: Kein Plagiat: Ed Sheeran gewinnt Prozess

04.05.2023 | 18:13 Uhr
Doch nicht bei Marvin Gaye abgekupfert: Ed Sheeran wurde vom Vorwurf des Plagiats freigesprochen. Das Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die Musikbranche haben.
Ed Sheeran kann nach einem Gerichtsurteil aufatmen.Quelle: epa
Der britische Popstar Ed Sheeran hat einen Prozess wegen Plagiatsvorwürfen in New York gewonnen. Ein Geschworenengericht sprach den 32-jährigen Singer-Songwriter in einem Zivilprozess von dem Vorwurf frei, für seinen Hit "Thinking Out Loud" rechtswidrig beim Soulklassiker "Let's Get It On" von Marvin Gaye aus dem Jahr 1973 abgekupfert zu haben. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Musikbranche.

Sind Akkordfolgen urheberrechtlich geschützt?

Eigentlich wollte sich Sheeran auf seine bevorstehende Tournee und die Veröffentlichung eines neuen Albums konzentrieren. Doch in den derzeit regelmäßigen Gerichtsterminen geht es nicht nur um Plagiatsvorwürfe - sondern womöglich um die Zukunft einer ganzen Branche. Denn die eigentliche Frage bei dem Prozess ist: Sind Akkordfolgen urheberrechtlich geschützt?
Geklagt hatten die Erben des Songwriters Ed Townsend, der den Soul-Klassiker "Let's Get It On" aus dem Jahr 1973 zusammen mit Gaye verfasste. Gayes Hit habe "auffällige Ähnlichkeiten und offensichtliche Gemeinsamkeiten" mit Sheerans Song "Thinking Out Loud" von 2014, sagen die Kläger. Der Prozess ist der jüngste in einer Reihe hochkarätiger Urheberrechtsfälle, welche die Branche in Aufruhr versetzen.

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Ed Sheeran greift vor Gericht zur Gitarre

Vor Gericht griff Sheeran in seiner Verzweiflung sogar zur Gitarre, um Richtern und Geschworenen zu beweisen, dass die beanstandete Akkordfolge seines Songs ein grundlegender Baustein der Popmusik sei, der nicht urheberrechtlich geschützt werden könne.
Seine Anwälte argumentieren, Gaye und Townsend seien bei Weitem nicht die ersten gewesen, die diese Akkordfolge genutzt hätten. Als Beispiel nannten sie eine Reihe von Liedern des nordirischen Musikers Van Morrison, welche dieselbe Sequenz genutzt hätten und vor "Let's Get It On" geschrieben worden seien.
Diese Ansicht vertritt auch der forensische Musikwissenschaftler Joe Bennett. Der Professor am Berklee College of Music in Massachusetts sagte:
Solche Ähnlichkeiten können so leicht durch Zufall entstehen. Sie sollten nicht durch das Urheberrecht geschützt werden können.
Joe Bennett, Berklee College of Music
Beide Seiten hatten für das Gerichtsverfahren Sachverständige engagiert, die den Geschworenen die musiktheoretischen Details erklären sollten.

Jurist: Urheberrecht-Urteile könnten sich auf Komponieren auswirken

In den vergangenen Jahren gab es mehrere Entscheidungen zum Urheberrecht in der Musik: 2016 verklagte Gayes Familie, die am aktuellen Prozess nicht beteiligt ist, die Künstler Robin Thicke und Pharrell Williams wegen Ähnlichkeiten zwischen dem Song "Blurred Lines" und Gayes "Got to Give it Up".
Der Erfolg dieser Klage überraschte viele im Musikgeschäft und selbst Juristen, die viele der strittigen musikalischen Elemente als grundlegend und frei für die Allgemeinheit betrachteten.
Kurz darauf bestätigte ein Berufungsgericht den Sieg der britischen Rockband Led Zeppelin in einem ähnlichen Fall, bei dem es um ihren berühmtesten Song "Stairway to Heaven" ging.
Ein Grund, warum der Fall "Ed Sheeran" für die Branche wirklich wichtig sein könnte, ist, dass er zeigen könnte, ob das Pendel wieder zur anderen Seite ausschlägt, oder ob es hin und her geht.
Jurist Joseph Fishman, US-Universität Vanderbilt
Entscheiden die Gerichte immer wieder anders, sagt der auf Urheberrecht spezialisierte Jurist Joseph Fishman von der US-Universität Vanderbilt, "könnte das einen abschreckenden Effekt auf die Art und Weise haben, wie Songwriter komponieren", sagt der Rechtsprofessor.

Selbst Beatles sahen sich mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert

Selbst wer ohne Absicht Elemente anderer Komponisten aufgreift, ist nicht vor einer Verurteilung gefeit: 1976 wurde Beatles-Gitarrist George Harrison für schuldig befunden, "unbewusst" den Song "He's So Fine" von der US-Girlband Chiffons plagiiert zu haben. In seinen Memoiren schrieb Harrison später, dass er danach beim Songschreiben unter einer "Paranoia" litt.

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Andere Songwriter hätten ihm gesagt "Du musst für uns gewinnen", erklärte Sheeran jetzt vor Gericht. Er hatte befürchtet, wenn er verloren hätte, sei er "erledigt", sagte der 32-Jährige.
Ich finde es wirklich beleidigend, wie die Arbeit meines ganzen Lebens von jemandem herabgesetzt wird, wenn er sagt, dass ich geklaut habe.
Ed Sheeran
Viele seiner Studierenden machten sich wegen des Prozesses gegen Sheeran Gedanken um ihre eigene Zukunft als Liedermacher, sagt der Musikwissenschaftler Bennett. "Ich fürchte, dass die Vorstellung, immer unverwechselbar sein zu müssen und nichts übernehmen zu dürfen, den emotionalen und kreativen Prozess eines Songwriters gefährdet", fügt die Musikstudentin Mary Jo Swank hinzu, und:
Es wäre schön, wenn ich meine Version einer Akkordfolge schreiben dürfte, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass sie nicht einzigartig genug ist.
Musikstudentin Mary Jo Swank
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