: Hamburg tritt ein Jahr in die Pedale

von Sven Rieken
05.01.2023 | 20:21 Uhr
In einem Hamburger Einkaufszentrum Fahrrad fahren, 24 Stunden lang und mindestens 100 Euro spenden - diese Aktion für die Ukraine ist die Aktivste bislang.
Martin Blüthmann, der die ungewöhnliche Spendenaktion ins Leben gerufen hat, tritt selbst fleißig in die Pedale für die Ukraine.Quelle: ZDF
Morgens um 5 Uhr ist es sehr ruhig in der Europa-Passage in Hamburg. Das Einkaufszentrum liegt direkt an der Binnenalster am Anfang des Jungfernstieges. Um diese Zeit ist hier normalerweise niemand.

"Ein Licht für die Ukraine"

Seit dem 1. Januar tönt jedoch ein leises Surren durch die fünf Etagen des Centers. Über dem Eingang auf einer Empore strampelt Martin Blüthmann auf einem Ergometer – einem Trimm-dich-Fahrrad. Ein Bewegungsmelder registriert jede Umdrehung des Schwungrades und lässt ein Licht leuchten im Schaufenster zur Alster zwei Stockwerke darüber.
"Ein Licht für die Ukraine", wie Blüthmann erzählt. Der Herausgeber einer Sportzeitschrift wollte eine besondere Spendenaktion ins Leben rufen, eine, die jedem selbst etwas abfordert.

365 Tage radeln, rund um die Uhr

Blüthmann, ein Mann in den 50igern, wollte etwas tun. Während er weiterradelt, erzählt er:
Vor allem die Bilder der Kinder aus der Ukraine gehen mir nicht aus dem Kopf,
Martin Blüthmann, Organisator der Spendenaktion
Er nahm Kontakt mit #weareallUkrainians auf - einer Hilfsaktion, die Wladimir Klitschko und Tatjana Kiel ins Leben gerufen haben.
"Überlebensrucksäcke für die Kinder brauchen sie dort dringend", hat Blüthmann erfahren, "mit kleinen Hämmern, um sich nach einem Bombentreffer bemerkbar zu machen, wenn sie verschüttet werden". Schon die Vorstellung einer solchen Situation reichte für den Entschluss zur Fahrradaktion.

Blüthmann will Zeichen setzen, das viele sehen

Blüthmann wollte ein Zeichen setzen, das weithin sichtbar über der Alster ist. Inzwischen leuchtet die riesige Glühbirne im Schaufenster der Europa-Passage seit dem Jahreswechsel stetig. Alle Stunde tritt jemand anderes in die Pedale. Auch nachts um 3 Uhr. Blüthmann lächelt und sagt:
Sonntagmittag bei Sonnenschein radeln kann jeder.
Martin Blüthmann, Organisator der Spendenaktion
Seine Aktion solle eben auch an die Substanz gehen. Firmen, Vereine, Schulen, Privatpersonen – der Januar ist bereits ausgebucht.
Das Licht an der Europa-Passage in Hamburg soll das ganze Jahr über für die Ukraine brennen, angetrieben durch die Muskelkraft der Spender.Quelle: ZDF
24 Stunden "kosten" Minimum 100 Euro für Privatleute. Firmen und Vereine sollen nach Möglichkeit mindestens 250 Euro spenden. Das Geld geht direkt an #weareallUkrainians. Die Kosten für die "Rund-um-die-Uhr-Rad-Aktion" haben Sponsoren übernommen. Das Center ist ohnehin von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr geöffnet – genügend Zuschauer sind also auch stets dort.

Die Webcam ist immer dabei

Möglichst viel Öffentlichkeit ist für Martin Blüthmann ein zentraler Punkt der Aktion. "Allein die Planung dieses Tages von 9 Uhr bis 9 Uhr macht etwas mit den Menschen", so ist sich Blüthmann sicher.
Es gibt ihnen das Gefühl, helfen zu können. Das ist schon die halbe Miete.
Martin Blüthmann, Organisator der Spendenaktion
Tatsächlich ist die Resonanz auf die Aktion groß. Sportvereine rufen ihre Mitglieder auf, je eine Stunde zu übernehmen. An solch' prominenter Stelle in der Stadt gibt es ansonsten keine Fitness-Möglichkeit. Ein 24-Stunden-Livestream zeigt die beiden Ergometer auf dem Podest. Vor allem die Firmen sollen möglichst viel mit der Aktion werben. Social Media ist ständiger Begleiter und schafft Öffentlichkeit.

Ein Licht über der Alster, das nie ausgeht

Das Motto ist also Programm - zumindest sinnbildlich, denn es spielt für die Lampe an der Fassade keine Rolle, wie stark jemand antritt, sondern nur, dass sich das Ergometer bewegt. Außerdem ist derzeit eine Pausenzeit von fünf Minuten eingestellt.
Martin Blüthmann möchte nicht, dass das Licht über der Alster auch nur eine Sekunde in diesem Jahr ausgeht, nur weil mal jemand schnell in die 5. Etage des Centers muss. Da sind nämlich die Toiletten.
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