so Selenska, wolle die Ukraine alles tun, um den Kindern so weit es geht ein normales Leben ermöglichen.
Bei diesem schwierigen Unterfangen wird die Ukraine von mehreren Hilfsorganisationen unterstützt, die mit Projekten versuchen den Mädchen und Jungen ein Stück Kindheit zurückzugeben.

In Cherson verschwinden Kinder. Auch in anderen Orten der Ukraine werden Kinder vermisst. "ZDFzoom" zeigt, wie Russland viele von ihnen verschleppt hat und welche Strategie Putin damit verfolgt.

23.02.2023 | 43:59 min
Das Kinderhilfswerk Unicef hat beispielsweise landesweit mehr als 100 Kinderzentren eröffnet. Dort können die Kinder spielen, basteln und Sport treiben. Vielen Kindern hilft das ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten oder zumindest den Kriegsalltag für einige Stunden zu vergessen.
Für viele Kinder sind diese wenigen Stunden am Tag die einzigen an denen sie wieder einfach mal Kind sein können. Ein kleiner Lichtblick. Denn auch nach einem Jahr kann niemand den Kindern sagen, ob und wann der Krieg in ihrem Land ein Ende finden wird.
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