: Integration als Aufgabe und die EM als Chance
von Klara Thelen, Peter Böhmer
18.06.2024 | 06:01 UhrOnur Tuac steht am Spielfeldrand im Krefelder Westen und schaut seiner D-Jugend von Anadolu Türkspor beim Training zu. Die Kids rennen hin und her, rauf und runter, mit Ball oder ohne, angefeuert von ihren Trainern. Onur Tuac ist Augenarzt und Vorstandsmitglied des Fußball-Vereins. Er sagt:
Wir sehen mit großer Vorfreude auf die EM und wollen die Euphorie in das Vereinsleben mitnehmen.
Denn Anadolu Türkspor sieht sich als multikultureller Verein mit Integrationsaufgabe.
"Der Verein holt Jugendliche von der Straße", so steht es auf der Website. Oder: "Der Verein lehrt Sport, Disziplin, Gewinnen und Verlieren. Hinzu kommt Sozialverhalten mit Begriffen wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Respekt und Verhalten in der Gruppe."
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In Dortmund trifft die Türkei auf EM-Neuling Georgien. Wegen einer Unwetter-Warnung bleiben die Fanzonen in den NRW-EM-Städten heute jedoch geschlossen. Die Vorfreude auf das Spiel ist dennoch groß.
18.06.2024 | 02:47 minSchmelztiegel auf dem Fußballplatz
Hier gibt es keine Minderheiten, jeder ist uns willkommen, egal welcher Nationalität.Wir haben auch Spieler, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind, und versuchen die zu integrieren.
Auch an anderen Orten dient der Sport als Ventil und Möglichkeit. Zum Beispiel für Trainer Basayev Danka. Er hilft bei der Integration junger Geflüchteter.
18.04.2024 | 03:26 minVereinssprache ist Deutsch
"Manchmal spricht bei uns die halbe Mannschaft Französisch, und die andere Hälfte Englisch", erklärt Jugendleiter Tuncay Boylu. "Die Vereinssprache ist aber Deutsch." Und weil dann also im Verein nur Deutsch gesprochen wird, gehe die sprachliche Integration schneller als in jedem Sprachkurs.
"Es gibt mittlerweile auch zwei deutsche Spieler im Verein, aber das sei kein einfaches Thema", sagt Boylu. Die Deutschen hätten oft anfängliche Berührungsängste. Es sei nicht leicht, die von dem Verein zu überzeugen.
Die lesen in der Presse, dass türkische Vereine Probleme haben, aber hier bei uns geht's nur um Fußball, um nichts anderes.
Schon Monate vor EM-Start hatte sich Turnierdirektor Philipp Lahm für eine EM der "Vielfalt, Inklusion und Integration" ausgesprochen.
14.11.2023 | 01:29 minKulturverständigung durch den Sport
Da funktioniert die Integration also mal von deutscher Seite aus gesehen eher schlecht. Der Sport jedenfalls motiviert Jugendliche wie Enes: "Fußball bedeutet mir sehr viel, wenn ich viel trainiere, er macht mich glücklich, ich versuche, immer weiterzumachen."
Wasser auf die Mühlen von Onur Tuac: "Wenn man sich das Zusammenleben hier anschaut, wenn man sieht, wie junge Familien hier bei uns mitintegriert werden ins Vereinsleben, dann sieht man sehr deutlich, dass Sport auch für das Zusammenleben unter den Kulturen eine sehr wichtige Bedeutung hat."
Alles zur Fußball-EM 2024
Verein hofft auf Mitgliederzuwachs durch EM
Und nun die Fußball-EM in Deutschland, bei der bei vielen das türkische Herz allerdings stärker schlägt als das deutsche. "Türkiye, Türkiye", schreien die jungen Fußballer geschlossen, als es darum geht, Begeisterung zu zeigen. Viele haben den Traum, selber mal Fußballprofi zu werden.
So auch der 13-jährige Deniz aus der D-Jugend. Sein Lieblingsspieler ist der erst 19-jährige Arda Güler, der seit letztem Jahr bei Real Madrid spielt und als großes türkisches Talent gilt. "Die Türkei wird Erster in der Gruppe, und dann kommen wir ins Finale", sagt Deniz, "wir haben viele junge Spieler, aber auch sehr starke erfahrende."
Er hofft auf ein Finale gegen Portugal, sieht die Truppe um Cristiano Ronaldo dann aber in der Favoritenrolle. Auch Jugendleiter Boylu glaubt an die Türkei und dann? Gegen wen? "Deutschland. Das wäre ein Kracher." Und dann, sagt er diplomatisch, "solle der Bessere gewinnen". Und Anadolu Türkspor noch mehr Mitglieder anziehen - Vereinsleben als Integrationsaufgabe.