: Anschlagsplan: Hinweis führte zu Festnahme

08.01.2023 | 10:31 Uhr
In Castrop-Rauxel ist ein 32-Jähriger festgenommen worden, der einen islamistischen Anschlag geplant haben soll. Laut NRW-Innenministerium gab es einen "ernstzunehmenden Hinweis".
Anti-Terror-Ermittler haben in Castrop-Rauxel im nördlichen Ruhrgebiet einen 32-Jährigen festgenommen, der einen islamistischen Anschlag vorbereitet haben soll. Das bestätigte ein Polizei-Sprecher der ZDFheute-Redaktion auf Nachfrage.

Verdächtiger soll sich Cyanid und Rizin besorgt haben

Der Mann habe die iranische Staatsangehörigkeit und sei verdächtig, sich für die Tat die Giftstoffe Cyanid und Rizin besorgt zu haben. Das teilten die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die Polizei Recklinghausen und die Polizei Münster am frühen Sonntagmorgen mit.
Wie weit die Anschlagspläne fortgeschritten waren und ob es schon ein konkretes Anschlagsziel gab, blieb zunächst unklar. Der Einsatz war aber offenbar zeitkritisch, denn NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) teilte gegenüber ZDFheute mit:
Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen.
Herbert Reul, Innenminister in NRW
Die "Bild"-Zeitung berichtet, dass ein befreundeter Geheimdienst die deutschen Ermittler vor einer chemischen Bombe gewarnt habe. Das Innenministerium wollte sich dazu nicht äußern.

Was ist Rizin?

Rizin ist ein Pflanzengift, das beim Rizinusbaum (Ricinus communis) vor allem in den Samen enthalten ist. Gewonnen wird es nach Auspressen des Öls aus dem Rückstand der Samen. Besonders giftig ist es bei Injektion oder Inhalation.

Zu den Symptomen zählen Übelkeit und Erbrechen, Muskelschmerzen, Leber- und Nierenschäden sowie Kreislaufversagen, bei Inhalation Auswirkungen in den Atemwegen wie Lungenödeme. Behandelt werden im Vergiftungsfall die Symptome, spezifische Therapiemöglichkeiten gibt es bisher nicht. Laut Robert-Koch-Institut ist es in der Kriegswaffenliste unter "Biologische Waffen" aufgeführt.

Was ist Cyanid?

Cyanide - vor allem das als Zyankali bekannte Kaliumcyanid - werden schon seit langer Zeit für gezielte Vergiftungen verwendet. Sie wirken nicht nur beim Verschlucken, sondern auch nach Einatmen über die Lunge. Die Atemgifte wirken sehr schnell, die Opfer sterben an Atemlähmung.

Cyanide werden auch in der Industrie, unter anderem zur Härtung von Stahl, eingesetzt. Cyanverbindungen führen immer wieder zu Massensterben von Wasserlebewesen, wenn sie etwa aus Bergwerken in Gewässer gelangen. Zu Vergiftungen beim Menschen kann es etwa nach dem Verzehr von Bittermandeln oder Aprikosenkernen kommen. Es gibt auch ungiftige Cyanide, die unter anderem als Lebensmittelzusatz verwendet werden.

Wie gefährlich kann Rizin als Waffe sein?

Quelle:
Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Online-Käufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp.

Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können.

Quelle: dpa

Wohnräume in Castrop-Rauxel durchsucht

Laut den Ermittlern seien in der Nacht zum Sonntag auf richterliche Anordnung die Wohnräume des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel durchsucht worden. Der Einsatzort war weiträumig abgesperrt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort.
Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge, wie ein dpa-Reporter berichtete.
Der Beschuldigte ist verdächtig, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Die Durchsuchung dient der Auffindung entsprechender Giftstoffe und anderer Beweismittel.
Ermittler

Polizei: 32-Jähriger in Gewahrsam

Der 32-Jährige und eine weitere Person seien in Gewahrsam genommen worden. Die Männer wurden in Unterhose und mit nur notdürftig übergeworfener Jacke über die Straße in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeugen berichteten. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet. Laut einem Bericht des WDR soll es sich bei den beiden Männern um Brüder handeln.
"Beweismittel wurden sichergestellt und werden ausgewertet", schrieben die Ermittlungsbehörden. Ob der 32-Jährige einem Haftrichter vorgeführt werde, sei noch nicht entschieden.
Neben dem 32-Jährigen wurde auch eine weitere Person festgenommen.Quelle: dpa

Beweise in blauen Fässern gesichert

Das Verfahren wird bei der Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf geführt.
Dank von Gesundheitsminister Lauterbach an Einsatzkräfte
Am Sonntagmorgen beendete die Polizei ihre Arbeit in der durchsuchten Wohnung vorerst. Auch an der wenige Kilometer entfernten Dekontaminationsstelle der Feuerwehr Recklinghausen war am frühen Morgen Ruhe eingekehrt. Dort hatten Einsatzkräfte in Schutzanzügen Beweismittel, die vor Ort in blauen Fässern versiegelt worden waren, behandelt.

Zahl der Islamisten im Vergleich zu 2017 leicht gestiegen

Die Zahl der Islamisten ist in Deutschland relativ stabil. Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählte 2021 28.290 Personen zum islamistischen Personenpotenzial. Verglichen mit 2017 ist die Zahl angestiegen. Damals führten die Verfassungsschützer 25.810 Islamisten.
Nach einem islamistischen Terrorakt auf einen britischen Abgeordneten Ende 2021 hatte die Dschihadismus-Expertin Julia Ebner gegenüber ZDFheute betont, dass der islamistische Terror in Europa trotz Pandemie nie weg gewesen sei.
Zwar hat der Islamische Staat sein Territorium verloren - dadurch ist sein Haupt-Rekrutier-Argument weg. Aber besonders im Netz geht die Radikalisierung durch den sogenannten Online-Dschihad weiter. Der soll Menschen zu Attentaten motivieren.
Julia Ebner, Terrorismus-Expertin
Quelle: dpa, AFP, ZDF