Interview

: "Kunst darf alles und muss überhaupt nichts"

20.02.2023 | 06:33 Uhr
Der Kleinkunstpreis Musik 2023 geht an Danger Dan. Der 39-Jährige wird für sein vielbeachtetes Nummer-Eins-Album "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" geehrt.
Danger DanQuelle: Imago
Mit seiner persönlichen Entwicklung - vom Rap zum deutschen Chanson - hätte Danger Dan sich ein eigenes Genre erschaffen und sich in die Riege der deutschen Spitzenpoeten getextet, heißt es in der Jury-Begründung des Mainzer Unterhauses.
Dem 11-Track starken Album folgte eine ausverkaufte Tour, die komplett hochverlegt werden musste - in die größten Konzertsäle des Landes. Am 26.02. wird Danger Dan ausgezeichnet.
ZDFheute: Du hast gerade eine lange Tour hinter Dir, die restlos ausverkauft war. Vom ‎Admiralspalast in Berlin über die Elbphilharmonie in Hamburg oder die ‎Tonhalle in Düsseldorf - fragst du dich manchmal, wer da jetzt auf einmal ‎alles so im Publikum sitzt?
Danger Dan: Als das auf einmal losging und die Konzerthäuser immer größer ‎wurden, habe ich schon kurz Angst gekriegt und gedacht: Was sind denn das ‎jetzt alles für Leute, die da hinkommen? Aber bis jetzt habe ich das Gefühl: Ich ‎habe immer noch ein recht nettes Publikum.
Das ist eines der wenigen ‎Dinge in meinem Leben, auf das ich ganz stolz bin: Dass verhältnismäßig wenig ‎Arschlöcher zu mir kommen.
Danger Dan, Sänger und Songwriter
ZDFheute: Glaubst Du, dein jetziger Erfolg hat auch etwas mit der Darbietungsform zu tun? ‎Also dass den Menschen in der Breite der eine Mann am Piano deutlich mehr liegt als Hip-Hop-Musik als Transportmittel für Inhalte?
Danger Dan: Also ich glaube auf jeden Fall, dass das etwas damit zu tun haben ‎könnte. Denn wenn ich dieselben Themen, die ich seit Jahren immer wieder ‎behandele, als Rapper mit der Antilopen Gang mache, ist das ‎sicher für ganz viele Leute schwierig nachvollziehbar oder zu schwer codiert. ‎
Einerseits weil die so viel Text in so kurzer Zeit gar nicht aufnehmen können, ‎andere Hörgewohnheiten haben. Oder vielleicht ästhetisch damit nicht viel ‎anfangen können.
Das ist schon interessant, wenn ich dann dasselbe noch ‎einmal erzähle - aber nur am Klavier - dass es auf einmal so ein großes neues ‎Publikum gibt, das Zuhören möchte.
Danger Dan, Sänger und Songwriter
ZDFheute: Du kannst keine Noten lesen aber komponierst. Wie funktioniert das?
Danger Dan: Ich komponiere eher haptisch. Ich erspiele mir so Sachen und merke mir die ‎Bewegungsabläufe. Ich gucke dann auch selten auf die Klaviatur. Und wenn mir ‎irgendetwas gefällt, dann spiele ich es so lange im Kreis, bis ich mir das merken ‎kann.

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ZDFheute: Dein Lebenslauf liest sich wie eine große Suche. Du bist oft angeeckt, von Schulen geflogen, hast ein Studium begonnen und abgebrochen, hast mal pädagogisch gearbeitet, mal fürs Theater und warst mit der Musik fast in der ganzen Welt unterwegs. Wieso?  
‎Danger Dan: Ich war auf jeden Fall immer von so einem Fernweh geplagt. Das ist ‎merkwürdig in meinem Leben. Ich habe, auch wenn alles gut war, immer ‎das Gefühl gehabt: Es reicht mir nicht. Also: Ich bin nicht da ‎angekommen, wo ich sein will. Und habe dann öfter einfach meine ‎Segel gesetzt und bin woanders hingegangen und habe mir gedacht: Okay, vielleicht wartet ja noch viel ‎mehr in dieser Welt.
ZDFheute: In "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" wird zu Militanz aufgerufen und unter anderem auch erwogen, mit Gewalt gegen Rechte vorzugehen. Ich weiß, dass du Dich eigentlich als Pazifist siehst. Wie passt das zusammen?
Danger Dan: Man muss sich diese Militanz-Stelle im Kontext des ganzen Liedes ‎angucken. Das ist meine Erfahrung, dass es in der Vergangenheit und ‎wahrscheinlich auch heute immer wieder Momente gibt, dass die ‎Polizei und die Staatsanwaltschaft es eben nicht schafft, militanten ‎Neonazis nachzukommen. ‎Und ein Ereignis, das mich da sehr früh geprägt hat, war Rostock-Lichtenhagen.
Ich war noch sehr jung und hab gesehen, wie Neonazis Leute ‎angreifen, Leute verbrennen wollen und die Polizei tatenlos ‎danebenstand.
Wenn die Neonazis also das machen, was nämlich ihr Tagesgeschäft ist: Angst, ‎Schrecken, Hass und Gewalt zu verbreiten. Dann muss man sich dem in den Weg stellen. Und das ‎muss man, glaube ich, auch mit allen Mitteln.
Danger Dan, Sänger und Songwriter
ZDFheute: Also hat Pazifismus seine Grenzen?
Danger Dan: Ich denke, man kann einerseits Pazifist sein. Und das bin ich auch. Und ‎gleichzeitig in individuellen Momenten Gewalt als eine ‎Möglichkeit erwägen. Aber vielleicht als die aller-, allerletzte ‎Möglichkeit. Und immer im Sinne eines Defensivmechanismus.
Pazifismus würde in dem Fall auch bedeuten, dass ‎man einfach Kriege als normale Form von Politik ablehnt. Und das ‎mache ich. Trotzdem bin ich zum Beispiel unglaublich ‎froh, dass die Alliierten die Welt von den Deutschen befreit haben, ‎‎1945. Und ich glaube, dass hätte eben auch mit Luftballons und einer ‎Gesprächsrunde nicht so gut geklappt.
ZDFheute: Von Seiten der AfD wird immer wieder die Forderung nach einer neutralen, entpolitisierten Kunst laut. Was hältst Du davon?
Danger Dan: Es gibt keine neutrale Kunst. Und es gibt auch nicht die Möglichkeit in politisch so aufgeladenen Zeiten, sich neutral zu verhalten.
Kunst darf erstmal alles und muss überhaupt nichts.
Danger Dan, Sänger und Songwriter
Das Interview führte Kai-Felix Jochens.

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